Innenhochdruckumformen

Innenhochdruckumformen
Außenhochdruckumformung

Im klassischen Sinn versteht man unter Innenhochdruckumformung (kurz IHU) oder Hydroforming (meist synonym verwandt) das Umformen metallischer Rohre im geschlossenen Formwerkzeug mittels Innendruck, der durch eine Wasser-Öl-Emulsion in das Werkzeug bzw. Rohr eingebracht wird (im englischen Tube-Hydroforming). Die Rohrenden werden während des Umformprozesses durch Dichtstempel, die durch Hydraulikzylinder angetrieben werden, abgedichtet. Wesentliche Prozessparameter sind dabei der Innendruck, der bei Serienfertigungen üblicherweise bis zu 3.000 bar betragen kann, sowie das Nachschieben von Material bzw. Stauchen von den Bauteilenden her mit Hilfe der Dichtstempel. Es gibt eine Vielzahl von Verfahrensvariationen (zum Beispiel Vorform-Operationen) und –ergänzungen (zum Beispiel integrierte Lochoperationen). Die Prozesse laufen bei Raumtemperatur ab.

Im erweiterten Sinn werden vielfach auch wirkmedienbasierte Verfahren zur Umformung von metallischen Blechen der Innenhochdruckumformung / dem Hydroforming zugerechnet (im englischen Sheet-Hydroforming). Verschiedentlich wird in Fachpublikationen dafür aber auch der Begriff der Außenhochdruckumformung verwendet. Zu diesen Verfahren zählen insbesondere das Hydraulische Tiefziehen und das Hydromechanische Tiefziehen sowie eine Verfahrensvariante davon, das Aktive Hydromechanische Tiefziehen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Verfahrensprinzip des Innenhochdruckumformens war bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Das Verfahren basierte auf der Tatsache, dass sich beim Nachschieben des Materials von den Bauteilenden her eine Volumenänderung bzw. -reduktion im Innern ergibt, wodurch der Umformdruck aufgebaut wurde. Der Prozess konnte also nicht geregelt werden und war daher nur schwer zu beherrschen. Er gewann erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder an Bedeutung, als die moderne Steuerungs- und Regelungstechnik neue Möglichkeiten eröffnete.

Das klassische Bauteil, das mittels Innenhochdruckumformung gefertigt wurde und auch heute noch wird, ist das Kupfer-T-Stück, das in den Wasserleitungen nahezu jedes Gebäudes eingesetzt wird. Im Laufe der 1990er Jahre gewann das Verfahren zunehmend an Bedeutung als vermehrt IHU-geformte Bauteile in der Automobilindustrie eingesetzt wurden. Die Innenhochdruckumformung nimmt heute als Spezialverfahren einen wichtigen Platz im Bereich der Metallumformung ein.

Verfahrenstechnik

Anlagentechnik

Die Formwerkzeuge zur Fertigung von IHU-Bauteilen werden typischerweise in hydraulischen Pressen betrieben, die um ein entsprechendes Wasserhydraulikaggregat und die zugehörige Steuerung ergänzt werden. Die hydraulische Presse dient dabei als Zuhaltevorrichtung für das Werkzeug. Aufgrund der variablen Druckverläufe im Werkzeug, die die Werkzeughälften auseinanderdrücken wollen, ist eine geregelte Zuhaltevorrichtung in den meisten Fällen unabdingbar.

Aufgrund der hohen Drücke im Werkzeug sind in der Regel Pressen mit großen Zuhaltekräften erforderlich. Auch die Werkzeugkonstruktion muss die hohen Drücke berücksichtigen, um entsprechende Standzeiten zu gewährleisten.

Verfahrensauslegung und Machbarkeitsgrenzen

Da es sich bei der Innenhochdruckumformung um ein komplexes Verfahren mit vielen verstellbaren Parametern handelt, ist oft ein hoher Aufwand zur Verfahrensauslegung erforderlich. In vielen Fällen können Machbarkeitsuntersuchungen und Verfahrensvorauslegungen mittels FEM-Simulationen durchgeführt werden. Dennoch ist oft ein Prototyping zur Bestätigung der Machbarkeit anzuraten beziehungsweise ein aufwändiger Inbetriebnahmeprozeß zu erwarten.

Die Realisierbarkeit hängt im Wesentlichen von der zur Herstellung eines konkreten Bauteils erforderlichen maximalen Aufweitung/Dehnung ab. Diese darf im Normalfall nicht die Gleichmaßdehnung des eingesetzten Werkstoffs übersteigen. Lediglich im sogenannten Nachschiebebereich (Bereich in dem mit Hilfe der Dichtstempel Material nachgeschoben werden kann) kann diese partiell überschritten werden. Ist dies nicht ausreichend, so wird eventuell ein Zwischenglühprozess erforderlich.

Werkstoffe mit hohem Dehnvermögen (zum Beispiel Edelstähle, Kupfer) sind insofern besser für das IHU-Verfahren geeignet als solche mit geringem Dehnvermögen (zum Beispiel hochfeste Stähle, Aluminium). Durch Weiterentwicklungen des IHU-Verfahrens wurde aber auch die effektive Verarbeitung von Werkstoffen mit geringem Dehnvermögen möglich. FLC-Kurven des eingesetzten Werkstoffs sind für professionelle Machbarkeitsuntersuchungen, FEM-Simulationen und Verfahrensauslegungen unumgänglich.

Eine weitere Machbarkeitsgrenze ist der maximal verfügbare Innendruck und die dadurch mögliche maximale Ausformung des Bauteils (insbesondere in Kofferecken und bei kleinen Radien). Der maximale Innendruck ist wiederum durch die wirtschaftlich realisierbare Anlagentechnik begrenzt.

Vor- und Nachteile

Wesentliche Nachteile des IHU-Verfahrens sind die verhältnismäßig langen Taktzeiten (verglichen zum Beispiel mit konventionellem Tiefziehen) und die hohen Investitionskosten (bei IHU / Rohrumformwerkzeugen).

Als Vorteile stehen dagegen weitgehende Gestaltungsfreiheiten, Einsparung von Einzelteilen (durch Kombination einzelner Bauteile, zum Beispiel bei bisher verwendeter Halbschalenbauweise), dadurch Entfall von Montage- und / oder Schweißoperationen, Kaltverfestigung des Werkstoffs beim Umformprozeß und Gewichtsersparnis als Resultat der vorgenannten Punkte. Auch die hohe Präzision und Wiederholgenauigkeit der Bauteile sprechen für das Verfahren.

Einsatzgebiete

Eingesetzt wird IHU bevorzugt für Rohre mit einer variablen Dicke und für T-Stücke wie Fittinge oder auch Wasserhähne. Auch in der modernen Fahrradkonstruktion werden Rohrsätze mit komplexeren Formen per Hydroforming hergestellt. Durch dieses Verfahren kann man die Wandstärke bedarfsgerecht anpassen und ausformen; dies kann viel Gewicht und auch Kosten sparen.

Literatur

Weblinks


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