Horizontalparallaxe

Horizontalparallaxe

Unter der Horizontalparallaxe eines Himmelskörpers versteht man die maximale parallaktische Verschiebung des Sehstrahls von der Erde zum Gestirn. Sie ist in jenem Moment am größten, wenn das Gestirn im Horizont des Beobachters steht, und vergrößert seine scheinbare Zenitdistanz.

Die Horizontalparallaxe entspricht dem Quotienten aus dem Erdradius und der Entfernung des Gestirns. Sie wird in den astronomischen Jahrbüchern und Ephemeriden mit dem Kürzel H.P. bezeichnet und beträgt für die Sonne durchschnittlich 8,794", für den Erdmond hingegen bis zu 1° (je nach momentaner Mondbahn 0,9 bis 1,03°).

Unter den vielen Arten astronomischer Parallaxen zählt die H.P. in die Gruppe "tägliche Parallaxe", weil ihr Verlauf mit der 24-stündigen Erdrotation zusammenhängt. Die Messung der H.P. gab den Astronomen der letzten Jahrhunderte ein Mittel in die Hand, um Distanzmessungen im nahen Bereich des Sonnensystems vorzunehmen. Wenn die Größe und Form der Erde bekannt ist, können Entfernungen bis etwa zum Jupiter bestimmt werden.

Der große Parallaxenwert des Mondes hat schon den Astronomen der Antike zu einer Vorstellung der kosmischen Distanzen verholfen - denn bereits an den Nord- und Südküsten des Mittelmeeres erscheint der Mond vor dem Sternhimmel deutlich verschoben. Zwischen Nordeuropa und Südafrika macht dies bereits zwei scheinbare Monddurchmesser aus.

Die Messung der Sonnenparallaxe stellte noch vor 100 Jahren wegen ihres kleinen Wertes (8,8" = 0,00244°) eine besondere Herausforderung dar. Deshalb war auch die mittlere Entfernung der Sonne - die astronomische Einheit (AE) - um 1900 erst ungenau bekannt. Der heutige Wert dieses "kosmischen Maßstabes" beträgt 149.597.870,691 km (rund 149,6 Mill.km).

Ist der Messwert der H.P. statt 8,80" z. B. 8,79", so macht dieser an sich geringe Fehler bereits 170 000 km in der AE aus.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Eintreten eines Venusdurchgangs vor der Sonnenscheibe das beste Mittel, um die AE zu bestimmen. Denn der Planet Venus ist mit "nur" 40-45 Mill.km der nächstgelegene Planet zur Erde. Doch 1898 entdeckte man den Asteroid Eros, welcher uns sogar auf 20 Mill.km nahekommen kann. Weil dann seine H.P. zweimal größer ist als jene der Venus und ein feines „Pünktchen“ vor den Sternen genauer messbar ist als eine Planetenscheibe, wurden die Entfernungen im Sonnensystem schlagartig genauer. Eine zweite Annäherung des Eros trat 1933 ein.
Seit den 1960er-Jahren misst man die Entfernung der Bahnen aber nicht mehr mit der Horizontalparallaxe von Planeten oder Asteroiden, sondern direkt mit stark gebündelten Radarstrahlen zur Venus.

Die H.P. des Mondes oder eines Planeten hängt aber nicht nur von der Distanz, sondern auch der genauen Erdfigur ab. Da die Erde keine exakte Kugel ist, sondern an den Polen um 0,3 Prozent abgeplattet, tritt die größtmögliche H.P. für Beobachter am Erdäquator auf, wenn das Gestirn dort am Horizont steht. Dieser Maximalwert wird Äquatorial-Horizontalparallaxe genannt und hat schon bei den Gradmessungen des 18. Jahrhundert in einigen wissenschaftlichen Disputen eine Rolle gespielt (siehe Jérôme Lalande, Pariser Akademie, Boscovich und andere).

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