- Linke Opposition in der Sowjetunion
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Der Begriff Linke Opposition bezeichnete diejenigen Gruppierungen in der KPdSU (B), die im linksideologischen Gegensatz zu Josef Stalins Doktrin standen, im Unterschied zu Gruppierungen um Nikolai Bucharin, die von Stalin als „Rechtsabweichler“ bezeichnet wurden. Zur so genannten Linken Opposition zählten die Trotzkisten unter der Führung Leo Trotzkis, die Sinowjewisten unter dem Vorsitzenden der Kommunistischen Internationale, Grigori Sinowjew und den Anhängern des Vorsitzenden des Politbüros, Lew Kamenew, später wurde noch Timofei Sapronows radikale Gruppe der „Demokratischen Zentralisten“ dazugezählt.
Inhaltsverzeichnis
Lenins Tod
Nach dem Tod Wladimir Iljitsch Lenins, des Führers der Oktoberrevolution von 1917 und Parteichefs, am 21. Januar 1924 spielte sich ein Kampf um die Macht im sowjetischen Staat ab. Die faktische Nachfolge Lenins ging an ein Kollegium aus Sinowjew, dem Vorsitzenden der Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale und Leiter des Petrograder Sowjets, Kamenew, einem engen Mitarbeiter Lenins, und Stalin, der sich bis dato immer im Hintergrund hielt. Schon bald hatte Stalin die beherrschende Rolle in diesem Triumvirat.
Stalins Macht
Stalins wachsende Macht beruhte auf der Informationsfülle, die ihm sein Amt in der Arbeiter- und Bauerninspektion gab. Stalin konnte so in sämtliche Dienststellen und Verwaltungszweige hineinblicken und Informationen sammeln, die er gegen seine Gegner verwendete. Hinzu kam der zunächst eher unbedeutende Posten als Generalsekretär der Partei, der auf dem XI. Parteitag im Jahre 1922 geschaffen wurde, und der bald ein Bindeglied zwischen der Zentralen Kontrollkommission (ZKK) und dem Zentralkomitee (ZK) beziehungsweise dem Politbüro des Zentralkomitees darstellte. Dies verschaffte Stalin zudem Einfluss auf die – zunächst noch harmlosen und für die Parteimitglieder ungefährlichen – Parteisäuberungen.
Lenins Testament
Lenin hinterließ ein Testament[1], das im Mai 1924 verlesen wurde. In diesem warnte er vor Stalin und schlug eine Entfernung Stalins vom Posten des Generalsekretärs vor: „Seitdem Genosse Stalin Generalsekretär geworden ist, vereinigt er in seiner Hand eine ungeheure Macht, und ich bin nicht davon überzeugt, dass er diese Macht immer mit der gebotenen Vorsicht zu nützen wissen wird.“ Zwar wurde kein unmittelbarer Nachfolger genannt, doch Leo Trotzki, der maßgeblich an der Oktoberrevolution beteiligt war, wurde als Favorit gehandelt. Dennoch sollte erwähnt werden, dass Stalin vergleichsweise am besten wegkommt. so wird als seine einzige Schwäche seine "Grobheit" genannt, während Trotzki zwar als "wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK", doch auch als "ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat", beschrieben wird. Zudem wird von Trotzkis "Nichtbolschewismus" gesprochen. Über Bucharin schreibt Lenin: "Seine theoretischen Anschauungen können nur mit sehr großen Bedenken zu den völlig marxistischen gerechnet werden, denn in ihm steckt etwas Scholastisches (er hat die Dialektik nie studiert und, glaube ich, nie vollständig begriffen)."
Die Linke Opposition
Mit der weiteren Entwicklung der Sowjetunion bildete sich die Linke Opposition, die konträr zu Stalins Wirtschafts-, Staats- und Außenpolitik stand. Ihre Vertreter traten für eine rasche Industrialisierung und für die Kollektivierung der Landwirtschaft ein, deren Kosten durch eine stärkere Belastung der wohlhabenderen Bauern gedeckt werden sollten. Die zunehmende Bürokratisierung des Staatsapparats beantworteten sie mit der Rückkehr zur Rätedemokratie. Die Fehlschläge in der Außenpolitik, zum Beispiel das Scheitern der ersten chinesischen Revolution, sprachen sie dem stalinistischen Wirken in der Kommunistischen Internationale zu.
