- Amoräer
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Amora (aramäisch: אמורא; Plural אמוראים, Amora'im; „die Sprechenden“ oder „die über etwas Berichtenden“) waren jüdische Gelehrte, die sich über das mündliche Gesetz (mündliche Tora) „unterhalten“ oder über es „erzählt“ haben, von ungefähr 200 bis 500 n. Chr. in Babylonien und in Palästina. Ihre Diskussionen wurden in der Gemara kodifiziert. Die Amoraim folgten den Tannaim in der Reihe der jüdischen Gelehrten.
Die Periode der Amoraim
Die ersten babylonischen Amoraim waren Abba Arikha, mit dem Ehrentitel Rav, und sein Zeitgenosse und Diskussionspartner Samuel von Nehardea. Unter den ersten Amoraim in Israel waren Rabbi Jochanan bar Nappacha und Simeon ben Lakisch. Traditionell wird die Periode der Amoraim in sieben oder acht Generationen geteilt (abhängig davon, wo man anfängt und aufhört). Als letzte der Amoraim zählt man gewöhnlich Rabina I. und Rab Aschi sowie Rabina II., den Neffen von Rabina I., welche – nach traditioneller Auffassung – den babylonischen Talmud um 500 n. Chr. kodifizierten.
Im Talmud selbst verweist der Singular amora auf einen Gehilfen des lehrenden Rabbiners: Der Rabbiner formulierte seine Ausführungen kurz für sich, und der amora wiederholte das Gesagte für die Öffentlichkeit, indem er es auch ggf. übersetzte und nötige Erklärungen hinzusetzte.
Berühmte Amoraim
Die folgende Liste ist eine zusammenfassende Darstellung der bekanntesten Amoraim. Der Talmud nennt ca. 3000 dieser babylonischen oder palästinischen Gesetzeslehrer. Eine ausführlichere Auflistung findet sich bei Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 72ff. Generell sind die historischen Identifizierungs- und Zuordnungsprobleme gross, Legendenbildung und Historizität oft untrennbar miteinander verbunden (Beispiel: Rab Kahana, im paläst. Talmud stets ohne Titel Kahana, Amoräer der 2. Generation - ca. 250-290 - in Palästina, Schüler Rabs, kam von Babylonien nach Palästina, wo er zum Kreis Jochanans und Simeons b. Lakisch gehörte, nicht weniger als sechs verschiedene babylonische Amoräer hiessen R. Kahana, drei von ihnen kamen auch nach Palästina).
Die erste Generation (ca. 230–250 n.)
- Abba Arikha († 247), bekannt unter dem Ehrentitel Rab, er war der letzte der Tannaim und der erste der Amoraim. Er war Schüler von Jehuda ha-Nasi und zog von Palästina nach Babylonien (219). Er war Gründer und Dekan der Akademie in Sura.
- Mar Samuel († vermutlich 254), Schulhaupt in Nehardea.
- Jehoschua ben Levi (frühes 3. Jh.), leitete die Schule in Lydda.
- Jehuda II. (frühes 3. Jh.), Schüler und Enkel von Jehuda ha-Nasi, und Sohn und Nachfolger von Gamaliel III. als Nasi. Manchmal auch genannt Rabbi Judah Nesi'ah, und selten auch Rabbi wie sein Großvater.
- Abba bar Abba
- Rabbi Jannai
Die zweite Generation (ca. 250–290 n.)
- Rab Huna, Schüler von Rab und Mar Samuel. Dekan der Akademie von Sura.
- Rab Jehuda bar Jechezqel († 299), Schüler von Rab und Mar Samuel. Dekan der Akademie von Pumbedita.
- Rab Adda bar Ahaba, (3./4. Jh.), Schüler von Rab.
- Resh Laqisch (Rabbi Simeon ben Laqisch) († spätes 3. Jh.), Schüler von Rabbi Jannai und Kollege von Jochanan bar Nappacha.
- Jochanan bar Nappacha († vermutlich 279), Schüler u. a. von Rabbi Jannai. Dekan der Schule von Tiberias. Erstautor des palästinischen Talmud.
