- Elektrostatische Entladung
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Elektrostatische Entladung (engl. electrostatic discharge, kurz ESD) ist ein durch große Potenzialdifferenz in einem elektrisch isolierenden Material entstehender Funke oder Durchschlag, der einen sehr kurzen hohen elektrischen Stromimpuls verursacht.
Ursache der Potenzialdifferenz ist meist eine Aufladung durch Reibungselektrizität (triboelektrischer Effekt) oder Influenz. Reibungselektrizität tritt z. B. auch beim Laufen über einen Teppichboden auf, wobei ein Mensch auf ca. 30.000 V aufgeladen werden kann.
Auftreten von elektrostatischen Aufladungen
Elektrostatische Aufladungen sind Teil der Elektrostatik und treten nahezu überall in unserem Alltag auf. Erst ab einer bestimmten Stärke der elektrostatischen Entladung ist diese für den Menschen wahrnehmbar. Die bekannteste Wahrnehmung ist das Spüren eines elektrischen Schlags, wenn ein geerdeter Körper, z. B. ein Heizkörper berührt wird. Weiterhin kann der Blitz einer Entladung in dunkler Umgebung mit dem Auge wahrgenommen werden. Extrem wichtig ist aber zu wissen, dass viele elektrostatische Entladungen, die unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle des Menschen liegen, durch den Menschen nicht wahrgenommen werden, obwohl diese in ihrer schädigenden Wirkung genauso kritisch zu betrachten sind wie die wahrnehmbaren Entladungen. Es gilt die Faustformel, dass elektrostatische Entladungen durch den Menschen erst ab ca. 2.000 V wahrgenommen werden. Elektrostatische Aufladungen selbst können beispielsweise durch elektrostatisch aufladbare Stoffe, z. B. Papierschnipsel, visualisiert werden.
Je nach Stärke der Entladung kann es sogar zu Personenschäden und zu Bränden kommen. Während elektrostatische Entladungen durch Körperteile meist nur aufgrund der Schreckreaktion Gefährdungen verursachen, können sie in brandgefährdeten Bereichen unter Umständen einen Brand auslösen. Das trifft auf den Umgang mit brennbaren Flüssigkeiten und Gasen zu (z. B. Tankstellen, Gasanlagen, Kohlebergwerke).
Auch Papiermaschinen, Webstuhlbäume, Anlagen zur Folienherstellung und -verarbeitung und Getreidemühlen sind gefährdet. Hier tritt Reibung der gefertigten Folienbahnen oder des Schüttgutes ähnlich wie in einem Bandgenerator auf, wodurch sich Maschinenteile auch auf für Menschen gefährliche Spannungen aufladen können. Überschläge können Stäube und – bei ständig wiederholten Entladungen – auch brennbare Materialien entzünden.
Fahrzeuge laden sich durch die Reibung der Gummireifen auf der Straße auf. Dieser Effekt wird jedoch oft überschätzt – der Reifengummi weist in der Regel eine ausreichende Leitfähigkeit auf, um die Ladungen abzuleiten. Beim Aussteigen beobachtete Entladungen rühren meist von der Reibung der Kleidung auf dem Polstermaterial der Autositze her und führen zu einer Aufladung des Fahrers gegenüber der Karosserie. Sie sind daher nicht mit einem sogenannten Antistatik-Band am Heck zu verhindern.
Bei vertikal ausgedehnten, gegen Erde isolierten metallischen Objekten kann die elektrostatische Aufladung durch das natürliche elektrische Feld der Erde beachtliche Werte annehmen. So kann der Kontakt einer geerdeten Person mit einem gegen Erde isolierten Sendemast auch dann einen (unter Umständen sogar lebensgefährlichen) elektrischen Schlag verursachen, wenn der Sender außer Betrieb ist und kein Gewitter naht.
Auch bei Aufstiegen von Drachen, Ballonen oder Fesselhubschraubern mit elektrisch leitfähiger Leine ist Vorsicht geboten.
Elektrostatische Aufladung kann durch technische Einrichtungen in Form von elektrostatischen Generatoren auch bewusst erzeugt werden.
