Internationaler Steuerwettbewerb

Internationaler Steuerwettbewerb

Als Steuerwettbewerb bezeichnet man den Wettbewerb unterschiedlicher Standorte, um durch ein attraktives Steuersystem Standortvorteile zu erzielen.

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Internationaler Steuerwettbewerb

bezeichnet den Steuerwettbewerb zwischen Standorten in verschiedenen Ländern bzw. verschiedenen Ländern insgesamt. Relevant sind hier vor allem Ertragsteuern. Internationaler Steuerwettbewerb ist das Konkurrieren der Länder untereinander, Unternehmensteuern zu senken, um die Standortattraktivität zu verbessern.

Entstehung und Erscheinungsform

Die Steuersätze auf unternehmerische Gewinne sind in allen wichtigen Industrieländern seit Mitte der achtziger Jahre deutlich und ununterbrochen gesenkt worden, im ungewichteten Durchschnitt von 48% im Jahr 1982 auf 33% im Jahr 2003. Dies ging einher mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch den Abbau von Vergünstigungen, Beschränkungen des Verlustausgleichs und der Abschreibungsmöglichkeiten, Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung oder eingeschränkter Möglichkeiten zur Bildung steuerwirksamer Rückstellungen. Diese als tax-cut-cum-base-broadening (Verminderung des nominalen Steuersatzes bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage) bezeichnete Strategie ist Ausdruck des verschärften Steuerwettbewerbs.

Voraussetzung für die Fortsetzung dieses Trends ist jedoch dass ein internationaler Steuervergleich auch zukünftig nur anhand von nominellen Steuersätzen erfolgen wird. Methodisch ist dieses Vorgehen bereits jetzt sehr fragwürdig, da sich die Steuerlast aus der Multiplikation der steuerlichen Bemessungsgrundlage mit dem Steuersatz ergibt, Steuersatz und steuerliche Bemessungsgrundlage mithin also gleich wichtige Faktoren sind. Die tax-cut-base-broadening Methode treibt immer buntere Blüten. Aktuell hat Tschechien eine Flat tax mit einem Steuersatz von 15% eingeführt und hat damit scheinbar einen niedrigere Einkommensteuer als die Slowakei Steuerrecht (Slowakei). Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist jedoch das "Superbruttoeinkommen" bei dem die Lohnnebenkosten zum Bruttoeinkommen hinzu addiert werden. Bei gleicher Bemessungsgrundlage wie in der Slowakei müsste der Steuersatz dagegen mindestens 20% betragen und wäre damit höher als in der Slowakei. Zur Verdeutlichung:

Slowakei: Bemessungsgrundlage (Nettoeinkommen + Lohnnebenkosten - Freibetrag etc.) * 19%

Tschechien: Bemessungsgrundlage (Nettoeinkommen + Lohnnebenkosten + Lohnnebenkosten - Freibetrag etc.) * 15%

Ziele des Steuerwettbewerbs

Die Reduzierung der tariflichen Unternehmenssteuersätze zielt auf die Akquirierung internationaler Investoren, die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf die Sicherung des nationalen Steueraufkommens. Aufgrund der erhöhten Standortattraktivität kann eine solche Steuerpolitik selbst dann vorteilhaft sein, wenn sich die gegenläufigen Wirkungen von Steuersatzsenkungen und Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf die für die Investitionsentscheidungen standortgebundener Unternehmen relevanten Kapitalnutzungskosten teilweise oder sogar vollständig aufheben.[1]

Das Absenken der Unternehmenssteuern ist eine Maßnahme der Politik, Unternehmen anzulocken, die sich auf der Suche nach einem (neuen/zusätzlichem) Standort befinden (legale Steuerflucht). Zusätzlich können von der Politik Steuerbefreiungen für einen befristeten Zeitraum zugesagt werden. Steuerwettbewerb spielt in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung eine große Rolle als Standortfaktor.

Wissenschaftliche Analyse des Steuerwettbewerbs

Aktuelle Studien untersuchen die effektive Steuerbelastung von Unternehmen in den einzelnen Ländern der Europäischen Union. Dabei wird der Einfluss des Steuerwettbewerbs auf die letztendliche Entscheidung für einen Standort thematisiert.

Ermittlung der effektiven Durchschnittsteuerbelastung nach der ZEW - Methode

In einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, die am 18. April 2006 veröffentlicht wurde, wurde die Effective Average Tax Rate (EATR), eine effektive Durchschnittsteuerbelastung berechnet, die die prozentuale Kürzung der Rendite eines modellhaften Investitionsprojekts durch Steuerzahlungen angibt.[2]

Die vom ZEW errechnete prozentuale Kürzung der Rendite eines modellhaften Investitionsprojekts durch Steuerzahlungen gestaltet sich wie folgt:

Prozentuale Kürzung der Rendite eines modellhaften Investitionsprojekts durch Steuerzahlungen laut ZEW
Spanien 36,1 %
Deutschland 36,0 %
Frankreich 34,8 %
Malta 32,8 %
Italien 32,0 %
Belgien 29,7 %
Großbritannien 28,9 %
Niederlande 28,5 %
Griechenland 28,0 %
Luxemburg 26,7 %
Dänemark 25,2 %
Schweden 24,8 %
Portugal 24,7 %
Finnland 24,6 %
Österreich 23,1 %
Tschechien 22,9 %
Estland 21,8 %
Slowenien 21,6 %
Schweiz 18.8 %[3]
Ungarn 17,9 %
Polen 17,0 %
Slowakische Republik 16,7 %
Irland 14,7 %
Lettland 14,4 %
Litauen 12,8 %
Zypern 9,7 %

Kritik

An der Studie wird von Wirtschaftsexperten kritisiert, dass nicht die tatsächlich gezahlten Steuern erfasst wurden, sondern lediglich ein theoretisches auf nominellen Sätzen beruhendes Maximum. Die in Deutschland tatsächlich gezahlten Gewinnsteuern liegen nach Berechnung des Steuerexperten Lorenz Jarass von der Fachhochschule Wiesbaden bei deutlich niedrigeren 12 bis 15 Prozent. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält das Simulationsmodell des ZEW nicht für empirisch begründet. [4]

Alternative Methode

Eine genauere Ermittlung der Steuerbelastung von Unternehmen ergibt sich durch die (allerdings aufwändigere) Methode von Lorenz Jarass. Jarass geht hierbei methodisch so vor, dass er aus den IFRS-Bilanzen der DAX30 Unternehmen jeweils das Ergebnis vor Steuern und die bezahlten Steuern zieht. Aus diesen Ausgangspunkten errechnet er dann die gesamte effektive Steuerbelstung. Bei dieser exakten und leicht nachprüfbaren Vorgehensweise ergibt sich, dass sich für die DAX 30 Unternehmen in 2005 eine Steuerbelastung von rund 21% ergab. Diese 21% beziehen sich aber auf die gesamte Steuerbelastung einschließlich Grundsteuer und sonstiger Abgaben Berechnung der Steuerbelastung deutscher DAX 30 Unternehmen ab Seite 33.

Nationaler Steuerwettbewerb

bezeichnet den Wettbewerb verschiedener Standorte innerhalb eines Staates, um durch ein attraktives Steuersystem Standortvorteile zu erzielen.

Steuerwettbewerb in Deutschland

Der innerdeutsche Steuerwettbewerb ergibt sich vor allem daraus, dass die Gemeinden für die Gewerbesteuer als wesentliche Gemeindesteuer einen individuellen Hebesatz festlegen können. Frankfurt am Main hat als attraktiver Wirtschaftsstandort einen hohen Hebesatz von 490%, während die Gemeinde Norderfriedrichskoog bis 2003 einen Hebesatz von 0% erhob (ab 2004: Mindestsatz von 200%).

Steuerwettbewerb in der Schweiz

Siehe Steuerrecht (Schweiz)

In der Schweiz wurden in den letzen 10 Jahren in 18 von 28 gemessenen Orten sowohl die Steuern für natürliche als auch für juristische Personen signifikant gesenkt. Das Steuerparadis in der Schweiz ist Sarnen. Die Steuerhölle in der Schweiz ist Delemont.

Das föderalistische System in der Schweiz erzeugt einen erheblichen nationalen Steuerwettbewerb, da Kantone und auch die Gemeinden ihre Steuersätze, Bemessungsgrundlagen, aber auch diverse indirekte Abgaben selbst festlegen können. Hohe Wellen warf kürzlich ein neues Steuersystem im Kanton Obwalden, das für wohlhabende Private ab einem gewissen Betrag einen degressiven (d.h. mit zunehmender Steuerkraft prozentual abnehmenden) Steuersatz vorsah. Ein kommunistischer Politiker aus Lausanne, Josef Zisyadis, nahm daraufhin vorübergehend in Obwalden Wohnsitz, um dort eine Beschwerde vor dem höchsten Schweizer Gericht gegen das Obwaldner Steuersystem einreichen zu können. Diese Beschwerde wurde vom Bundesgericht in der Tat gutgeheissen, worauf die Obwaldner das System auf eine Flat Tax (proportionale Steuer) begrenzen mussten. Die Schweizer Sozialdemokraten hatten in der Folge eine Volksinitiative gestartet, die den Steuerwettbewerb im Land einschränken soll. Dieses Vorhaben wurde aber aufgegeben. Argument ist, dass der Staat ausgehungert werde, wenn die Kantone durch stetiges Schielen auf tiefere Steuern in anderen Kantonen ihre eigenen Steuern senken, hiermit andere Kantone an den Schluss der Steuerrangliste relegieren, welche dann wiederum selber ihre Steuern senken, usw.

Quellen und Einzelnachweise

  1. BT-Drs.15/4300, S.531
  2. ZEW Pressemitteilung: Deutsche Unternehmensbesteuerung - Spitzenbelastung im EU-Vergleich 18. April 2006
  3. ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/gen_info/economic_analysis/tax_papers/taxation_paper_14_en.pdf Taxation Papers, the European Commission's Directorate-General for Taxation and Customs Union
  4. taz: Wie viel Steuern zahlen deutsche Firmen?

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