- Hermann von Weinsberg
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Hermann von Weinsberg (* 3. Januar 1518 in Köln; † 23. März 1597 ebenda) lebte als Advokat, Ratsherr und Rentier in Köln. Bekannt geworden ist er wegen seines Haus- oder Gedenkbuchs ("Buch Weinsberg"), ein frühes deutschsprachiges autobiografisches Dokument.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Hermann von Weinsberg studierte nach dem Schulbesuch in Köln und Emmerich (Fraterherrnhaus) an der Kölner Universität. 1537 erhielt er den Abschluss eines Magister artium und verließ die Hochschule 1543 als Jurist (Lizentiat der Jurisprudens). Lebensgrundlage waren eine bescheidene Tätigkeit als Jurist, Rentenbesitz und das von ihm verwaltete Vermögen seiner wohlhabenden Ehefrauen Weisgin Ripgen (Eheschließung 1548; † 1557) und Drutgin Bars (Eheschließung 1558; † 1573). Außerdem besaß er eine Herberge und einen Weinhandel.
Wolfgang Herborn leitet eine Beschreibung Weinsbergs mit den Worten ein: Hermann Weinsberg: […] das ist ein unbedeutender Ratsherr […], das ist ein mittelmäßiger Magister der Kölner Universität, das ist ein nicht gerade erfolgreicher Advokat, das ist ein privatisierender, unauffälliger Rentier, ein liebenswürdiger, kauziger Sonderling, ein fast krankhaft geiziger Mitbürger […].[1]
Ratsherr der Färbergaffen Schwarzhaus, wie sein Vater Christian, wurde er schon während seines Studiums. 1549 verließ er den Rat und wurde 1565 erneut gewählt, dem er bis zu seinem Tode (vermutlich 1597) angehörte. In seinem Leben hatte er Köln selten verlassen; in seiner Jugend hatte er einige Zeit in Emmerich gelebt, später war er viermal in den Niederlanden. Weinsberg war bezüglich der Reformation eher indifferent (er blieb aus Familientradition katholisch, stand den Jesuiten aber skeptisch gegenüber) und wandte sich gegen die Hexenverfolgung.
Werke
Erst seit wenigen Jahren wird das „Memorialbuch“ Weinsbergs erforscht. Er hatte das Buch 1562 in seiner Funktion als Kirchmeister der Pfarrei St. Jakob angelegt und bis zu seinem Tode geführt.
Weitaus bekannter hingegen ist das „Buch Weinsberg“ (Familienchronik boich Weinsberg 1559, drei Gedenkbücher Liber iuventutis 1518-1577, Liber senectutis 1578-1587, Liber decrepitudinis 1588-1597), wobei Weinsberg selbst diesen Ausdruck nur für den ersten Teil des heute so genannten Werkes gebrauchte. Diesen Teil des riesigen Werkes von 2.638 doppelseitig beschriebenen Blättern hatte er mit 43 Jahren (1559) in nur sieben Monaten geschrieben und führte es dann, einem Tagebuch ähnlich, bis zu seinem Tode 1597 weiter. Gedacht war es als eine Art Gedenkbuch für eine zu stiftende Familientradition, an dem die jeweiligen Nachkommen weiterschreiben sollten.
Die im Buch beschriebene Herkunft der Familie ist, dem fiktiven Charakter mittelalterlicher Genealogien entsprechend, von Weinsberg frei erfunden: Seiner Darstellung nach schickte im Jahre 793 der Papst einen Legaten, den Römer Vicentius, zum Frankenkönig Carolus. In Süddeutschland lernte Vicentius, ein Christ, die Heidin Adeldis kennen. Verstehen konnten sie einander nicht, denn er sprach Italienisch, sie dutz. Aus dieser Verbindung entsprang bald darauf ein uneheliches Kind, auf einem Weinberg geboren, womit Weinsberg seinen Namen erklärt.[2] Später berichtet Weinsberg durchaus auch über Intimes. Stein schreibt über ihn und sein Werk: Weinsbergs :[…] Frohsinn, der sich in manchen lustigen Anekdoten ausspricht, macht die Lektüre seiner Chronik oft zur Freude. Doch können seine witzigen Bemerkungen oft etwas Scharfes und Beißendes nicht unterdrücken. Auch ein Teil Selbstironie ist ihm eigen. So gesteht er beim Lesen von Sebastian Brants Narrenschiff, er selbst gehöre auch hinein! Wir haben hier den angenehmsten Zug seines Wesens vor uns.[3]
Die gewünschte Familientradition kam nicht zustande, Hermann Weinsberg blieb ohne Erbe und war der einzige, der an seinem Buch schrieb. Er hatte seinen gesamten Besitz, darunter das Gedenkbuch, dem jüngeren Bruder Christian vermacht. Der 65-Jährige hielt die Familienstreitigkeiten um das Erbe nicht aus und beging nach einem halben Jahr Selbstmord. Auch sein Sohn Hermann, Neffe des gleichnamigen Erblassers, wurde von den Verwandten angegriffen. Als er in Verdacht geriet, eine Tante ermordet zu haben, wurde er vor Gericht gebracht und verurteilt, auch wenn ein rechter Beweis gefehlt zu haben scheint. 1604 starb Hermann im Karzer und die Familientradition erlosch, ohne dass das Gedenkbuch um auch nur eine Zeile fortgeführt worden wäre.
