- Imageberater
-
Spin-Doctor ist eine aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für einen Medien-, Image- oder politischen Berater und Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit. Die Bezeichnung wird von den Massenmedien besonders im Bereich der Politik benutzt und hat einen abwertenden Unterton, da sie andeutet, dass der so Bezeichnete Ereignisse und deren Darstellung mit dem richtigen Dreh (engl. spin) versieht, also manipuliert. Von einigen PR-Experten wird der Ausdruck daher abgelehnt.
Im Unterschied zu politischen Propagandisten geht es einem Spin-Doctor nicht um die Vermittlung einer bestimmten Ideologie, sondern darum, seinen Auftraggeber, dessen Politik oder andere Personen oder Ereignisse in einem möglichst positiven (oder auch negativen) Licht darzustellen und in jeder Situation die bestmögliche öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er arbeitet mit Bildern, Inszenierungen (z. B. Fototerminen, Events für die Kameras der Presse) sowie PR, und nutzt die Medien für seine Ziele (z. B. Agenda-Setting). Dabei bleibt er meistens als graue Eminenz im Hintergrund, taucht also selten selbst in den Medien auf.
Inhaltsverzeichnis
Bekannte Spin-Doctors
Besonders bekannt wurde der Titel u.a. als Bezeichnung für Alastair Campbell, den langjährigen PR-Verantwortlichen von Tony Blair, und Karl Rove, den republikanischen Parteistrategen und Präsidentenberater, der George W. Bush erst in Texas und später als Präsident durch seinen Wahlkampf zur Macht verhalf. Bush nannte Rove in seiner Rede nach dem Wahlsieg 2004 den Architekten seines Sieges.
Edward Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds, gilt als erster amerikanischer Spin-Doctor.
Im Bundestagswahlkampf 2002 ist Michael Spreng als Berater Edmund Stoibers angeheuert worden, Matthias Machnig für die SPD.
Beobachter sahen im deutschen Bundestagswahlkampf 2005 Kajo Wasserhövel in der SPD und Willi Hausmann in der CDU als die jeweiligen Spin-Doctors an, offiziell traten sie als Wahlkampfmanager auf.
Für Barack Obama übt in erster Linie David Axelrod die Funktion des Spin-Doctors aus.
Die Tätigkeit des Spin-Doctor wird in Filmen wie Wag the Dog oder Thank You for Smoking oder der Serie Chaos City satirisch dargestellt.
Beispiele politischer PR
PR-Agenturen im politischen Bereich sind in den USA z. B. die Agentur Hill and Knowlton und in Deutschland Agenturen wie PRGS-crisadvice, Edelman Public Relations, Weber Shandwick Deutschland oder Johanssen + Kretschmer. Ziel ist hier z. B., eine bestimmte Politik gut zu „verkaufen“, also als positiv und wünschenswert darzustellen. Zu dem Mittel wird gegriffen, wenn man in der Politik ein Vermittlungsproblem dem Bürger gegenüber sieht, die eigene Politik dabei aber für richtig und notwendig hält, wie im Fall der Krisen-PR für Hartz IV.
In Deutschland wird der Bundestagswahlkampf größtenteils in den Parteizentralen geplant, in den U.S.A allerdings hat sich eine hochspezialisierte Industrie politischer PR-Berater entwickelt, die einen eigenen Berufsverband, sowie spezifische Studiengänge und Fachzeitschriften haben.
Geschichte
Erstmals verwendete Saul Bellow den Begriff Spin Doctors 1977 in einer Vorlesung. Einzug in die Medien fand er am 21. Oktober 1984 durch einen Leitartikel des Journalisten William Safire (New York Times), der ein TV-Duell zwischen dem Präsidentschaftskandidaten Walter Mondale und dem Amtsinhaber Ronald Reagan analysierte. Dabei wurden die Wahlkampfberater als Spin-Doctors bezeichnet, weil sie hinter der Bühne im spin alley versuchten, den Journalisten eine positive Interpretation ihres jeweiligen Kandidaten zu vermitteln.
Entwicklung
- 1920 - Edward Bernays untersucht massenpsychologische Erscheinungen und entwickelt Methoden, die heute als Public Relations bekannt sind.
- 1960 Joe Napolitan nutzt die Verbreitung des Fernsehens für das Polit-Marketing und inszeniert das erste Fernsehduell (auch TV-Duell genannt). Dies ist entscheidend für den Wahlsieg seines „Produktes“ John F. Kennedy gegen Richard Nixon.
- 1964 Tony Schwartz erstellt den Negativ-Werbespot „Daisy“, der gegen den Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater gerichtet war, obschon er im Spot selber nicht namentlich erwähnt wurde. Dieser weit verbreitete Werbespot hilft Lyndon B. Johnson zum Wahlsieg.
- 1977 John Gormann und Pat Cadell verhelfen Jimmy Carter ins Weiße Haus.
- Ab 1980 - Der Einfluss der Spin-Doktoren vergrößert sich enorm: Jean-Luc Aubert unterstützt François Mitterrand, Lord Bell berät Jacques Chirac, Tim Bell erfindet New Labour und bringt Tony Blair an die Macht, Gerhard Schröder wird im Wahlkampf 1998 von Bodo Hombach beraten. Die russischen Spin-Doktoren verhelfen Boris Jelzin trotz Herzinfarkt mitten im Wahlkampf dank Tricks, Manipulationen und Falschinformationen in den Kreml.
- 1996 – Das Kommunikationsmanagment durch Joe Lockhart, Dick Morris und George Stephanopoulos im Wahlkampf von Bill Clinton.