Stalin sah in China trotz der immer wieder auflodernden Arbeiterkämpfe keine sozialistische Perspektive. Deswegen zwang er die Kommunistische Partei Chinas zu einem antiimperialistischen Bündnis mit der bürgerlichen, rechten Kuomintang. Im Laufe der Jahre benutzte die Kuomintang vor allem nach dem Führungswechsel von Sun Yat-sen auf Chiang Kai-shek dieses Bündnis, um entschieden gewaltsam gegen die Kommunisten vorzugehen.
Auf einer Sitzung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, die in der zweiten Maihälfte 1927 in Moskau stattfand, kam dieser Misserfolg in der sowjetischen China-Politik an die Öffentlichkeit. Der stalinistische Apparat kam dadurch zunehmend in Bedrängnis. Eine am 26. Mai 1927 übergebene Erklärung, der sich noch 83 oppositionelle Parteifunktionäre anschlossen, verstärkte den Druck auf Stalins Apparat. Die oppositionelle Propaganda wurde immer intensiver; sie überschwemmte die Organisationen in Gestalt von Flugblättern, Broschüren und anderen Materialien und forderte den Abbau der Autorität des ZK. Nur noch die Furcht vor Sanktionen hinderte viele daran, ihre Meinung auszusprechen.
Als Stimmen laut wurden, die eine neue Partei forderten, stellte sich Trotzki diesen Forderungen entgegen, da eine neue Partei, so Trotzki, keine Massenbasis hätte und die Bürokratie nur ein Übergangsregime sei.
Auf den Druck der Linken Opposition antworteten Stalin und seine Anhänger mit einem Linksruck, um sich Zeit zu verschaffen. Es folgten zudem Diffamierungen der Oppositionellen in Presse und Partei: Ende Juli 1927 bezeichnete Stalin sie als „Führer der Faschisten“.
In einer Sitzung des Gemeinsamen Plenums des ZK und ZKK in Moskau im selben Jahr von Stalins Äußerung versuchte man, die Opposition zu einer Mitarbeit im Apparat und einer öffentlichen Entschuldigung zu zwingen. Die Oppositionellen lehnten ein Eingehen auf diese Forderung ab. Dem Plenum blieb somit nichts anderes übrig, als für den Ausschluss Trotzkis und Sinowjews aus dem ZK zu stimmen, wie viele Staatsbeamte schon vorher forderten.
Unterdrückung
Anfang September 1927 legte die Opposition der Parteiführung eine Plattform der vereinigten Opposition zur Diskussion vor. Unter anderem wurde eine Reform des schwerfälligen Parteiapparats und der Wirtschaftsverwaltung gefordert. Ab diesem Zeitpunkt folgten massive Repressalien des stalinistischen Regimes. Es fanden immer wieder Hausdurchsuchungen und Verhaftungen statt, man hetzte in der Presse gegen die Oppositionellen, oppositionelle Arbeiter wurden aus den Betrieben entlassen, es kam zu Parteiausschlüssen. Die Verbreitung der Streitschrift vom September wurde verboten. Jeder Ansatz von oppositioneller Demonstration wurde im Keime erstickt.
Der XV. Parteitag am 2. Dezember 1927 wurde genutzt, um sämtliche Oppositionelle auszuschließen. Sie wurden schließlich verbannt. Die Sinowjewisten und Kamenewisten schlossen sich unter dem Druck massiver Repressalien den Stalinisten an. Das Ende der Opposition war somit besiegelt.
Nahezu alle Mitglieder der ehemaligen Linken Opposition wurden in den Moskauer Prozessen während des Großen Terrors ermordet. Trotzki, der schon in den 1920ern verbannt worden war und in seiner letzten Exilstation in Mexiko seine eigene Theorie des Kommunismus (vgl. Trotzkismus), die Theorie der permanenten Revolution im Zuge der Weltrevolution ausbaute, wurde 1940 von einem Agenten Stalins ermordet.
Im Exil versuchte Trotzki die Arbeit der linken Opposition weiterzuführen; 1929 gründete er in Paris die Zeitschrift Бюллетень оппозиции (Bulletin der Opposition). Seine Theorien führten 1938 zur Gründung der Vierten Internationale.
Im Zuge der „Entstalinisierung“ nach Stalins Tod 1953 wurde keines der Mitglieder rehabilitiert.
Siehe auch
Literatur
- Wadim S. Rogowin: Gab es eine Alternative zum Stalinismus? ISBN 978-3-88634-068-2
- Ulf Wolter: Die Linke Opposition in der Sowjetunion, 5 Bände
- Robert V. Daniels: Das Gewissen der Revolution, Kommunistische Opposition in der Sowjetunion; ISBN 3-921241-41-3
Einzelnachweise
Weblinks
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