Forschung und Popularisierung
Im Laufe des Prozesses war das Buch Weinsberg zu den Gerichtsakten gekommen und dann ins Archiv der Stadt Köln. So konnten sie um 1858 vom Archivar Leonard Ennen gefunden werden. Er erkannte die Bedeutung der Familienchronik, veröffentlichte aber nur kurze Auszüge. Eine Ausgabe wurde erst 1886 von Konstantin Höhlbaum begonnen und 1897 von Friedrich Lau weitergeführt. Das Interesse der beiden lag auf dem Gebiet des Politischen. Welche Einstellung man damals zum Forschungs- oder gar nur Editionsobjekt hatte, zeigt exemplarisch folgender Einschub von Friedrich Lau in den editierten Text: :W. teilt unter dieser Überschrift das mit, was ihm durch Gerüchte und eine gedruckte Zeitung über die Rüstung der grossen Armada und die Gegenrüstungen der Engländer bekannt geworden war. Der ganze Abschnitt ist ohne jeden Wert.[4] Zwar war mit dem 1898 herausgegeben vierten Band die Lebensspanne Weinsbergs abgedeckt, dennoch kam 1926 ein fünfter Band mit Nachträgen aus dem vernachlässigten Bereich der Kulturgeschichte hinzu. Der Herausgeber Josef Stein, hatte bereits 1917 seine Dissertation mit dem Titel „Hermann Weinsberg als Mensch und Historiker“ vorgelegt.
1961 erschien die erste Auflage einer populären Ausgabe von Johann Jakob Hässlin, der durch seine Redaktion und Kürzungen (sowie Übertragung ins heutige Deutsch) aus dem Material eine überschaubare Lebensgeschichte Weinsbergs gemacht hat.[5]
An der Universität Bonn beschäftigt sich ein Forschungsprojekt der Erschließung der Originale und leistet Beiträge zu ihrer digitalen Publikation.
Editionen
- Hermann von Weinsberg: Das Buch Weinsberg: Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, bearbeitet von Konstantin Höhlbaum [Bd. 1-2], Friedrich Lau [Bd. 3-4] u. Josef Stein [Bd. 5] (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 16), Bonn 1886-1926 [Nachdruck ebd. 2000] (Diese historische Erstpublikation ist textkritisch nicht mehr zeitgemäß.)
- Johann Jakob Hässlin: Das Buch Weinsberg, 5. Auflage, Köln 1997, Bachem Verlag, 440 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag.ISBN 3-7616-1313-X (Im Auftrag der Stadt Köln herausgegeben; Häßlins Buch ist eine populäre, sprachlich modernisierte und auf wenige Abschnitte des ursprünglichen Materials beschränkte Ausgabe.)
Literatur
- Hermann Keussen: Weinsberg, Hermann von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 18 f.
- Balan, Marie-Louise: Zur neuhochdeutschen Diphtongisierung im Kölner Buch Weinsberg. In: Rheinische Vierteljahrsblätter, 33 (1969), S. 336–387.
- Groten, Manfred (Hrsg.): Hermann Weinsberg (1518–1597). Kölner Bürger und Ratsherr. Studien zu Leben und Werk, Köln 2005 (erschließt den aktuellen Forschungsstand).
- Herborn, Wolfgang: Hermann von Weinsberg (1518–1597). In: Rheinische Lebensbilder, Bd. 11, herausgegeben von Wilhelm Jansen, Köln 1988, S. 59–76.
- Stein, Josef: Hermann Weinsberg als Mensch und Historiker. In: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 4 (1917), S. 109–169.
- Schmid, Wolfgang: Kölner Renaissancekultur im Spiegel der Aufzeichnungen des Hermann Weinsberg (1518–1597). In: Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums 8. Köln 1991.
Weblinks
Commons: Hermann von Weinsberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Hermann von Weinsberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Projekt Weinsberg der Bonner Universität
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Herborn: Hermann von Weinsberg (1518-1597), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 11, herausgegeben von Wilhelm Jansen, Köln 1988, S. 59-76.
- ↑ Buch Weinsberg, V, S. 433.
- ↑ Buch Weinsberg, V, S. XIX.
- ↑ Buch Weinsberg, IV, S. 32.
- ↑ Johann Jakob Hässlin: Das Buch Weinsberg. Aus dem Leben eines Kölner Ratsherrn, 4. Auflage, Köln 1990.
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