Human body model

Human body model

Elektrostatische Entladungen (electrostatic discharge) erfolgen durch galvanischen Kontakt oder Funkenüberschlag. Sie können Bauelemente zerstören, vor allem mikroelektronische Bauelemente. Sie können aber auch durch die entstehenden elektromagnetischen Wellen Störspannungen in Schaltkreisen induzieren. Diese müssen nicht unbedingt irreversible Schäden anrichten, können aber zu temporären Fehlfunktionen (z. B. Computerabsturz) führen.

Für die Untersuchung dieser zwei Gesichtspunkte gibt es daher zwei Gruppen von ESD-Entladungsmodellen:

Inhaltsverzeichnis

ESD-Entladungsmodelle zur Untersuchung von Bauelementezerstörungen

Stressmethoden mit zwei galvanischen Verbindungen

Es wird eine Schaltung derart aufgebaut, dass es einen kompletten, leitungsgebundenen Strompfad für die Entladung gibt. Der Entladestrom fließt also in einen Bauelemente-Anschluss hinein, und aus einem anderen wieder heraus. Da im Prinzip alle Kombinationen von Anschlüssen getestet werden müssen, kann es bei vielbeinigen Bauelementen (für Integrierte Schaltungen sind heute 1000 Anschlüsse nicht ungewöhnlich) zu einer hohen Anzahl von Kombinationen kommen. Der Test kann also sehr lange dauern, bzw. es kann sehr aufwendig sein, die relevanten (zerstörerischen) Kombinationen herauszufinden.

HBM – Human Body Model

Dies ist historisch das ältestes Modell, ausgehend von der Entladung eines menschlichen Körpers, weniger als 40 kV. Der menschliche Körper hat eine typische Kapazität von ca. 100 pF bis 300 pF und einen elektrischen Widerstand R von rund 1500 Ω (Hautwiderstand, Funkenstrecke). Bei Aufladung auf z.B. 10 kV werden 10 mJ als Energie gespeichert und die Ladung beträgt 2 µC. Die Anstiegszeit der Entladungs-Flanke ist im Nanosekundenbereich, Stromspitzen bis 20 A bei Fingerspitzenentladung. Abgesehen von der Historie kann man im HBM den möglichen Fall ausgeformt sehen, dass eine bestimmte Kapazität durch einen recht großen, ohmschen Widerstand entladen wird. Der Strom ist daher allein durch den Widerstand bestimmt und nicht durch parasitäre Kapazitäten und Induktivitäten, die Kurvenform ist gut gedämpft und oszilliert nicht. HBM-Aufbauten sind daher heute sehr gut reprodizierbar.

MM – Machine Model

Die Grundidee ist hier die Entladung einer Maschine gegen ein Bauelement. Da ein metallischer Kontakt vorausgesetzt wird, ist der Widerstand im Gegensatz zu HBM sehr klein. Die Kapazität ist dagegen etwas größer und die Leitungsinduktivität gewinnt stark ein Einfluss. Es ergibt sich daher eine schwach bedämpfte Schwingung mit mittlerer Frequenz um 20 - 100 MHz. Wegen des kleinen Widerstandes sind die Stromspitzen bei MM typisch 10 fach höher, als diejenigen eines HBM-Aufbaus mit gleicher Vorladespannung. Die Parameter LRC des MM sind weniger genau genormt und realisiert als der dominante Parameter R bei HBM-Modellen, daher ist die Reproduzierbarkeit schlechter.

System Level Modell

Hier gibt es noch uneinheitliche Vorschläge, die sich an der Idee "Mensch mit Schraubendreher" orientieren, etwa bei Manipulationen von fertigen Geräten im Servicebereich. D.h.: im Gegensatz zu HBM tritt ein metallischer Kontakt vom Gerät zur Hand mit Schraubendreher auf, der einen sehr harten, kurzen, ersten Stromstoß bis zu 30 A verursacht, überlagert von der langsameren Entladung der Restkapazität des Armes und Rumpfes. Dementsprechend enthält die Modellschaltung zwei Ladunsgspeicher, mit entsprechenden Widerständen. Einzelne Bauelemente können gegen solche rabiaten Ereignisee nicht mehr, oder nur mit unwirtschaftlichem Aufwand geschützt werden. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen gefordert, weil sich die Untersuchung nicht mehr um die Handhabung der einzelnen Bauelemente dreht, sondern um die von fertigen Geräten oder Platinen mit mehreren Bauelementen. Hierbei können natürliche Funkenstrecken und Bauelemente wie Kondensatoren, oder spezielle ESD-Schutzbauelemente die meiste Energie aufnehmen, so dass die extremen Stromspitzen nicht mehr an den empfindlichen Bauelementen ankommen.


Stressmethoden mit Verschiebestrom

CDM – Charge Device Model

Entladungen eines aufgeladenen Bauelementes - z.B. bei Bestückungsvorgängen - gegen leitende Teile, treten so auf, dass nur ein Anschluss das leitende Teil (z. B. die Maschine) berührt. Der Stromkreis schließt sich durch die Kapazität des Bauelementes gegenüber der Maschine, also nicht galvanisch, sondern durch einen Verschiebestrom. Die Kapazität des entstehenden RLC-Serienkreises ist also relativ klein und hängt von dem Bauelement selbst ab und seinem Abstand zu leitenden Oberflächen. Die Parameter R und L sind extrem klein. Die Entladung ist demnach extrem schnell. Je nach Herstellungstechnologie können die internen Schutzschaltungen der Bauelemente noch reagieren, oder auch nicht. Im Gegensatz zu den anderen Methoden mit zwei galvanischen Anschlüssen sind die Entladepfade im Bauteil weniger durch Signalanschlüsse als durch die Versorgungsanschlüsse charakterisiert. Dies führt auch zu anderen Fehlerbildern. Die (langsame) Aufladung des Bauelementes kann drahtgebunden oder mit Hilfe einer Feldplatte erreicht werden, dieser Umstand allein ist für die Messung ohne Bedeutung. Sehr große Bedeutung haben dagegen die parasitären Elemente des Aufbaus (LRC). Aus diesem Grunde unterscheided man verschiedene Arten von CDM-Geräten. Der Scheitelwert des Stromes und die Kurvenform sind noch weniger von der Vorladespannung und dem Messgerät abhängig, so dass die Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur auf Grund der Vorladespannung allein nicht gegeben ist.

ESD-Entladungsmodelle zur Untersuchung von Einstrahlfestigkeit

ESD- Pistolen

Es gibt auch „ESD Prüfpistolen“ zur Erzeugung von Überschlägen und Kontaktentladungen nach der IEC-801-2 Norm und anderen, harmonisierten Normen. Im praktischen Einsatz sind die erzeugten Strompulse sehr variabel, weil die Umgebungsbedingungen (Abstände zu leitenden Flächen, Länge und Lage des Erdungskabels usw.) stark variieren und die erzeugten Frequenzen im Verhältnis zur Größe der Stromschleife hoch sind. Nach den Normen ist es nicht erlaubt, Stecker, Anschlüsse usw. zu beschießen, weil eine Zerstörung des Prüflings nicht beabsichtigt ist.


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