Jurisdiktionsprimat

Jurisdiktionsprimat

Als Papst-Primat (der oder das; lat. prīmatus: Vorrang, Vorzug), Primat des Papstes oder Petrus-Primat bezeichnet man die Vorrangstellung des Papstes in der römisch-katholischen Kirche und seinen Anspruch auf Führung des gesamten Christentums. Der petrinische Primat bezieht sich gleichermaßen auf das Innenverhältnis als auch auf das Verhältnis zu anderen Konfessionen. Dieser Anspruch führt sich auf den Apostel Simon Petrus, sein Bischofsamt in Rom und eine davon ausgehende ununterbrochene Apostolische Sukzession zurück.

Nach römisch-katholischer Lehre hat der Papst die höchste Rechtsgewalt (Jurisdiktionsprimat) und höchste Lehrgewalt (ex cathedra; suprema quoque magisterii potestas) in der Kirche. Beides wurde 1870 mit dem Dogma der Unfehlbarkeit untermauert.

Inhaltsverzeichnis

Römisch-katholische Definition

Das Erste Vatikanische Konzil definiert den Jurisdiktionsprimat folgendermaßen:

„Wer also sagt, der römische Bischof habe nur das Amt einer Aufsicht oder Leitung und nicht die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche – und zwar nicht nur in Sachen des Glaubens und der Sitten, sondern auch in dem, was zur Ordnung und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche gehört –; oder wer sagt, er habe nur einen größeren Anteil, nicht aber die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt, oder diese seine Gewalt sei nicht ordentlich und unmittelbar, ebenso über die gesamten und die einzelnen Kirchen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und Gläubigen, der sei ausgeschlossen.“

Im Kodex des Kanonischen Rechts, Kanon 331 von 1983, lautet die Definition:

„Der Bischof der Kirche von Rom, in dem das vom Herrn einzig dem Petrus, dem Ersten der Apostel, übertragene und seinen Nachfolgern zu vermittelnde Amt fortdauert, ist Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden, deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann.“

Allerdings wird die einschlägige Stelle in der Konstitution Pastor Aeternus im Gegensatz zum Unfehlbarkeitsdogma nicht mit der für dogmatische Definitionen üblichen Formel declaramus et definimus oder vergleichbaren Formulierungen eingeleitet, sondern mit declaramus et docemus. Es kann also bezweifelt werden, ob es sich bei dem Primat im strengen Sinn um ein Dogma handelt.[1]

Begründungen aus dem Neuen Testament

Die Bibelstelle, mit der die Päpste ihren Primatsanspruch vor allem begründen, ist Matthäus 16,18f EU: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“

Der obengenannte Bibeltext im Zusammenhang:

13 Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: ‚Für wen halten die Leute den Menschensohn?‘
14 Sie sagten: ‚Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.‘
15 Da sagte er zu ihnen: ‚Ihr aber, für wen haltet ihr mich?‘
16 Simon Petrus antwortete: ‚Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!‘
17 Jesus sagte zu ihm: ‚Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. 19 Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was immer du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was immer du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.‘“

Mt 16,13–19

Ob es sich um ein „echtes“ Jesuswort handelt, wird unterschiedlich beurteilt. Unumstritten ist, dass dieses Wort die Leitungsfunktion des Apostels Petrus in der Urgemeinde  – allein oder zusammen mit Jakobus, Johannes, und anderen Aposteln  – widerspiegelt. Es ist auch, neben Mt 18,17 EU, die einzige Stelle in den Evangelien, wo das Wort „ekklesia“ (Gemeinde, Kirche) vorkommt. Hier werden also Struktur- und Autoritätsfragen der frühen Christenheit reflektiert.

Von einigen protestantischen Autoren, die die Stelle für ein echtes Jesuswort halten, wird eingewendet, dass Jesus Christus hier nicht von Petrus, sondern von sich selbst spreche. Also sei laut Jesu’ Aussage Jesus Christus selbst der Felsen, auf den die Gemeinde gebaut ist. Dies wird unter anderem durch einen Verweis auf 1.Korinther 3,11 begründet: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Eine weitere Stelle, die zur Begründung des Primats herangezogen wird, ist Johannes 21,15ff EU, wo Jesus an Petrus gerichtet unter anderem sagt: „Weide meine Lämmer  … weide meine Schafe“.

