Hermeneutisches Prinzip

Hermeneutisches Prinzip

Mit dem Ausdruck Hermeneutischer Zirkel (von griech. ἑρμηνεύω [hermēneúō]: "auslegen, erklären, übersetzen") wird der Problembefund bezeichnet, dass das Verstehen des Sinns kultureller Äußerungen (Darstellungen, Texte usw.) jeweils an bestimmte Vorbedingungen (Vorwissen und Vorannahmen, Werturteile, Begriffsschemata usw.) des Interpreten gebunden ist, welche im Regelfall nicht mit jenen des Autors deckungsgleich sind. Der Prozess der Annäherung beider "Verstehenshorizonte" ist nicht direkt zielführend abschließbar, sondern besteht in einer je fortschreitenden Annäherung. Die Vorstellung eines kreisförmigen Zirkels bildet dabei die Tatsache ab, dass es keinen objektiv beginnenden und linearen, direkt zielführenden Weg zum Sinn z. B. eines Textes gibt, sondern der Verstehende sich erstens je bereits in einer verstehenden Annäherungsbewegung befindet und dabei zweitens wenn nicht sich schlicht "im eigenen Kreise drehend", dann doch bestenfalls analog einer konzentrischen Spirale je sich dem Verstehensziel annähert, ohne es direkt erreichen zu können.

Hermeneutische Methode

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Der eigentliche Verstehensprozess besteht aus

  1. der Bildung von Vorurteilen (Vorwegnahmen), in denen Vermutungen über den Sinn eines Textes (oder eines Textabschnittes) vorausgeworfen werden
  2. der anschließenden Erarbeitung des Textes (oder Textabschnittes). Dieser Prozess führt zur Änderung und Weiterentwicklung des ursprünglichen Vorwissens - die Bereitschaft zur Revidierung der eigenen Vorurteile vorausgesetzt (Offenheit, Empfänglichkeit - Gadamer).
Vorstadium
Vorverständnis erforderlich; Beherrschen der Sprache; Vorstellung über damalige Verhältnisse
1. Stadium − Der hermeneutische Entwurf
Horizontverschmelzung zwischen Verstehenshorizont und Bedeutungshorizont
2. Stadium − Die hermeneutische Erfahrung
Vorverständnis wird erweitert und korrigiert
3. Stadium − Der letzte verbesserte Entwurf
tieferes Verständnis, Reifung des Vorverständnisses

Mit diesem überarbeiteten Vorwissen kann der Verstehensprozess erneut angestoßen werden. Im Prinzip kann dieser Kreis endlos wiederholt werden.

In der Erkenntnistheorie ist vor allem der von Martin Heidegger in Sein und Zeit dargestellte Ansatz bedeutsam geworden, der den hermeneutischen Zirkel „ontologisch“ begründen will. Danach liegt der Anfang des hermeneutischen Zirkels in einer ursprünglichen Grundevidenz der Wahrheit. Nur weil der Mensch „immer schon“ in der Wahrheit seines Seins stehe, könne er die Wahrheitsfrage über den Sinn seines Menschseins stellen und diese weiter ausbauen.

Demzufolge ist jede Aussage, die von einem Individuum getroffen wird, für das selbige ein hermeneutischer Zirkel, da dieses sowohl die Wahrheit als auch die "Erkenntnis" der Wahrheit schon innehat, oder anders formuliert, sich die Frage nach der Wahrheit nicht stellen kann, da es diese ja schon ist.

Diese Grundlage hat Hans-Georg Gadamer in seiner Hermeneutik weiterentwickelt.

Grundlage für die Interpretation anhand des Hermeneutischen Zirkels ist die Ergriffenheit beim Leser. Aus diesem Grund sind Gebrauchstexte von dieser Methode ausgeschlossen. Emil Staiger umschrieb dies folgendermaßen: "Dass wir begreifen, was uns ergreift." (Emotionales muss rational erklärt werden, Faszination führt zu Analyse).

Der Hermeneutische Zirkel wird oft als Methode sui generis in den Geisteswissenschaften verstanden, durch die sich die Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften unterscheiden. Wolfgang Stegmüller, analytischer Wissenschaftsphilosoph, hat allerdings eingewendet, dass das Bild des Hermeneutischen Zirkels erstens keinen Zirkel beschreibt (sondern eine "hermeneutische Spirale"), zweitens keine Methode und drittens kein Unterscheidungsmerkmal zwischen geisteswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

Literatur

  • Karl-Otto Apel: Transformation der Philosophie, 2 Bände, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973 (Bd. I: Sprachanalytik, Semiotik, Hermeneutik; Bd. II: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft)
  • Wolfgang Stegmüller: Der sogenannte Zirkel des Verstehens. In: ders.: Das Problem der Induktion: Humes Herausforderung und moderne Antworten. Darmstadt 1996 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)

Weblinks


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