Isaac Blank

Isaac Blank

Edward "Ted" Grant, früher Isaac Blank, (* 9. Juli 1913 in Germiston bei Johannesburg; † 20. Juli 2006 in London) war ein trotzkistischer Politiker und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Isaac Blank, der spätere Ted Grant, war gebürtiger Südafrikaner. Seine Mutter war Französin und sein Vater Russe. Die Behandlung schwarzer Landarbeiter durch ihre weißen Chefs empfand der jugendliche Blank als menschenverachtend, sie empörte und politisierte ihn. Die Russische Revolution begeisterte Blank. Nach der Scheidung seiner Eltern nahm die Mutter Untermieter auf, unter welchen sich der Kommunist Ralph Lee befand. Durch ihn kamen der 15-jährige Blank und seine Schwester Zena in Kontakt mit der von Trotzki gegründeten Internationalen Linken Opposition und schlossen sich dieser Bewegung an. Zusammen mit einigen Weggefährten siedelte Blank Ende 1934 nach London über, wo ihm die Umstände für revolutionäre Arbeit besser zu sein schienen. Weil er und sein Genosse Max Basch nur Plätze auf dem Schiff einer deutschen Reederei für die Passage fanden, änderten sie aus Sicherheitsgründen ihre Namen in Edward Grant und Sid Frost, welche sie von Mitgliedern der Besatzung übernahmen.

Danach gab Grant statt seines Geburtsnamens stets „Blank“ („unbeschrieben“) als seinen früheren Nachnamen an. In den 30er Jahren wollte er durch diese Geheimhaltung seine Familie vor faschistischer Verfolgung schützen. Seinen Geburtsnamen kannten Zeit seines Lebens nur seine Familie und ausgewählte Freunde.[1]

Nachdem sich ab 1945 die Weltlage aus revolutionär-marxistischer Sicht weitaus ungünstiger gestaltete, als es der 1940 ermordete Trotzki und seine Anhänger bis dahin erwartet hatten, gehörte Grant zu den ersten Trotzkisten, die diese neuen Gegebenheiten (an)erkannten, analysierten und ihnen praktisch Rechnung trugen. Seine Schriften befassten sich mit zeitgenössischen theoretischen Herausforderungen (sowjetische Besetzung in Osteuropa, Guerillakampf, wirtschaftlicher Aufschwung der westlichen Industrieländer) und sind Zeugnis politischer Auseinandersetzungen, die zu einer Serie von Spaltungen der trotzkistischen Weltbewegung führten. Im Jahre 1983 wurden er und vier andere Mitglieder des Herausgebergremiums der Zeitschrift Militant auf Veranlassung des Vorsitzenden Michael Foot aus der Labour Party ausgeschlossen.[2]

Als Grant 1992 nach internen Konflikten von der eigenen Organisation, dem CWI, verstoßen wurde, wirkte er, zusammen mit Alan Woods, am Neuaufbau der alten CWI-Struktur mit. Diese Organisation bezeichnet sich seit Sommer 2006 als Internationale Marxistische Tendenz bzw. als Internationale Marxistische Strömung und errang vor allem durch ihre Website In Defence of Marxism und die Kampagne „Hands off Venezuela“ internationale Bekanntheit im linksradikalen Spektrum.

Politische Strategie

Ted Grant wird als Begründer der Strategie des „Langzeit-Entrismus“, also der - böswillig von vielen so genannten - Unterwanderung von bzw. - freundlich ausgedrückt - demokratischen Beteiligung in sozialistischen Parteien und Organisation durch Trotzkisten angesehen. Ausgangspunkte für diese Strategie waren folgende: Nach dem Zusammenbruch der trotzkistischen Partei Revolutionary Communist Party (RCP) in Großbritannien (gegründet 1943, Auflösung 1949/50), deren theoretischer Kopf Grant war, stand die Gruppe um Grant sehr alleine in der politischen Landschaft da. Mitte der 1950er Jahre greift die kleine Gruppe die alte Idee wieder auf, der Labourparty beizutreten. Grant gehörte 1935 schon einmal zu einer Gruppe Trotzkisten, die die Mitarbeit in der Labourparty als (vorübergehende) Taktik befürworteten und, bis zur Gründung der RCP, auch praktizierten. Hinzu kam die stets wachsende Enttäuschung der „Grantisten“ über die Entwicklung der „Vierten Internationale“, die 1953 in zwei große und 1963 in verschiedene größere Splitter-Organisationen zerfiel. Die positiven Erfahrungen mit der Arbeit innerhalb von Labour einerseits und die desillusionierenden Erfahrungen mit der zerfallenden „IV.“ andererseits führten Grant zu der Schlussfolgerung, dass man als revolutionäre Strömung seine begrenzte Energie lieber ganz auf die konsequente Arbeit in Labour und den Gewerkschaften, als auf die zunehmend als sinnlos empfundene Mitarbeit in der zerfallenden und zerstrittenen Vierten Internationale legen solle. Aufgrund dieser Überlegungen regte Grant seine Gruppe an, ab dem Jahr 1964 die Zeitung Militant herauszugeben, also einige Monate nach der endgültigen Auflösung der Vierten Internationale in ihrer bisherigen Form.