Arten von elektrostatischen Entladungen
Blitz
Die bekannteste elektrostatische Entladung ist der Blitz. Ein Blitz entsteht dann, wenn zwischen zwei unterschiedlich aufgeladenen Körpern die elektrische Grenzfeldstärke überschritten wird und es zu einer Entladung zwischen den Körpern kommt. Der Blitz kann Menschen verletzen, Schäden an Geräten verursachen oder Feuer und Explosionen verursachen, wenn entzündliche Gase in der Luft vorhanden sind.
Die Gefahr eines Blitzeinschlags kann sehr gut am Beispiel des Luftschiffs Hindenburg dargestellt werden. Durch eine elektrostatische Entladung wurde bei der Hindenburg der in der Hülle enthaltene Wasserstoff entzündet. Die Hüllenverkleidung und der Inhalt der Hülle des Luftschiffs verbrannten darauf hin explosionsartig.
Koronaentladung
Eine Koronaentladung, auch Elmsfeuer genannt, tritt durch Ladungsträgerkonzentration bei spitz zulaufenden, nicht glatten Oberflächen einer Elektrode auf. Als bekanntes Beispiel sei die Spitze einer Nadel genannt – sie besteht aus einem langen Grundkörper und einer Spitze. An der Nadelspitze kommt es durch die starke Änderung des Normalenvektors zu einer hohen Konzentration der Ladungsträger, so dass die freien Ladungsträger aus der Elektrode langsam – also nicht blitzartig – austreten können.[1] Der Kurvenverlauf der Oberfläche verursacht hierbei eine große Änderung des elektrischen Potenzialgradienten direkt im Bereich der Nadelspitze.
Bürstenentladung
Eine Bürstenentladung tritt zwischen zwei parallel verlaufenden Elektroden auf. Hierbei treten auf der kompletten Länge der Elektrode zwischen den beiden Elektroden Blitze auf, die von der Seite betrachtet den einzelnen Fasern einer Bürste entsprechen. Als Orientierungswert, bei der eine Bürstenentladung beobachtet werden kann, kann ein Elektrodenabstand von 5 mm bis 50 mm bei einer elektrischen Feldstärke in der Größenordnung von 500 kV/m genannt werden.[2]
ESD im Bereich der Elektronik
Elektrostatisch gefährdete Bauelemente
Zur Gruppe von elektrostatisch gefährdeten Bauelementen (engl. electrostatic sensitive Devices, abgekürzt ESDS) gehören nahezu alle elektrischen, elektronischen und optoelektronischen Bauelemente. Weiterhin fallen unter diese Kategorie ebenfalls noch zahlreiche elektromechanische Bauelemente. All solche Bauelemente können durch elektrostatische Entladungen in ihrer Funktion beeinträchtigt oder zerstört werden.
Elektrostatische Entladungen können in mikroelektronischen Bauteilen Schäden anrichten, denn im Verhältnis zur Masse verhält sich die Energie einer statischen Entladung in einen Halbleiter wie die Energie eines Blitzschlags in einen Baum. Verglichen mit einem Blitz in der Natur hat eine elektrostatische Entladung eine sehr viel kleinere Ladungsmenge und somit eine viel kleinere gespeicherte elektrische Energie. Es muss aber die elektrische Leistung, die während der Entladung wirkt, betrachtet werden. Da die Entladedauer im sehr geringen Zeitbereich von ps bis ns liegen kann und der Schadensbereich oder Einschlagsbereich der Entladung häufig im Bereich um die 5 µm bis 10 µm liegt, tritt trotz der verhältnismäßig geringen elektrischen Energie eine sehr hohe elektrische Leistung und eine sehr hohe Leistungsdichte (Leistung pro Fläche) im Bauelement auf.
Insbesondere bei Integrierten Schaltkreisen auf Halbleiterbasis ist ESD eine der häufigsten Ausfallursachen. Besonders empfindlich sind Schaltungen aus der Hochfrequenztechnik, Diodenlaser (GaAs-Halbleiter) sowie Feldeffekttransistoren und Leuchtdioden, die oft nur Sperrspannungen von 5 – 30 V vertragen. Da man Entladungen erst ab ca. 2.000 V spüren kann, müssen Maßnahmen getroffen werden, die Aufladungen zuverlässig zu verhindern.