Einige Autoren sind der Meinung, dass Jesus hier nicht von Simon Petrus spreche, sondern von „Offenbarung“. Sie sagen, dass der Felsen der Kirche Offenbarung von Gott sei und nicht der Apostel Petrus. Somit beziehe sich Jesus auf Matthäus 16,17: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Jesus macht dann im folgenden Vers 18 von einem Wortspiel Gebrauch, denn Petrus wurde Kephas genannt, was übersetzt Felsen bedeutet. So führte Jesus in diesem Vers den Namen Petrus als Gleichnis an, um sich dann auf den Vers zuvor zu beziehen.

Historische Entwicklung

Frühe Kirche

In der Frühzeit der Kirche bildeten sich, der römischen Verwaltungsstruktur entsprechend, fünf Patriarchate heraus. Das römische Patriarchat deckte dabei das gesamte Gebiet des Weströmischen Reiches ab.

Die frühe Kirche hat dem Patriarchat von Rom gegenüber den anderen Patriarchaten ein Ehrenprimat oder „Primat der Liebe“ zugestanden – eine Ehrenstellung im Sinne eines Primus inter Pares („Erster unter Gleichen“), die aber weder einen qualitativ höheren Rang beinhaltete noch das Recht, ungefragt in die inneren Angelegenheiten anderer Patriarchate einzugreifen.

Die römische Kirche war in den ersten Jahrhunderten die Kirche der Hauptstadt, war allgemein geachtet, da sie die Gräber der „Apostelfürsten“ Paulus und gemäß aufkommender Überlieferung auch Petrus beherbergte und hatte eine hohe moralische Autorität. Ihr wird von den übrigen Kirchen ein Ehrenprimat gegeben. Die Petrusverheißung gemäß Matthäus 16,18 wird jedoch in der ganzen christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte nur einmal zitiert: bei Tertullian, der die Stelle aber nur auf Petrus, nicht auf Rom bezieht.

Von Klemens von Rom ist ein Brief an die Korinther überliefert, mit dem er Streitigkeiten der dortigen Gemeinde zu schlichten versucht. Der Brief aus dem ersten Jahrhundert zeigt, dass sich Klemens auch für andere Gemeinden verantwortlich fühlte, auch wenn er darin keine explizite Jurisdiktion einfordert.

Der römische Bischof Viktor I. (189–199) exkommunizierte ganz Kleinasien wegen des Ostertermins, traf dabei aber auf den Widerstand der übrigen Bischöfe, insbesondere auch des hochangesehenen Irenäus von Lyon und erlitt insofern eine Niederlage. Daneben exkommunizierte der energische Bischof einen gewissen Theodotus von Byzanz aus theologischen Gründen und enthob den gnostischen Priester Florinus seines Amtes; daneben verurteilte er den sogenannten Adoptianismus. Viktor nahm so die Jurisdiktionsgewalt auch für andere Gemeinden mehrmals in Anspruch und wurde zum ersten Bischof von Rom, dessen Primatsanspruch zum einen klar gefasst war, zum anderen geschichtlich dokumentiert ist.

Der erste römische Bischof, der sich auf die Petrusverheissung berief, war Stephan I. (254–257) in der Auseinandersetzung mit Cyprian von Karthago, doch er konnte sich damit nicht gegen Cyprian und die Bischöfe von Alexandria und Caesarea durchsetzen.

Ein westliches Konzil in Sardika 343 erlaubt abgesetzten Bischöfen die Appellation nach Rom. Der Entscheid wird von Julius I. (337–352) als Beschluss von Nicäa ausgegeben, ist dort aber nirgends erwähnt.

Damasus I. (366–384) interpretiert als erster die Petrusverheißung juristisch um für die römische Kirche eine Monopolstellung zu begründen. De facto hat jedoch sein Zeitgenosse Ambrosius, der Bischof von Mailand, wesentlich mehr Einfluss in der Kirche. Der Nachfolger von Damasus, Siricius, (384–399) nennt seine Statuta „apostolisch“ und übernimmt im Verkehr mit den übrigen Kirchen den Amtsstil der kaiserlichen Kanzlei.

Das erste Konzil von Konstantinopel 381 weist dem Bischof von Neu-Rom (Konstantinopel) den zweiten Rang nach dem des alten Rom zu.

Bonifatius I. (418–422) verbietet weitere Appellationen nach einem Entscheid von Rom und bezeichnet Rom als apostolicum culmen, die apostolische Spitze. Sein Zeitgenosse Augustinus von Hippo weiß jedoch nichts von Jurisdiktionsprimat Roms, für ihn ist, wie für die übrige damalige Kirche, die höchste Instanz das ökumenische Konzil.