Sektenbegriff

Revolutionäre Gruppen, die sich bewusst außerhalb jener „Massenorganisationen“ bewegten und bewegen werden von Grant und den „Grantisten“ i. d. R. als „Sekten“ bezeichnet.

Anders als im linken Spektrum üblich, wird der Sektenbegriff also nicht vorrangig auf die Ideologie und/oder auf die vermeintlich größere/kleinere Mitgliederzahl „konkurrierender“ „revolutionärer“ Gruppen, sondern auf deren Verhältnis zu den „Massenorganisationen der Arbeiterklasse“ bezogen. Wiederholt hat Grant jungen Trotzkisten die Maxime „Wendet euch von den Sekten ab!“ („Turn your back on the sects“) mit auf den Weg gegeben. Grant verstand den Begriff der politischen Sekte also weniger als eine polemische Kampfvokabel, sondern vielmehr als einen objektiven Begriff. Seine Definition war allerdings umstritten. Im Gegenzug ist Grants Strategie als "Langzeitentrismus" bezeichnet und oft als eine versteckte Form des Reformismus und Opportunismus kritisiert worden von Seiten solcher revolutionären Kräften, die bewusst außerhalb solcher Verbände arbeiten.[3] Ted Grant zeigte sich auf solche Anwürfen hin unaufgeregt und gab als Antwort häufig: „Laß die Geschichte entscheiden!“ („Let history decide!“). Dabei ging Grant von einer „historisch-politischen“ Betrachtungsweise aus: Revolutionäre Marxisten seien - egal ob ihre Organisationen ein paar Dutzend oder ein paar Tausend Mitglieder umfasst - unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen in der Situation einer randständigen Minderheit. Diese könnten das Ziel, irgendwann in der Zukunft die gesamte Gesellschaft zu revolutionieren nur erreichen, wenn sie heutzutage zumindest schafften, die „rechten“ Arbeitermassenorganisationen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die notwendige politische Erfahrung könnten sie nur sammeln in der direkten Auseinandersetzung mit den politischen Ideologien und Repräsentanten des „Klassengegners“.

Entwicklung des Entrismus

Der Entrismus der „4. Internationale“ (1930er und erste Hälfte der 1940er-Jahre) ging von der Annahme aus, dass mit dem Ende des zweiten Weltkriegs eine revolutionäre Welle u.a. auch Europa und die Sowjetunion erfassen würde. Die Arbeiter, würden sich dann, aufgrund der Unwilligkeit und Unfähigkeit sozialdemokratischer und sogenannter „kommunistischer” Parteien, diese Revolutionen zum Sieg zu führen, relativ schnell nach einer neuen revolutionären Führung umsehen. Folglich ging es den Anhängern der „4.” seinerzeit darum, offensiv eine neue proletarische Führung für die unmittelbar bevorstehende Revolution aufzubauen und diese eigenständig als reguläre Partei organisieren. Entrismus in sozialdemokratischen, sozialistischen und „kommunistischen” Parteien war also seinerzeit immer ein kurz- bzw. mittelfristig angelegtes taktisches Vorgehen einzelner Sektionen oder Teilgruppen der „4. Internationale”.

Grants hingegen kamen im Laufe des Jahres 1944 erste Zweifel daran, ob die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Revolution sich als richtig herausstellen werden würde. Er war der erste Trotzkist, der diese Zweifel innerhalb der eigenen Bewegung öffentlich vertrat. Allmählich gelangte Grant, auch angesichts des unerwarteten ökonomischen Aufschwungs sowohl in der westlichen Welt als auch der Stabilisierung in der UdSSR während der 1950er und frühen 1960er Jahre, zu der Überzeugung, dass es nicht mehr darum gehen könne, sich und die Arbeiterschaft auf eine baldige Weltrevolution vorzubereiten, sondern vielmehr darum, den revolutionären Marxismus als realpolitische Option überhaupt erst einmal wieder in die Strukturen und das lebendige Gedächtnis der Arbeiterbewegung zurückzubringen.

