- Jüdische Gemeinde Hamm
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Die Geschichte der Juden in Hamm beginnt im Jahre 1327, als Bischof Gottfried von Osnabrück dem ersten Juden die Ansiedlung in der hundert Jahre zuvor gegründeten Stadt Hamm gestattete. Das Verhältnis zwischen Hammer Juden und der restlichen Bevölkerung war, wie in Deutschland üblich, von Spannungen und gegenseitigem Misstrauen geprägt. Dennoch waren die Juden über Jahrhunderte unverzichtbare Geldgeber der Obrigkeit. Im Jahre 1938 wurde die Synagoge Hamms im Rahmen der Novemberpogrome zerstört. Die Juden in Hamm wurden während der NS-Herrschaft ihrer Existenzgrundlage beraubt und deportiert, sofern sie sich nicht durch Flucht ins Ausland retten konnten. Ihre Zahl ist inzwischen so stark geschrumpft, dass sie keine eigene Gemeinde mehr bilden. 1953 schlossen sich die wenigen verbliebenen Hammer Juden der jüdischen Gemeinde Groß-Dortmund an.
Inhaltsverzeichnis
Jüdisches Leben in Hamm
Schon einhundert Jahre nach der Gründung der Stadt im Jahre 1226 haben Juden in Hamm gelebt. Der erste namentlich erwähnte Einwohner jüdischen Glaubens hörte auf den Namen Godschalcus. Er erhielt am 15. Juni 1327 einen Schutzbrief des Bischofs Gottfried von Osnabrück, der in diesem Jahr mehrere Juden in Schutz nahm. Goldschalcus de Hommone (Hamm) hatte dafür einen Jahreszins von sechs Solidi zu entrichten, Secelinus de Hammone einen Zins von 1 Mark. Graf Engelbert III. von der Mark verlieh im Jahre 1348 in einem Schutzbriefe den Juden in Unna das gleiche Recht, wie es die Juden in Hamm, Unna und Kamen hatten. Im Jahre 1350 wurde Hamm von der großen Pest heimgesucht. Diese sollen nur sieben Familien überlebt haben. Im Zusammenhang mit der Pest kam es zu einer ersten Judenvertreibung in Hamm; die Juden wurden aus Hamm verjagt, getötet und verbrannt. Ihre Güter wurden vom Landesherren eingezogen.
Anfang des 15. Jahrhunderts waren wieder Juden in Hamm ansässig, den König Ruprecht verlieh 1408 seiner Schwester Anna den goldenen Opferpfennig derselben[1].
Ab dem Jahre 1409 kam es zum Streit zwischen Herzog Adolf IV. (Kleve-Mark) und seinem Bruder Gerhard von der Mark zu Hamm, der die Grafschaft Mark für sich beanspruchte und sich mit Dietrich II. von Moers, dem Erzbischof von Köln, verbündet hatte. Am 14. März 1419 schlossen Gerhard von Kleve und von der Mark, die in Hamm ansässige Ritterschaft und die Stadt Hamm ein Bündnis gegen Herzog Adolf von Kleve. Gerhard von Kleve und von der Mark versprach der Stadt Hamm die Bestätigung ihrer bisherigen Privilegien, falls er Landesherr werden sollte. Dazu gehörte auch der Verzicht auf die weitere Befestigung seines Stadtschlosses, was die relative Autonomie der Stadt Hamm stützen sollte. In Hamm regte sich, wie überall in Deutschland, Widerstand gegen die Niederlassung der Juden. Deshalb sicherte Gerhard außerdem zu, keinem Juden Aufenthalt zu gewähren. Dadurch bedingt kam es zur zweiten Judenvertreibung in Hamm. In einer Urkunde Gerhards vom 13. November 1419 heißt es: „Es sollen keine Juden in Hamm wohnen, und wir sollen ihnen darin keine Freiheit geben“ („bynnen dem Hamme neyne (keine) joden wonen, und den en sole wij dar neyne vryheit en bynnen geven“).