- 1997 Joe Lockhart, Abteilungsleiter Kommunikation im Weißen Haus von 1997-2000, nutzt unter Bill Clinton die Revolution der Informationstechnik und funktioniert die Regierung in eine Nachrichtenagentur um. Nun werden die Nachrichten-Themen von der Regierung bestimmt. Es wird aus Regierungssicht wichtig ein Thema zu "besetzen" und darüber zu bestimmen, wie über einen Sachverhalt gedacht wird und wie er zu interpretieren ist. Beim sogenannten Perzeptionsmanagement kommt es auf Wahrnehmungen und Wertungen an.
- 1999 Jamie Shea, Nato-Sprecher, kommentiert den Kosovo-Krieg mit Hilfe von Spin-Doktoren.
- 1997 – Peter Mandelson und Alistar Campbell entwickeln Konzeptionen aus dem „War Room“ eigentlich Kommandozentrale der britischen Kriegsführung,(hier die Wahlkampfzentrale, betitelt durch „New Labour“), um Tony Blair bei seinem Wahlkampf zu unterstützen. Alistar Campbell ließ sich beispielsweise tagelang von der BBC bei der Arbeit filmen
- 1998 – Im Bundestagswahlkampf richtet die Presse ihre Aufmerksamkeit auf die „Kampa“, welche das Steuerungszentrum der SPD darstellte. Uwe-Karsten Heye, Bodo Hombach, Matthias Machnig und Franz Müntefering rücken dabei in den Mittelpunkt. Schlagzeilen Titel lauteten „Die Spin-Doctors machen die Politik zur Show“. Die Dramaturgen wurden hier vor allem bei der SPD ausgemacht und es wurde von einer veramerikanisierung der deutschen Politik gesprochen.
- 2002 – Im Bundestagswahlkampf wird der politische Aschermittwoch der CSU zu einem inszenierten Medienspektakel. Alkohol wurde erst kurz vor Beginn ausgeschenkt, damit keine angetrunkenen Menschen das Medien-Image Edmund Stoibers hätten zerstören können. Angeblich war in dem Bierkrug, aus dem Stoiber an diesem Tag demonstrativ vor der Kamera trank nur Kamillentee.
- 2003 Charlie Black, Berater von George W. Bush, betreut das PR-Projekt Irakische Exilregierung. Die Rechtfertigung des Irak-Krieges mit der angeblichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen ist ebenfalls ein Spin (siehe dazu Downing street memo).
- 2007 Clarence Mitchell, war Direktor des MMU, einer Regierungsbehörde, die für das britische Außenministerium PR betreibt. Seit Mai 2007 war er im Auftrag der Regierung PR-Berater von Kate und Gerry McCann im Fall der verschwundenen Madeleine McCann[1]. Am 18. September 2007 hat er das Amt aufgegeben, um die Medienkampagne für Kate und Gerry McCann als Privatperson fortführen zu können.
Zitat
„Das Wort „beeinflussen“ mag ich nicht, dies ist auch nicht meine Aufgabe. Nicht Karen Hughes spricht zur Welt - darum geht es hier nicht. Karen hört zu, unsere Regierung hört zu. Natürlich möchte ich mein Land ins beste Licht setzen. Aber mein Job ist die Wahrheit. Deswegen mag ich das Wort Spin-Doctor nicht. Es klingt, als würden wir uns die Sachen zurechtlegen. Ich möchte die Wahrheit kommunizieren.“
– Karen Hughes, Staatssekretärin im USA-Außenministerium und Bush-Vertraute[2]
Literatur
- John Stauber/Sheldon Rampton: Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin-Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie. Freiburg: orange-press, 2006. ISBN 978-3-936086-28-7
- Frank Esser, Carsten Reinemann, David P. Fan: Spin Doctors in the United States, Great Britain and Germany. Metacommunication about Media Manipulation. Harvard International Journal of Press/Politics, 2001, 6:1, 16-45.
- Christian Mihr, Wer spinnt denn da? Spin-Doctoring in den USA und in Deutschland: Eine vergleichende Studie zur Auslagerung politischer PR. Münster: LIT-Verlag, 2003. ISBN 3-8258-7351-x
- Jens Tenscher, Professionalisierung der Politikvermittlung? Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld von Politik und Massenmedien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003. ISBN 3-531-14078-7
- Andreas Elter: Die Kriegsverkäufer. Geschichte der US-Propaganda 1917-2005. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2005. ISBN 3-518-12415-3
Siehe auch
- Kommunikation, Sprache, Rhetorik, Slogan, Euphemismus, Schlagwort
- Marketing, Werbung, Lobbyismus
- Medienjournalismus, Medienkompetenz, Medientheorie
- Niccolò Machiavelli, Chaos City
Weblinks
- Information über einen Dokumentarfilm, inkl. Lesetipps
- Englischer WikipediaArtikel über Downing Street Memo
- Artikel über Spin-Doctors im Bundestagswahlkampf 2002
- Bericht des NDR-Medienmagazins Zapp über Spin-Doctors
- Hintergrundartikel über die Begriffsgeschichte des Ausdrucks Spin-Doctoring
- Informationsportal für Politikberatung, Public Affairs und politische Kommunikation
- Thomas Mavridis, Spin Doctor: PR-Wort des Jahres 1998? - Der Begriff hat sich in der Kommunikationswelt etabliert. Doch Vorsicht ist angeraten, PR-Forum 5. Jg. (1999), Nr. 1, S. 10-11
- FAZ Online, Spin Doctors - Wer spinnt denn da? Christian Mihr
- TEURE SPIN DOCTORS - Lobbykosten in Washington erreichen Rekordniveau, 11. April 2008 sam/Reuters
- Inszenierungen in den Medien, Henryk Balkow
Einzelnachweise
- ↑ Medienhure: "Fall Madeleine: Regierungssprecher mutiert zu „Freund der Familie“"
- ↑ im Interview mit dem Spiegel
Wikimedia Foundation.