Nicht nur äußere Entladungen, sondern auch durch die Handhabung entstehende elektrische Felder können diese Bauteile zerstören, wenn die Spannungsfestigkeit deren teilweise sehr hochohmiger Anschlüsse im Eingangsbereich überschritten wird. Es kommt durch innere Spannungüberschläge oder Spannungsdurchschläge zu Zerstörungen oder einer Vorschädigung, was zum sofortigen oder späteren Ausfall führt.
Zur Prüfung der ESD-Empfindlichkeit werden Geräte oder Systeme mit normierten Entladungen beaufschlagt und auf Fehlfunktion oder Ausfall geprüft. Die ESD-Empfindlichkeit wird im Rahmen der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) behandelt und untersucht. Die ESD-Festigkeit ist ein wichtiges Thema in der Elektronikproduktion, Industrieelektronik, Computertechnik, Telekommunikationstechnik und Automobilelektronik.
Zur Vermeidung von ESD-Schäden müssen alle ESD-kritischen Bauelemente (insbesondere Integrierte Schaltkreise, Leuchtdioden, Halbleiterlaser, Schottky-Dioden, MOSFETs und IGBTs) und Baugruppen (zum Beispiel Computerkomponenten) in ESD-geschützter Umgebung (Electrostatic Protected Area, EPA) gehandhabt, verpackt und gelagert werden. Solche ESD-Arbeitsplätze und ESD-geschützte Bereiche in der Halbleiterfertigung leiten bestehende elektrostatische Ladungen kontrolliert gegen Erde ab und verhindern die meist durch Reibungselektrizität entstehenden Aufladungen. Dies geschieht durch elektrisch leitfähige Arbeitsoberflächen, Antistatikbänder, entsprechende Möbel, Bekleidung, Schuhe, Bodenbeläge, ionisierte Umgebungsluft und Erdung aller Komponenten.
Grundprinzipien beim ESD-Schutz
Der Schutz vor elektrostatischen Entladungen ist im Wesentlichen darauf gerichtet
- Vermeidung der Aufladung – unvermeidbare parasitäre Aufladungen zu minimieren, z. B. durch Ableiten und Erdung der Körper
- Vermeidung schneller Entladungen – Entladungen können nie vermieden werden, es kann aber Vorsorge getroffen werden, damit es zu keinen schnellen Entladungen kommt und vorhandene elektrische Ladungen langsam, z. B. über einen hochohmigen elektrischen Widerstand, abfließen können.
Modelle
Um die Haltbarkeit von elektronischen Komponenten zu testen sind verschiedene Simulationsmodelle für ESD Impulse eingeführt worden. Diese werden grob in 4 ESD-Simulationsmodelle eingeteilt:
- HBM – Human Body Model: Das Human Body Model bildet die Entladung eines elektrostatisch aufgeladenen Menschen beim Berühren eines Bauelements nach. Als Stromflusspfad wird hierdurch ein Stromfluss durch das Bauelement hindurch zwischen unterschiedlichen Anschlusspins angenommen.
- MM – Machine Model: Das Machine Model ist vom Grundgedanken mit dem Human Body Model verwandt, bildet aber eine schnelle Entladung einer elektrostatisch aufgeladenen Maschine beim Kontakt mit einem Bauelement nach. Als Stromflusspfad wird genauso wie beim vorher genannten Human Body Model ein Stromfluss durch das Bauelement hindurch zwischen unterschiedlichen Anschlusspins angenommen.
- CDM – Charge Device Model: Das Charged-Device Model unterscheidet sich grundsätzlich vom Human Body Model und vom Machine Model. Bei diesem Modell wird angenommen, dass der komplette Baustein elektrisch aufgeladen ist und gegen eine niederohmige Elektrode schlagartig entladen wird. Ein Stromfluss durch das Bauelement hindurch wird hier nicht angenommen.
- FCDM – Field induced Charge Device Model.
