Holoprosencephalie

Holoprosencephalie
Klassifikation nach ICD-10
Q04.2 Holoprosenzephalie-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Holoprosencephalie (HPE) ist eine pränatal (vorgeburtlich) entstandene Fehlbildung im Bereich des Vorderhirns und des Gesichts.

Inhaltsverzeichnis

Häufigkeit

In etwa einer von 250 bis einer von 1.000 Schwangerschaften kommt Holoprosencephalie beim Kind vor und stellt somit die häufigste angeborene Gehirnfehlbildung dar. Da jedoch die meisten Babys nicht lebensfähig sind, wird aufgrund der hohen intrauterinen Letalität nur eines von 2.500 bis 16.000 Kindern mit Holoprosencephalie lebend geboren. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen (Gynäkotropie) und die Fehlbildung wird überdurchschnittlich häufig bei Kindern sehr junger Mütter festgestellt.

Entstehung

Die Fehlbildung entsteht in der etwa dritten bis sechsten Embryonalwoche durch eine unvollständige Teilung des Vorderhirns infolge einer Störung im Bereich des Mittellinien-Entwicklungsfeldes des Kopfes: Es kommt nicht zur vollständigen Teilung bzw. Differenzierung des Prosencephalons (Vorderhirn), das sich aus dem Telencephalon (Endhirn) und dem Diencephalon (Zwischenhirn) zusammensetzt.

Ursachen

Zu den genauen Ursachen (Ätiologie) der Holoprosencephalie ist noch nicht viel bekannt. In den meisten Fällen ist das Auftreten zufällig (sporadisch), aber offenbar kann ein genetisch bedingter Mangel an Cholesterin die Entwicklungsstörung (mit)verursachen. Als Risikofaktoren gelten zudem Diabetes mellitus der Schwangeren, Viruserkrankung des Ungeborenen, Toxoplasmose, verschiedene Teratogene und Umweltfaktoren wie z.B. Hyperglykämie, Hypocholesterinämie, Retinolsäure und Ethanol, die Einfluss nehmen können.

Statistisch gesehen finden sich bei rund 50 von 100 Kindern klare Abweichungen auf chromosomaler Ebene (z.B. Trisomien) und bei weiteren 20 können durch spezielle molekulargenetische Techniken Veränderungen erkannt werden. Die Ursache der Holoprosencephalie bei den übrigen 30 Kindern kann derzeit nicht mit genetischen Gründen in Zusammenhang gebracht werden.

Mehr als 25 Erkrankungen mit genetischem Hintergrund sind mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Holoprosencephalie assoziiert. Dazu zählen auch Chromosomenbesonderheiten wie Triploidie, Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom), 18p-Syndrom und das Joubert-Syndrom. In Untersuchungen zu genetischen Faktoren konnten bislang fünf Holoprosencephalie-Loci (HPE) gefunden werden: Lokalisation auf 21q22.3 (HPE1), 2p21 (HPE2; SIX3 Gen, Wallis, 1999), 7q36 (HPE3; Sonic Hedgehog Gen), 18p (HPE4) und 13q32 (HPE5) / vgl. Roessler, Erich / Philadelphia. Der Erbgang scheint autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv zu sein.

Merkmale und Diagnose

Die Ausprägung weist ein breites Spektrum auf: klinisch unauffällige Mutationsträgerschaft, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (auch mediane Pseudospalten), leichte Formen (z.B. mit nur einem zentralen Schneidezahn, Hypotelorismus / nah beieinander liegenden Augen) kommen ebenso vor wie Arrhinencephalie, Corpus-callosum-Agenesie, Agenesie der Hypophyse sowie Störungen mit Monophthalmie (Einäugigkeit). Etwa neun von zehn Kindern haben weitere Fehlbildungen.

Anatomisch unterschieden werden:

  • alobäre Holoprosencephalie (keine Trennung, kein Interhemisphärenspalt, ein Hirnventrikel)
  • semilobäre Holoprosencephalie (teilweise Trennung, hinterer Interhemisphärenspalt mit rudimentären Hemisphären, ein Hirnventrikel)
  • lobäre Holoprosencephalie (Trennung ist größtenteils erfolgt, kompletter Interhemisphärenspalt, zwei Seitenventrikel mit rudimentärer Verbindung)

Die Diagnose kann vorgeburtlich im Rahmen von Pränataldiagnostik durch insbesondere Feinultraschalluntersuchungen im zweiten Trimenon, teils aber auch schon früher, gestellt werden. Während die Feststellung der alobären und der semilobären Form oft recht einfach ist, ist die der lobären Holoprosencephalie komplizierter.

Nach gesicherter vorgeburtlicher Diagnose können sich die werdenden Eltern zu einem Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation entscheiden oder sich durch das Wissen auf die Geburt des Kindes einstellen und entsprechende Vorbereitungen treffen (Klinikwahl usw.).

Nachgeburtlich haben sich die Schnittbildverfahren Sonographie, Magnetresonanztomographie und Computertomografie (CT) als diagnostisches Mittel bewährt.

Therapie und Folgen

Derzeit ist keine Therapie bekannt, lediglich die Symptome können gegebenenfalls behandelt werden (symptomatische Therapie). Die Sterberate bei betroffenen Kindern ist in der Schwangerschaft sehr hoch. Die Prognose zu Lebenserwartung und Entwicklung von neugeborenen Kindern mit Holoprosencephalie ist meist ungünstig: Kinder mit einer schweren Form der Fehlbildung versterben meist innerhalb der ersten Monate nach der Geburt.

Die Prognose ist bei der alobaren Form schlechter als bei der semilobaren oder lobaren Form. Ein Erfahrungswert ist, dass ca. 9 von 10 Kindern mit der alobaren Form innerhalb des ersten Lebensjahres versterben. Kinder, die das erste Jahr überleben, können das Erwachsenenalter durchaus erreichen. Bei ihnen sind je nach Schweregrad kognitive und körperliche Beeinträchtigungen zu erwarten sowie neurologische Auffälligkeiten (z. B. Epilepsie), fehlende oder eingeschränkte Lautsprachentwicklung, Schlafschwierigkeiten u.a.

Literatur

Weblinks

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