Im dritten ökumenischen Konzil von Ephesos 431 wird Papst Coelestin I. von einer dreiköpfigen römischen Delegation als Nachfolger von Petrus dem Haupt der Apostel bezeichnet, das findet jedoch in den Konzilsentscheiden keinen Widerhall.

Leo der Große (440–461) arbeitet die römische Primatidee voll aus, begründet durch Matthäus 16,18 und das römische Erbrecht. Im Konzil von Chalcedon 451 wird jedoch dem Patriarchat von Konstantinopel der gleiche Primat zuerkannt wie der alten Reichshauptstadt – Leo anerkennt das Konzil erst zwei Jahre später.

Gregor der Große (590–604) wird im ersten Vatikanischen Konzil als höchster und universaler Hirte zitiert. Im Zusammenhang schreibt er jedoch an den Patriarchen Eulogios von Alexandria: „Ich habe nicht befohlen, sondern auf das, was mir nützlich erschien, hinzuweisen versucht … Ich halte nicht das für eine Ehre, von dem ich weiß, dass es meinen Brüdern die Ehre raubt. Meine Ehre ist die Ehre der ganzen Kirche. Meine Ehre ist die feste Kraft meiner Brüder. Dann werde ich wahrhaft geehrt, wenn einem jeden von ihnen die schuldige Ehre nicht verwehrt wird.“ Im ersten vatikanischen Konzil wird nur der kursive Teil aufgeführt.

Mittelalter

Als Gegendienst für die Krönung zum fränkischen König schenkt Pippin dem Papst das von den Langobarden zurückeroberte Exarchat Ravenna und weitere Ländereien, was von Rom mit der gefälschten Konstantinischen Schenkung begründet wird (womit ein ebenfalls existierender Rechtsanspruch des byzantinischen Kaisers abgewiesen wurde). Die Krönung eines westlichen Kaisers im Jahr 800 gab dem Papst einen weiteren Prestigegewinn und Einfluss auf die fränkische Staatskirche.

Das nur von der katholischen Kirche anerkannte, während des Photius-Schismas von Papst Nikolaus I. einberufene vierte Konzil von Konstantinopel stellt im Jahr 869 fest: „Und da der Ausspruch unseres Herrn Jesus Christus nicht unerfüllt bleiben kann: ‚Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen‘, so bewahrheitet sich dieses Wort durch dessen Auswirkungen: denn beim Apostolischen Stuhl wurde die katholische Religion stets unversehrt bewahrt und die heilige Lehre verkündet. Von seinem Glauben und seiner Lehre wollen wir niemals getrennt sein werden, und wir hoffen, dass wir würdig sind, in der einen Gemeinschaft zu leben, die der Heilige Stuhl verkündet.“

Zehn Jahre später, wird am gesamtkirchlichen, auch das von Johannes VIII. anerkannten Konzil von 879 in Konstantinopel die Jurisdiktion des Papstes für den Westen voll anerkannt, für die übrigen Patriarchate aber klar abgelehnt.

Leo IX. und Morgenländisches Schisma …

Lückenhaft In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen folgende wichtige Informationen: Morgenländisches Schisma

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Nikolaus II. (1058–1073) lässt sich als erster Papst mit der Tiara krönen.

Gregor VII. (Hildebrand) verfasste den Dictatus Papae, 27 Lehrsätze über den Primat des Papstes, die er auch – beispielsweise im Investiturstreit – in die Praxis umsetzt. Darin heißt es:

„I. Die römische Kirche wurde allein durch den Herrn gegründet.
II. Nur der römische Bischof wird zu Recht universal genannt.
III. Sein Bevollmächtigter steht in einem Konzil über allen Bischöfen, selbst wenn er ihnen durch seine Weihe unterlegen ist, und er kann gegen sie eine Absetzungsformel aussprechen.
IX. Der Papst ist der einzige Mensch, dem alle Fürsten die Füße küssen.
X. Er ist der einzige, dessen Name in allen Kirchen ausgesprochen wird.
XII. Er kann Kaiser absetzen.
XVII. Keine allgemeine Synode kann ohne seine Zustimmung ausgesprochen werden.
XVIII. Sein Urteil darf von niemandem verändert werden, und nur er kann die Urteile aller abändern.
XIX. Er darf von niemandem gerichtet werden.
XXI. Alle causae majores jeder Kirche müssen ihm vorgetragen werden.“

Innozenz III. (1198–1216) erlässt die Bulle Venerabilem, die dem Papst das Recht gibt, Könige zu wählen und auch das Recht zu entscheiden, ob sie qualifiziert sind oder nicht. Am vierten Laterankonzil proklamiert er, dass das päpstliche Primat von der gesamten Antike anerkannt worden sei.