Die Zahlenwerte der einzelnen Modelle können nach bisherigen Erfahrungen nicht mit einem festen Faktor zwischen den Modellen umgerechnet werden. Aufgrund des Modells ist aber der Zahlenwert beim Human Body Model größer als der Zahlenwert beim Machine Model. Grundsätzlich gilt aber die Aussage, dass die Bauelemente um so robuster sind, je größer der jeweilige Zahlenwert ist.
Schutzstrukturen innerhalb von elektronischen Bauelementen
Zur gefahrlosen Ableitung von elektrischen Ladungen werden Schutzstrukturen in die Bauelemente eingebaut. Diese wirken innerhalb von Baugruppen bzw. an deren Anschlüssen von integrierten Schutzschaltungen. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Schutzstrukturen pro Entladung jeweils nur eine maximale Energiemenge aufnehmen können. Wird diese Energiemenge überschritten, kann die Schutzstruktur samt der eigentlichen Schaltungsfunktion irreversibel beschädigt werden. Entsprechend dem allgemeinem Trend der Verkleinerung der Strukturen der Halbleiterbausteine werden auch die Schutzstrukturen innerhalb der Bausteine, welche den ESD-Schutz gewährleisten, mit verkleinert. Als Folge ist häufig die maximal zulässige Entladespannung von moderneren Bauelementen geringer.
Schutzstrukturen auf Baugruppen durch zusätzliche Bauelementen zum ESD-Schutz
Um die Robustheit von Baugruppen im Bereich der Kundenschnittstellen zu erhöhen, können an die elektrischen Leitungen auf der Baugruppe im Eingangsbereich spezielle Schutzbauelemente eingebaut werden, deren Aufgabe nur der ESD-Schutz oder der EMV-Schutz ist. Diese Bauelemente unterstützen dann die Ableitung von Spannungen auf den Leitungen gegenüber dem Bezugspotenzial auf der Baugruppe.
ESD-Schutz durch ESD-Schutzzonen
Maximal zulässige statische Aufladungen
Die Arbeit mit elektrostatisch gefährdeten Bauelementen, beispielsweise elektronischen Bauelementen, erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen. Maßnahmen in der Elektronik gegen statische Entladungen und elektrische Felder sind in der DIN EN 61340-5-1 beschrieben.[3] Im dazugehörigen Benutzerhandbuch sind konkrete Ausführungshinweise enthalten, welche jedoch keine zusätzlichen normativen Festlegungen enthalten.[4]
Im industriellen Umfeld wird zur Verarbeitung von elektrostatisch gefährdeten Bauelementen eine ESD-Schutzzone (engl. EPA = Electrostatic Protected Area) eingerichtet. Entsprechend dem Stand der Technik soll die Spannungshöhe der elektrostatischen Aufladung innerhalb von ESD-Schutzzonen den Grenzwert von 100 V nicht überschreiten.[3] Um dies dauerhaft zu gewährleisten, müssen verschiedene bauliche und administrative Vorbereitungen getroffen werden.
ESD-gerechte Fußböden
Als elementare Voraussetzung muss der Fußboden dieser ESD-Schutzzonen eine ausreichende Leitfähigkeit gegenüber dem Bezugspotenzial PE besitzen. In der Praxis haben sich hier Fußböden mit einem Ableitwiderstand von 1 MΩ bewährt.
ESD-gerechte Schuhe und Sicherheitsschuhe
Zur Ableitung der elektrostatischen Aufladung über den Fußboden an das Erdpotenzial müssen die Menschen in ESD-Schutzzonen ableitfähige Schuhe tragen. Der Gesamtwiderstand des Systems Mensch – Erdpotenzial soll hierbei einen Widerstandswert von 35 MΩ nicht überschreiten.[3] Bei dem Grenzwert handelt es sich um die Reihenschaltung der nachfolgenden Teilwiderstände: Fußboden, Übergangswiderstand Fußboden-Schuhwerk, Schuhwerk, Körperwiderstand des Menschen und Übergangswiderstand Mensch-Bauelement. Der Widerstand der Schuhe liegt in der Praxis häufig im einstelligen MΩ-Bereich, z. B. 2 MΩ. Der Körperwiderstandswert eines Menschen ist gegenüber den anderen Widerstandswerten meist deutlich geringer und geht mit einem Wert von einigen kΩ in die Rechnung mit ein. Der Übergangswiderstand Mensch-Schuh und der Übergangswiderstand Mensch-Bauelement hängen von verschiedenen Faktoren ab, unter Anderem von der Hautfeuchtigkeit, … und kann über einen größeren Bereich variieren.