Die dritte Generation (ca. 290–320 n.)
- Rabbi Samuel bar Nachman
- Rabbah (Rabba bar Nachmani), † 330), Schüler von Rab Huna und Rab Jehuda. Dekan der Akademie von Pumbedita.
- Rab Josef († 333), Schüler von Rab Huna und Rab Jehuda. Dekan der Akademie von Pumbedita.
- Rab Zera I. (Palästina)
- Rab Chisda († 309), Schüler von Rab Huna. Dekan der Akademie von Sura.
- Simon ben Pazzi
- Rab Scheschet
- Rab Nachman bar Jakob († 320), Schüler des Samuel. Leitete zwar keine eigene Schule/Jeschiva, war aber ein häufiger Teilnehmer an den Diskussionen der Schulen/Jeschivot in Sura und Mahuza.
- Rabbi Abbahu († frühes 4.Jh.), Schüler von Jochanan bar Nappacha. Dekan der Schule/Jeschiva in Caesarea.
- Juda III. († frühes 4.Jh.), Schüler von Jochanan bar Nappacha. Sohn und Nachfolger von Gamaliel IV. als Nasi, und Enkel von Judah II.
- Rab Ammi ben Natan
- Rab Assi (Jose)
- Chanina ben Pappai
- Rabbah bar Rab Huna, nach dem Tode Chisdas dreizehn Jahre wichtigster Lehrer in Sura
Die vierte Generation (ca. 320–350 n.)
- Rami bar Chama, Schwiegersohn und Schüler Chisdas, gestorben um 350.
- Abaje († 339), Schüler von Rabba, Rab Josef und Rab Nachman bar Jakob. Dekan der Schule/Jeschiva in Pumbedita.
- Raba (Raba ben Josef ben Chama), † 352, Schüler von Rabba, Rab Josef und Rab Nachman bar Jakob. Dekan der Schule/Jeschiva von Mahuza.
- Hillel II. (um 360). Autor des bis heute gültigen jüdischen Kalenders. Sohn und Nachfolger als Nasi von Jehuda III., Enkel von Gamaliel IV..
- Rab Nachman bar Isaak († 356), Schüler von Abaje und Raba. Dekan der Akademie/Jeschiva von Pumbedita.
- Rab Idi bar Abin I., Schüler Chisdas, um 350, in Naresch, später in Schekhantsib
Die fünfte Generation (ca. 350–371 n.)
- Rab Papa († 375), Schüler von Abaje und Raba. Dekan der Akademie/Jeschiva von Naresch (nahe Sura).
- Rab Chama (Nehardea)
- Rab Huna b. Jehoschua
Die sechste Generation (ca. 371–427 n.)
- Rav Aschi († um 427), Schüler von Abaje, Raba und Rab Kahana. Dekan der Schule/Jeschiva in Mata Mehasia (= Sura). Einer der wichtigsten Erstredaktoren des babylonischen Talmud.
- Rabina I. († etwa 420), Schüler Rabas. Kollege von Rab Aschi in der Schule/Jeschiva von Mata Mehasia, wo er ihm auch bei der Redaktion des babylonischen Talmud half.
Die siebte Generation (ca. 425–500 n.)
- Rabina II. († um 500), Schüler von Rabina I. und Rab Aschi. Dekan der Jeschiva/Schule in Sura. Er schloss die Redaktion des babylonischen Talmuds ab.
Quellen/Literatur
- diverse Ausgaben Mischna und Gemara
- diverse Lexika und Enzyklopädien
- A. Hyman, sefer toldot tannaim we-amoraim, 3 Bde., London 1910
- M. Margolioth, Hg., Encyclopedia of Talmudic and Geonic Literature, being a Biographical Dictionary of the Tanaim, Amoraim and Geonim, 2 Bde., Tel Aviv 1960
- A. Weiss, Studies in the Literature of the Amoraim, New York 1962 (hebräisch)
- Stemberger, Günter: Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. Auflage, München 1992.
Links
- Gemara in the Talmud Map – University of Calgary
- Artikel „Amora“ in der Jewish Encyclopedia
Siehe auch
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