Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde

Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde
Mittelbau der Preußischen Hauptkadettenanstalt um 1900

Die Preußische Hauptkadettenanstalt war die zentrale Offiziersschule der Preußischen Armee, zuletzt angesiedelt in Groß-Lichterfelde bei Berlin (1882–1918).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Appell in der Hauptkadettenanstalt, 1900

1866 kaufte Johann Anton Wilhelm Carstenn die Güter Lichterfelde und Giesensdorf zur Errichtung der Villenkolonien Lichterfelde-West und -Ost in der Nähe von Berlin. Er parzellierte das Gelände, ließ Alleen und Plätze anlegen und schrieb eine Villenbebauung vor. Um den anfangs schleppenden Verkauf voranzutreiben, schenkte er dem Preußischen Staat 1871 rund 21 ha Land in Lichterfelde-West zum Bau einer neuen Kadettenanstalt. Carstenn setzte dabei auf den Imagegewinn durch den Umzug der hochangesehenen Anstalt nach Lichterfelde wie auf die verstärkte Nachfrage nach Grundstücken durch die im Kaiserreich fast ausschließlich aus adeligen Familien stammenden Offiziere. Mit dem Schenkungsvertrag verpflichtete er sich zur Erschließung des Kasernengeländes und zur Herstellung eines Verkehrsanschlusses. So entstand 1881 die erste elektrische Straßenbahn der Welt auf der Strecke, die vorher für den Baumitteltransport genutzt wurde. Sein Konzept war so erfolgreich, dass das Villenviertel Lichterfelde bis heute von der ursprünglich durch die Kadettenanstalt angezogenen preußisch-konservativen Oberschicht geprägt ist. Carstenn selbst verlor durch die Finanzierung der Anstalt sein beträchtliches Vermögen und starb verarmt.

1873 bis 1945

Unterricht in der Hauptkadettenanstalt, 1900
Kadetten der kaiserlichen Kadettenanstalt bei großer Morgenparade, zwischen 1900 und 1914
Kadetten der kaiserlichen Kadettenanstalt in Paradeaufstellung, 1911

Am 1. September 1873 wurde in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I. der Grundstein zur Hauptkadettenanstalt gelegt und bis 1878 an der Finckensteinallee von August Ferdinand Fleischinger, Gustav Voigtel und Bernhard erbaut. Die prachtvoll ausgeführten Bauten umfassten unter anderem Unterrichts- und Dienstgebäude, zwei Kirchen, den repräsentativen Feldmarschallsaal, Speisesaal, Pferdeställe, Turnhalle, Lazarett sowie eine große Zahl von Dienstwohnungen. 1878 zog die Preußische Hauptkadettenanstalt aus den beengten Bauten in der Stadt in die neuen Gebäude in Lichterfelde-West. Dort residierte sie als die wichtigste Kadettenanstalt des Deutschen Reichs bis zu ihrer Auflösung. Gemäß den Bedingungen des Versailler Vertrags musste das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg die Hauptkadettenanstalt abschaffen. Sie wurde mit einem Schlussappell am 20. März 1920 aufgelöst und als reformpädagogische staatliche Bildungsanstalt weitergeführt. In Erinnerung an die Anstalt und die jungen Soldaten, von denen viele gefallen waren, wurde die nahegelegene Sternstraße in Kadettenweg umbenannt und dort ein Gedenkstein an das Kadettenkorps errichtet.

1933 wurde der Gebäudekomplex von der Leibstandarte-SS Adolf Hitler übernommen. 1937–40 erfolgten Ausbauten für die neue Funktion durch Karl Reichle, Badberger und Wilhelm Weygand. Es entstanden Torbauten, Wirtschaftsgebäude und Magazine sowie eine große Schwimmhalle nach modernsten Gesichtspunkten, die zu den Olympischen Spielen 1936 genutzt wurde.

Bis 1945 war der Hof der Kadettenanstalt Standort des nach dem Zweiten Weltkrieg von den alliierten Besatzungstruppen nach Kopenhagen transportierten, ursprünglich in Flensburg beheimateten Flensburger Löwen.

Nach 1945

Berliner Gedenktafel am Haus Finckensteinallee 63-87, in Berlin-Lichterfelde

Von der ursprünglich ausgedehnten Anlage sind der südöstliche Kasernentrakt, einzelne Wohnhäuser und das Kommandantenhaus im Westen erhalten. Die übrigen Bauten des 19. Jahrhunderts, einschließlich der Umfassungsmauer, wurden 1945 zerstört bzw. beschädigt und anschließend durch US-Truppen abgerissen. Erhalten sind daneben auch Teile des zur Finkensteinallee gelegenen Eingangshofs der Kaserne der SS-„Leibstandarte“.

Im Juli 1945 übernahmen US-Truppen die Kasernenanlage und führten dort die „Andrew Barracks“. 1953 bauten sie eine Kirche auf dem Gelände, dabei wurden die noch erhaltenen Teile des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Kadettendoms abgerissen. Es folgten weitere Gebäude, wobei man sich allerdings nicht an die alten Ansichten und Grundrisse hielt.

Seit dem Abzug der Alliierten 1994 wird das Gelände der Hauptkadettenanstalt vom Bundesarchiv genutzt, dort sind heute die zentralen Archive des Deutschen Reichs (Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus) und der DDR zusammengefasst.

Ab Sommer 2006 ist ein Magazinneubau auf dem Gelände geplant, in dem weitere Teile des Bundesarchivs zusammengeführt werden sollen. Dabei soll die Wirkung der denkmalgeschützten Bereiche durch hochaufragendende fensterlose Neubauten bewusst zerstört werden, um die neue Nutzung des Geländes zu unterstreichen. Die südlichen Erweiterungen des Kasernengeländes, die die US-Truppen in der Nachkriegszeit für Werkstätten, Garagen usw. genutzt hatten, wurden mit Einfamilienhäusern bebaut.

Literatur

  • Peter Murr: Hinter den roten Mauern von Lichterfelde, Amalthea-Verlag, 1931.
  • Ernst von Salomon: Die Kadetten, Rowohlt , 1933.
  • Heiger Ostertag: Bildung, Ausbildung und Erziehung des Offizierkorps im deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918. Eliteideal, Anspruch und Wirklichkeit. Frankfurt a.M., Bern, New York, Paris 1990, ISBN 3-631-42489-2

Weblinks

52.43138888888913.2991666666677Koordinaten: 52° 25′ 53″ N, 13° 17′ 57″ O


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