ESD-gerechte Oberbekleidung
Damit sich die Menschen in den ESD-Schutzzonen durch Bewegung oder Reibung an anderen Körpern nicht unzulässig aufladen, müssen die Menschen spezielle Kleidung tragen. Je nach Ausführung und Anforderung handelt es sich hierbei um reine Gewebe aus Baumwolle oder um ein Spezialgewebe mit unterschiedlichen Grundstoffen und dem Zugeben von speziellen Leitgarnfasern, welche eine hohe elektrische Leitfähigkeit besitzen. Damit die Kleidung ihre Schutzfunktion erfüllen kann, muss diese eng anliegend und geschlossen getragen werden. Beispielsweise kann diese Kleidung aus einem langen Arbeitsmantel bestehen. Beim Tragen der ESD-Schutzkleidung ist zu achten, dass keine darunter liegenden Kleidungsstücke hervor schauen, da in diesem Fall die Schutzwirkung der ESD-Schutzkleidung wieder aufgehoben werden kann. Die ESD-Schutzkleidung erfüllt im Wesentlichen zwei Aufgaben. Sie selbst ist nicht oder nur schwach aufladbar. Weiterhin leitet sie elektrische Ladungen, die beispielsweise auf die ESD-Schutzkleidung aufgebracht werden, über den Hautkontakt mit dem Menschen, z. B. im Bereich des Halses oder der Handgelenke, über den Menschen ab.
ESD-gerechte Arbeitsoberflächen
Damit in den ESD-Schutzzonen keine unzulässig hohen Ladungen entstehen, müssen die Arbeitsoberflächen, z. B. von Tischen, Regalen, … ausreichend ableitend sein. Als Grenzwert betrachtet die Norm einen oberen Grenzwert von 1 GΩ.[3]
Personenerdung bei sitzenden Tätigkeiten in ESD-Schutzzonen
Beim Sitzen auf einem Stuhl bestehen erhöhte Risiken einer elektrostatischen Aufladung, auch wenn diese in ESD-Schutzzonen ausgestellt werden und mit einem statisch ableitfähigen Gewebe ausgeführt sind. Bei sitzenden Tätigkeiten ist zusätzlich ein Handgelenkserdungsband zu tragen, da die Ableitfähigkeit des Menschen über das System ESD-Schuhe und ESD-Fußboden wegen der zu geringen Anpresskraft nicht mehr ausreichend gewährleistet ist.[3]
Einrichtungen und Betriebsmittel innerhalb der ESD-Schutzzonen
Es gilt der Grundsatz: „Was nicht vorhanden ist, kann sich nicht aufladen“. Konkret bedeutet das, alles, was innerhalb der ESD-Schutzzonen erforderlich ist, muss erstens auf die Notwendigkeit hin überprüft werden und zweitens auf das ESD-gerechte Verhalten überprüft werden. Grundsätzlich sind immer ESD-gerechte und entsprechend der DIN EN 61340-5-1[3] zertifizierte Produkte dringend anzuraten. Sofern dies nicht möglich ist, grundsätzlich Einrichtungen und Betriebsmittel verwenden, welche geerdet oder elektrostatisch ableitend sind. Die Leitfähigkeit kann durch eine Widerstandsmessung ermittelt werden. Dies alleine reicht aber meistens nicht aus. Darüber hinaus sollten alle Einrichtungen und Betriebsmittel mit einem isolierenden Reibungspartner aufgeladen werden und die maximale Spannung der statischen Elektrizität ermittelt werden. Darüber hinaus ist die Selbstentladung der Einrichtungen und Betriebsmittel (wie schnell fällt die Ladung wieder auf einen unkritischen Wert ab)zu berücksichtigen.
