Judenporzellan

Judenporzellan

Hinter dem Begriff Judenporzellan verbirgt sich die wohl einschneidendste Sonderabgabe, der Juden im friderizianischen Preußen ausgesetzt waren. Durch Kabinettsbefehl vom 21. März 1769 hatte Friedrich II. (1712-1786) angeordnet, dass Juden bei der Neuvergabe bzw. Vererbung von Schutzbriefen sowie beim Erwerb von Immobilienbesitz für 300 Taler sowie bei Empfang eines Generalprivilegs für 500 Taler Porzellan aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) kaufen und ins Ausland exportieren sollten. Eine Umsetzung dieses Befehls hätte sich für zahlreiche jüdische Familien existenzbedrohend ausgewirkt, entsprachen diese Summen doch jeweils mehreren Jahresgehältern eines Berliner Manufakturarbeiters. Nachdem die Bürokratie die Verordnung deshalb aus ökonomischen Erwägungen heraus zunächst nur unvollkommen durchgesetzt hatte, führte eine erneute Intervention Friedrichs im Jahre 1779 jedoch zu einer drastischen Verschärfung der Verwaltungspraxis, wobei wirtschaftliche und demographische Einbrüche innerhalb der jüdischen Minderheit bewusst in Kauf genommen wurden.

Die pejorative Bezeichnung „Judenporzellan“ verdankt ihre Entstehung der Tatsache, dass die betroffenen Juden die ihnen aufgedrungene Ware auf den deutschen und europäischen Märkten mit großen Verlusten abstießen, was sich letztlich für die Berliner Manufaktur als in hohem Maße rufschädigend auswirkte. Vor diesem Hintergrund wurde der Porcellainexportationszwang nach dem Tode Friedrichs II. auf Initiative des neuen KPM-Chefs Friedrich Anton von Heinitz (1725-1802) 1787/88 aufgehoben, wofür die Judenschaft jedoch eine nochmalige Abstandssumme von 40.000 Talern zu entrichten hatte.

Insgesamt kam es auf Basis der Verordnung von 1769 zu rund 1.400 Zwangskäufen im Gesamtvolumen von 280.000 Talern, wobei das „Judenporzellan“ vornehmlich nach Mecklenburg, Hamburg und Osteuropa weiterverkauft wurde. Als erst im 19. Jahrhundert entstandene Legende entpuppt sich jedoch die populäre Anekdote, wonach Moses Mendelssohn anlässlich seiner Heirat gezwungen worden sei, 20 Affen aus Porzellan zu erwerben.

Literatur

  • Tobias Schenk: Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812) (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 39), Berlin 2010.
  • Tobias Schenk: Rzeczpospolita i Gdañsk jako rynki zbytu dla berliñskiej porcelany w drugiej połowie XVIII wieku/Die Adelsrepublik Polen und die Stadt Danzig als Absatzmärkte für Berliner Porzellan in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: „...łyżek srebrnych dwa tuziny“. Srebra domowe w Gdańsku 1700 – 1816/„...zwei Dutzend Silberlöffel”. Das Haussilber in Danzig 1700 – 1816, hg. v. Jacek Kriegseisen und Ewa Barylewska-Szymanska, Gdańsk 2007, S. 133–143, 145–153 (poln./dt.).
  • Tobias Schenk: Von der Spree an die Donau. Der „Porcellaineexportationszwang“ und das Judenporzellan des Jacob Schiff aus Bielefeld, in: Ravensberger Blätter (2/2008), S. 1–11.
  • Tobias Schenk: An den Grenzen der Aufklärung. Friderizianische Judenpolitik im Spiegel von Anekdoten um Moses Mendelssohn, in: Mendelssohn-Studien. Beiträge zur neueren deutschen Kulturgeschichte 16 (2009), S. 371–396 (zur Legende um Mendelssohns Porzellanaffen ebenda, S. 380-390).

Weblinks

  • [1] Liste der preußischen Juden, die zwischen 1769 und 1788 zum Kauf von Berliner Porzellan gezwungen wurden.

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