Damit sollte der revolutionäre Marxismus aus den kleinen Zirkeln sich als besonders „revolutionär” empfindender, jedoch von den Massen isolierter und auf sich selbst zurückgeworfener Gruppen heraus wieder in die breite Öffentlichkeit getragen werden. In beständiger, loyaler und geduldiger Arbeit innerhalb der „Massenorganisationen der Arbeiterklasse” sah Grant den einzig gangbaren Weg, dieses Ziel auf realistische und erfolgversprechende Art und Weise verfolgen zu können. Diese Vorgehensweise faßte er in die Maxime: „Geduldig erklären!“ („Patiently Explain!“). Anstatt als „reformistisch” oder „kommunistisch” kritisierte Parteiführungen permanent verbal zu attackieren und womöglich bei kleinen „Verstößen” solcher Parteiführungen gegen das eigene, marxistische Weltbild die Parteien zu verlassen, ist die Arbeit der „Grantisten” in jenen „Massenorganisationen” daraufhin ausgerichtet, innerhalb jener Strukturen der Mitglieder- und Wählerbasis die marxistischen Ideen, Analysen und Politikkonzepte durch eine sachliche Auseinandersetzungen mit den Ideen, Analysen und Politikkonzepten der „Parteibürokratien” als überlegen darzustellen.

Im Jahr 1974 wurde mit der Gründung des Committee for a Workers’ International (CWI) eine neue internationale Organisation der trotzkistischen Bewegung geschaffen, deren nationale Sektionen sich zunächst konsequent an Grants Maxime des „Langzeitentrismus” orientierten. Zwischen 1973 und (spätestens) Jahresende 1991 bestand in der Bundesrepublik Deutschland die Gruppe „Voran“ in dem Sinne der „grantistischen” Orientierung. 1991/92 kam es zur Spaltung im CWI.

Die heutigen „Grantisten” gruppieren sich um die Internationale Marxistische Tendenz (IMT), welche in Österreich, der Schweiz und Deutschland Zeitschriften mit dem Titel Der Funke veröffentlicht. Grant hat am Aufbau der IMT engagiert mitgewirkt. Ebenso war er regelmäßiger Autor in der von Alan Woods ab 1992 herausgegebenen Zeitschrift Socialist Appeal.

Grant und seine Anhänger gebrauchen zur Charakterisierung der eigenen Arbeit statt „Langzeitentrismus“ den Begriff des „vorbereitenden Entrismus“. Damit wollen sie ausdrücken, dass eine neue, selbständige revolutionär-marxistische Massenpartei nur durch systematisches Arbeiten innerhalb der etablierten Strukturen der real existierenden Arbeiterbewegung aufgebaut werden könne. Die Arbeit in den „traditionellen Massenorganisationen der Arbeiterklasse“ diene der organischen Vorbereitung der Gründung einer neuen revolutionären Massenpartei. Die unmittelbare Gründung von Massenparteien als Wahlplattformen innerhalb des Spiels der bürgerlichen Parteienkonkurrenz hielt Grant dagegen für illusorisch, vorschnell und selbstgefällig und bezeichnete sie als sektiererisch. Für Grant verstand es sich für die Lage im Europa nach ca. 1950 von selbst, dass ein revolutionäres Projekt langfristig angelegt werden müsse.

Einzelnachweise

  1. He said this was to protect his family, understandable when entering revolutionary politics in the 1930s as the fascist tyrannies swept Europe, (...)“, Nachruf in The Guardian, 27. Juli 2006
  2. Nachruf, The Independent, 9. August 2006
  3. Der Begriff „Langzeitentrismus“ wird verwendet in dem Grant- und Marxismus-kritischen Buch von Jens Peter Steffen: Militant Tendency. Trotzkismus in der Labourparty, Dissertation 1994, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main

Werke

  • The Unbroken Thread. The Development of Trotskyism over 40 Years (Selected Works), London 1989
  • Aufstand der Vernunft (gemeinsam mit Alan Woods), London 1995, dt. Ausgabe 2002
  • Russia: From Revolution to Counter-Revolution, Well Red Publications (englisch, 1997) ISBN 1-900007-02-9
  • History of British Trotskysm, London 2002

Quellen

  • Ted Grant: History of British Trotskysm.
  • junge Welt vom 22. Juli 2006: Pionier des britischen Trotzkismus. Ted Grant (1913-2006).

Weblinks

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