Werkzeuge
In ESD-Schutzzonen sollen alle Werkzeuge, die mit elektrostatisch gefährdeten Bauteilen in Berührung kommen, weitgehend leitfähig sein. Beispielsweise können Kunststoffgriffe von Werkzeugen elektrostatische Potentialunterschiede verursachen, die zur Schädigung von empfindlichen Bauteilen führen können. Werkzeuge aus Metall können teilweise bereits kritisch sein. Beispielsweise kann es im Bereich von spitzen Bauelementen, z. B. Pinzetten, zur Konzentration von elektrischen Ladungsträgern kommen. Durch die hohe elektrische Leitfähigkeit des Werkzeugs kann es auch bei geringen Aufladungen zu schnellen Entladungen kommen. Diese können dann zu einem ESD-Schaden führen.
Ionisation
Durch ionisierte Luft bauen sich elektrostatische Ladungen auf Körper beschleunigt ab. Hierzu kann ein Ionisator eingesetzt werden, der ionisierte Luft gezielt auf stärker aufladbare Einrichtungen und Betriebsmittel oder auf besonders gefährdete Bauelemente abgibt. Ionisation ist aber kein Mittel, um einen unzureichenden ESD-Schutz zu verbessern, Ionisation kann gezielt bei besonders kritischen Stellen eingesetzt werden, um einzelne, lokal begrenzte Risiken eines Arbeitsplatzes zu minimieren. Weiterhin sind beim Einsatz der Ionisation grundsätzlich die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Menschen im Umfeld besonders zu berücksichtigen.
ESD-Schutz außerhalb von ESD-Schutzzonen
Nicht überall, wo mit elektrostatisch gefährdeten Bauelementen umgegangen wird, ist eine ESD-Schutzzone vorhanden. Denken wir beispielsweise an einem Service-Einsatz im Elektronikbereich bei einem Endkunden. In diesem Fall können aber auch ausreichende ESD-Schutzvorkehrungen getroffen werden. Beispielsweise kann in diesem Fall ein Handgelenkserdungsband, welches mit dem Erdpotenzial verbunden wird, die Aufladung der Personen verhindern. Weiterhin gibt es leitfähige Matten, die ebenfalls mit dem Erdpotenzial verbunden werden können und somit eine gefahrlose Ablage von Bauelementen und Baugruppen ermöglichen. Für Arbeiten im Elektronikbereich steht hierzu auch ESD-gerechtes, leitfähiges Werkzeug zur Verfügung, welches sich durch eine ausreichende Eigenleitfähigkeit gegenüber handelsüblichen, isolierenden Werkzeugen unterscheidet.
Verpackung der Bauelemente und Fertigerzeugnisse
Neben der Verarbeitung der elektrostatisch gefährdeten Bauelementen ist ebenfalls ein sicherer Transport der Bauelemente erforderlich. Daher müssen Verpackungen für ESD-empfindliche Bauelemente aus elektrisch leitfähigen Materialien, z. B. elektrostatisch dissipativen Kunststoffen, … bestehen. Manche elektronischen Bauteile werden bereits durch den Transport in einer Plastiktüte zerstört.
Verpackungen für ESD-empfindliche Bauteile müssen aus leitfähig ausgerüsteten (elektrostatisch dissipativen) Kunststoffen bestehen. Es gibt durch Füllstoffe leitende oder metallbedampfte Folien, Füllmaterialien und Schaumstoffe. Oft sind die empfindlichen Anschlüsse der Bauteile zum Transport mit einer Kurzschlussbrücke verbunden. Nicht fachgerecht (ESD-geschützt) verpackt gelieferte ESD-empfindliche Halbleiterbauelemente sollte man an den Lieferanten zurückschicken, da sie – auch wenn sie anfangs funktionieren – nicht ausfallsicher sind.