Das 2. Konzil von Lyon unter Gregor X. erklärt im Jahr 1274:

„Die Heilige Römische Kirche besitzt den höchsten und vollen Primat und die Herrschaft über die gesamte katholische Kirche. Sie ist in Wahrheit und Demut bewußt, dass sie diesen Primat vom Herrn selbst – im heiligen Petrus, dem Fürst und Haupt der Apostel, dessen Nachfolger der Römische Papst ist – mit der Fülle der Gewalt erhalten hat. Und wie sie vor allen anderen zur Verteidigung der Glaubenswahrheiten verpflichtet ist, so müssen auch alle auftauchenden Fragen über den Glauben durch ihr Urteil entschieden werden.“

Trotz Druck des Kaisers werden die Beschlüsse des Konzils in der Ostkirche nicht anerkannt.

Bonifatius VIII. erlässt im Zusammenhang mit seinem Konflikt mit Philipp IV. dem Schönen 1302 die Bulle Unam sanctam. Sie stellt den Höhepunkt päpstlichen Machtanspruchs dar und bewegt den deutschen Kaiser dazu, den Papst noch im gleichen Jahr arrestieren zu lassen, um die Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt zu demonstrieren.

„…Aber diese Autorität, obwohl sie einem Menschen gegeben und von einem Menschen ausgeübt wird, ist nicht menschlich sondern göttlich und wurde durch das Göttliche Wort an Petrus selbst und in ihm an seine Nachfolger gegeben, Petrus, den der Herr als festen Felsen bestätigte, als er ihm sagte? Was immer du auf Erden binden wirst (Mt 16,19 EU). Deshalb, wer immer sich dieser von Gott eingesetzten Macht widersetzt, widersetzt sich Gott (siehe Röm 13,2 EU). Im weiteren erklären, definieren und proklamieren wir jedem menschlichen Geschöpf, dass sie ganz dem römischen Pontifex untertan sind, was für ihre Rettung notwendig ist.“ (Porro subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae declaramus, dicimus, definimus, et pronuntiamus omnino esse de necessitate salutis.)

Das Konzil von Konstanz erklärt 1415 im Dekret Haec Sanctam, dass das Konzil über dem Papst steht, siehe Konzil von Konstanz.

1493 schenke Alexander VI. den spanischen Königen mit der Bulle Inter caetera neu entdeckte Länder in Amerika. Hiermit erhob sich der Papst über die Rechte nichtchristlicher Völker.

Auf dem fünften Laterankonzil 1516 erklärt Leo X.: „Der zur Zeit existierende römische Pontifex, der die Autorität über alle Konzilien besitzt …“ Die Allgemeingültigkeit dieses Papstkonzils wurde jedoch schon damals bestritten, da es praktisch nur von Italienern und Kurienkardinälen besucht war.

Sicht anderer Kirchen

In der Alten Kirche war der Vorrang des Bischofs von Rom allgemein anerkannt, so zum Beispiel in Kanon III des ersten Konzils von Nizäa oder Kanon xxxvi des Konzils von Trullo. Allerdings wurde unter diesem Vorrang der Ehrenplatz eines Primus inter Pares verstanden, der keinerlei Jurisdiktion über andere Patriarchate einschloss. Das ist bis heute die Haltung der orthodoxen Kirchen. So sagte Nicetas, der Erzbischof von Nikomedien 1154 an einer Disputation zu Anselm von Havelberg:

„Wir verweigern der römischen Kirche nicht das Primat unter den fünf Schwesterpatriarchaten, und wir erkennen ihr Recht auf den Ehrenplatz an einem ökumenischen Konzil an. Aber sie hat sich durch ihre Taten von uns getrennt, als sie aus Stolz eine Monarchie behauptete, die ihrem Amt nicht zukommt … Wie können wir Dekrete von ihr annehmen, die herausgegeben wurden, ohne uns zu konsultieren und sogar ohne unser Wissen? Wenn der römische Pontifex auf dem hohen Throne seines Ruhms sitzend uns anzudonnern und von oben herab seine Befehle gegen uns zu schleudern wünscht, wenn er über uns zu richten und uns und unsere Kirchen zu beherrschen wünscht, nicht indem er mit uns berät sondern nach seinem willkürlichen Belieben, was für eine Art von Bruderschaft oder sogar Vaterschaft kann das sein? Wir wären die Sklaven, nicht die Söhne einer solchen Kirche, und der römische Stuhl wäre nicht die fromme Mutter von Söhnen sondern eine harte, anmassende Gebieterin von Sklaven.“

Christian History: Imperious Mistress?

Außerhalb der römisch-katholischen Kirche wird Matthäus 16,18 nur auf den Apostel Petrus oder, im Zusammenhang mit der Parallelstelle Mt 18,18 EU, auf alle Apostel, alle Geistlichen oder alle Christen bezogen. Die These, dass der Bischof von Rom einziger Rechtsnachfolger von Petrus ist und daher diese Leitungsfunktion über die ganze Kirche „erbt“, ist nur in der römisch-katholischen Kirche anerkannt.[2]

Ein „Petrusamt“ im Dienst der Einheit der Kirchen halten auch manche nicht-römisch-katholische Theologen für wünschenswert. Jurisdiktionsprimat und absolute Lehrvollmacht (Unfehlbarkeit), wie sie der Papst in der römisch-katholischen Kirche ausübt, werden aber entschieden abgelehnt und als Hindernis zur Einheit der Kirchen angesehen.

Römische Sicht

Aus römisch-katholischer Sicht zur Lehre von der Kirche, wie sie im der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ des II. Vatikanischen Konzils ihren Ausdruck gefundet hat, muss der Päpstliche Primat als theologisches Erfordernis aufgefasst werden, um dem Christentum in der öffentlichen Sphäre den Vorrang vor den Ansprüchen der Staaten und der gesellschaftlichen Ordnung einzuräumen.

Die genaue historische Entwicklung ist demgegenüber zweitrangig. Da die römisch-katholische Kirche von einer Realpräsenz Jesu Christi in der Geschichte der Kirche ausgeht, die sich in den Sakramenten, aber auch in definitiven Entscheidungen der Kirche zeigt, argumentiert der römische Katholizismus nicht allein aus der Heiligen Schrift sondern auch von der Tradition her. Im ökumenischen Dialog wird das stark rechtlich gefasste, somit typisch römische Verständnis des Primats seitens der anderen Konfessionen jedoch weiterhin abgelehnt. Die sichtbare Präsenz des Christentums gegenüber Staat und Politik durch das heutige, auf seinen geistlichen Auftrag konzentrierte Papsttum wird aber inzwischen auch von manchen nicht-römisch-katholischen Theologen positiver gewürdigt als in der Vergangenheit.

Literatur

Neues Testament
  • Paul Hoffmann: Der Petrus-Primat im Matthausevangelium: NT und Kirche; in: Festschrift Rudolf Schnackenhurg, Freiburg/Basel
Orthodoxie
  • Matthis Thurneysen: Der Primat des Petrus in der orthodoxen Kirche; Bibliothek für orthodoxe Theologie und Kirche, 1: Zürich: EVZ-Verlag, 1961
Historische Ausgaben
  • Johann Fr. Rothensee Kupferberg: Der Primat des Papstes in allen christlichen Jahrhunderten, 3 Bände; 1836–1838; Herausgeber: Andreas Räß, Nikolaus Weis, 1836
  • Johann Frohschammer: Der Primat Petri und des Papstes. Zur Beleuchtung des Fundamentes des römischen Papstherrschaft; Elberfeld: Verlag Eduard Loll, 1875
Papsttum
  • Georg Schwaiger: Päpstlicher Primat und Autorität der Allgemeinen Konzilien im Spiegel der Geschichte; ISBN 350674786X
  • Marcus Schumacher: Der Primat des Papstes - Die Krise des Primates im Zeitalter von Schisma und Konziliarismus, Grin Verlag, 2007, ISBN 3638795403
  • Reinhard Gahbauer: Gegen den Primat des Papstes. Studien zu Niketas Seides: Edition, Einführung, Kommentar, ISBN 3878211317

Weblinks

Einzelbelege

  1. Heinrich Denzinger, Peter Hünermann: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Lateinisch - Deutsch: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Herder, 3. Auflage. Freiburg im Breisgau 2009, ISBN 3451285207
  2. Haltung der EKD

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