Klassifikation der Werkstoffe
Schutzkategorie abschirmend
Die Schutzwirkung bei Materialien der Kategorie abschirmend (engl. shielding) wird bei Metallen durch die hohe elektrische Leitfähigkeit des Werkstoffs sichergestellt. Diese Kategorie besitzt die höchste Leitfähigkeit. Verpackungen dieser Kategorie werden durch den Buchstaben (S) in Verbindung mit dem ESD-Schutzsymbol gekennzeichnet. Nach Norm liegt der Oberflächenwiderstand die Materialien unterhalb von 100 Ω.
Schutzkategorie leitfähig
Die Schutzkategorie leitfähig (engl. conductive) wird bei Kunststoffen beispielsweise bei Kunststoffen durch die Verwendung von Graphitpartikeln, welche in die Kunststoffmatrix eingebracht werden, erzeugt. Diese Kategorie besitzt eine Leitfähigkeit, welche geringer als die Leitfähigkeit der Kategorie abschirmend aber größer als die Leitfähigkeit der Kategorie statisch ableitfähig ist. Verpackungen dieser Kategorie werden durch den Buchstaben (C) in Verbindung mit dem ESD-Schutzsymbol gekennzeichnet. Nach Norm liegt der Oberflächenwiderstand die Materialien im Bereich zwischen 100 Ω und 100 kΩ.[3]
Schutzkategorie statisch ableitfähig
Die Materialien von Schutzverpackungen der Schutzkategorie statisch ableitfähig (engl. static dissipative) besitzt einen höheren elektrischen Widerstand als die Verpackungen der Kategorie leitfähig. Die Leitfähigkeit kann durch das Einbringen von Metallionen, z. B. Kupferionen, oder durch das Aufbringen eines Antistatikums auf der Oberfläche erreicht werden. Diese Werkstoffe werden auch als elektrisch ableitfähig bezeichnet. Verpackungen dieser Kategorie werden durch den Buchstaben (D) in Verbindung mit dem ESD-Schutzsymbol gekennzeichnet. Nach Norm liegt der Oberflächenwiderstand die Materialien im Bereich zwischen 100 kΩ und 100 GΩ.[3]
Kategorie Isolator
Alle Materialien, deren Oberflächenwiderstand größer als 100 GΩ ist, werden aus ESD-Sicht als elektrische Isolatoren eingruppiert und besitzen nicht mehr die erforderliche elektrische Leitfähigkeit zum ESD-Schutz.[3] Ergänzend zur Betrachtung aus ESD-Sicht muss aber ergänzt werden, dass auch die Werkstoffe dieser Kategorie aus physikalischen Gründen auch den elektrischen Strom leiten, auch wenn der Oberflächenwiderstand größer als der Grenzwert nach Norm ist. Aus ESD-Sicht reicht die ableitende Wirkung von Isolatoren nicht mehr aus und es dürfen Isolatoren aus diesem Grund nicht eingesetzt werden.
ESD im sonstigen industriellen Umfeld
Industrielles Umfeld
Elektrostatische Aufladung kann die Herstellung und Verarbeitung von Kunststoff (besonders Kunststofffolie), Papier, Textilien und Glas behindern. Einerseits wird der Transport des Materials behindert, andererseits haften aufgrund der elektrischen Aufladung an dem Material meist unerwünschte Partikel (Staub, Fussel, Puder). Deshalb werden, besonders an schnellen Industrieanlagen, zur Entladung dieser Materialien Ionisatoren eingesetzt.
Beispielsweise erfordern Produktionsmaschinen für elektrisch isolierende Endloserzeugnisse sowie der Umgang mit isolierenden Schüttgütern besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen elektrostatische Aufladung.
Die permanente Erdung arbeitender Personen in ESD-Bereichen wird dabei mittels Erdungsbändern, ESD-Kleidung, ESD-Handschuhen und antistatischen Sicherheitsschuhen erreicht. Weitere Maßnahmen sind antistatische Arbeitsflächen, Bodenbeläge oder leitfähige Bezüge von Büromöbeln.
Richtlinien für Schlauch- und Rohrleitungen
Es gibt in Deutschland Richtlinien, die den Schutz vor Zündfunken und Staubexplosionen beim Förderungsprozess durch Rohr- und Schlauchleitungen gewährleisten. Zu nennen wären hier die „Deutsche Regel der Berufsgenossenschaft Nr. 132 und 104 (BGR 132 und 104)“, „Deutsche Regel der Berufsgenossenschaft ZH 1/730 (Brand- und Explosionsschutz an Anlagen zum Absaugen und Abscheiden von Holzstaub und -spänen)“, die „Deutsche Regel der Berufsgenossenschaft ZH 1/739 (Holzstaub – Handhabung und sicheres Arbeiten)“, und die „ATEX-Richtlinie 94/9/EG“.[5]
Messung
Elektrostatische Aufladungen
Zur Erfassung von möglichen Risiken durch elektrostatische Aufladungen ist man auf Messgeräte angewiesen, da Menschen Entladungen erst ab einem Spannungswert von etwa 2.000 V wahrnehmen können. Elektrostatische Aufladungen und deren elektrische Feldstärke können mit einem Elektrofeldmeter messtechnisch ermittelt werden.
Darüber hinaus kann elektrostatische Aufladung im manchen Fällen auch anhand der elektrostatischen Anziehung (siehe Elektrostatik) erkannt werden. Dies setzt aber meist sehr hohe Aufladungen voraus. Hierbei ist aber auch noch zu berücksichtigen, dass das bloße Aneinanderhaften von Gegenständen jedoch auch auf Adhäsion beruhen kann.
Oberflächenwiderstand und Ableitwiderstand
Der Oberflächenwiderstand von Werkstoffen und der Ableitwiderstand von Einrichtungen gegenüber dem Bezugspotenzial PE haben einen entscheidenden Einfluss auf den ESD-Schutz. Durch Reibung an Körpern kommt es zur Aufladung. Werkstoffe, die einen ausreichend niedrigen Oberflächenwiderstand besitzen, sorgen dafür, dass zum einem die Höhe der Aufladespannung minimiert wird und zum anderen die elektrostatische Aufladung wieder abbauen kann. Der Ableitwiderstand von Einrichtungen sorgt dafür, dass elektrostatische Aufladungen gegen das Bezugspotenzial Erde abfließen können und somit keine unzulässig hohen Aufladungen entstehen können.
Bewertung von Messergebnissen
Die Bewertung von Messergebnissen erfordert meist viel Erfahrung. Wie durch praktische Tests gezeigt werden kann, können Werkstoffe, deren Oberflächenwiderstand auch oberhalb des zulässigen Grenzwerts liegen, in bestimmten Fällen eingesetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn sich diese Stoffe beispielsweise durch Reibung nur gering aufladen und die Ladungsträger bereits nach sehr geringer Zeit wieder abgebaut sind.
Literatur
- DIN EN 61340-5-1 Elektrostatik – Teil 5-1: Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene – Allgemeine Anforderungen (IEC 61340-5-1)
- DIN EN 61340-5-1 Beiblatt 1 Elektrostatik – Teil 5-1: Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene – Benutzerhandbuch
- Hartmut Berndt: Elektrostatik – VDE-Schriftenreihe Normen verständlich. 3. Auflage. VDE Verlag GmbH, Berlin, 2009, ISBN 978-3-8007-3049-0.
Einzelnachweise
- ↑ Niels Jonassen: Mr. Static–Explosions and ESD. In: Compliance Engineering. Nr. November/December, 1999. Abgerufen am 5. März 2011.
- ↑ Kaiser, Kenneth L.: Electrostatic discharge, S. 2–73, Washington, DC: Taylor & Francis 2006, ISBN 0-8493-7188-0
- ↑ a b c d e f g h i DIN EN 61340-5-1 Elektrostatik – Teil 5-1: Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene – Allgemeine Anforderungen (IEC 61340-5-1)
- ↑ DIN EN 61340-5-1 Beiblatt 1 Elektrostatik – Teil 5-1: Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene – Benutzerhandbuch
- ↑ http://www.norres.com/hm/1-14.4-Elektrostatische-Aufladung/01/002/0214/1404/product Richtlinien für Schlauch- und Rohrleitungen]
Siehe auch
Weblinks
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