Aber schon im Jahre 1430 gestattete derselbe Graf Gerhard von der Mark mit Genehmigung von Bürgermeister, Rat und der ganzen Gemeinde dem Juden Leon, sechs Jahre lang in Hamm zu wohnen. Dabei gab er der Stadt die Versicherung, dass dies den Bürgern nicht „an ihren Priviliegien, Briefen und Gewohnheiten, die dadurch nicht gekränkt und auch nicht in einem Punkt außer Acht gesetzt sein sollen, hinderlich sein darf“. Gleichzeitig verpflichtete er sich, „keine anderen Juden dort zuzulassen, noch Leon länger als sechs Jahre wohnen zu lassen, es sei denn mit Genehmigung seiner lieben Bürger“ („id en were dan mit der selver unser lyever burger wille sunder argelist“). Während der Regierungszeit des Herzogs Adolf IV., im Laufe der Soester Fehde, gab sein ältester Sohn Johann I. (Kleve) durch eine Urkunde vom 5. Juni 1447 der Stadt Hamm das Privileg, „dass binnen der Stadt zum Hamme keine Juden jemals wohnen sollen“, und als er nach dem Tode seines Onkels Gerhard die Regierung in der Mark übernommen hatte, bestätigte er diese Zusicherung durch Urkunde vom 13. August 1462. Allmählich gingen die Rechte des Landesfürsten mehr und mehr auf die Bürgerschaft über. Erst 1560 durften sich wieder Juden in Hamm ansiedeln.
In einem Briefe der Bürgermeister und des Rats von 1604 tun diese kund, dass sie mit Zustimmung der ganzen Gemeinde den Juden Moses und Leon mit ihren Angehörigen auf zwölf Jahre Geleit geben. Nur diesen beiden Männer ist es erlaubt, Geld zu leihen und Zinsen zu nehmen. Das Leihgeschäft wird durch besondere Vorschriften genau geregelt. Die Stadt will ihnen bei der Beitreibung behilflich sein. Die Juden unterstehen der Gerichtsbarkeit des Rats und des ordentlichen Gerichtes. Für die Zulassung und Vergleitung auf zwölf Jahre zahlen Moses und Levi für sich und ihre Angehörigen 1.150 Reichstaler. Nach Ablauf dieser Zeit können sie noch ein Jahr in Hamm bleiben, um ihr ausgeliehenes Geld einzuziehen und ihre Angelegenheiten zu regeln, ohne aber in der Zeit noch Wucher zu treiben.
Von dem Streben, die Juden aus der Stadt fern zu halten, ließ sich die Bürgerschaft auch auf ihren Jahresversammlungen leiten und stellte daher siebzehn Jahre später, am 5. Mai 1621 an den Rat den Antrag: „Es ist der Gemeinheit (Bürgerschaft) gänzliche Meinung, dass nach langer geschehener Vergünstigung die Juden ganz und gar zur Stadt hinausgebracht werden mögen, da dieselben von der Bürgerschaft nicht länger geduldet werden können“. Auch nach dem Übergang der Grafschaft Mark an Brandenburg-Preußen war der Stadt von dem kurfürstlichen Statthalter Moritz von Nassau „vermöge dero Hand und Siegel“ im Jahre 1661 versprochen worden, dass keine Juden nach Verlauf der bewilligten Jahre ohne ausdrückliche Genehmigung weiter geduldet werden sollten. Die Petition hatte, wie K. Maler sagt, keinen Erfolg. Seit dieser Zeit mehrte sich die Zahl der jüdischen Familien. Als aber die Bürgerschaft 1665 in Erfahrung brachte, „dass die hiesigen Juden von seiner Kurfürstlichen Durchlaucht einen Befehl auf einige neue Begleitungsjahre erschlichen hätten“, wurde der Rat beauftragt, beim Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. zu erwirken, „dass diese mögen verwiesen werden, weil sie der Stadt hochschädlich sind“.
Wie sich hieraus schon ergibt, fanden die Juden meist bei den Landesherren Schutz. Mit dem Übergang der Regalien an die Landesherren war diesen auch der Judenschutz (auch Judengeleit genannt) zugefallen, wofür sie Schutzgeld von den Juden bezogen. Dazu kommt, dass die Juden unentbehrliche Geldgeber der Landesherren wurden, zumal die letzten Herzöge von Kleve schlecht Wirtschafter waren. So hatte gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Stadt Hamm für den Landesherrn eine Bürgschaft von 20.000 Talern übernommen. Als nun ein Jude die zweite Hälfte dieser Summe zusammenbringen sollte und mit der Bürgschaft der Stadt Hamm durch das Land zog, schrieb der Rat empört an den Landesherren, „dass wir zu unseres gnädigen Fürsten und Herrn und unserer Verkleinerung und Verunglimpfung einem Juden und Landfahrer unsere offenen Patente und Schein zur Aufbringung des Geldes allenthalben auszutragen vertrauen und mitteilen sollen, wie wir bei Aufbringung der vorigen 10.000 Reichstaler uns nicht wenig beklagt haben, dass wir mit solchen verdächtigen Leuten bemüht und beladen worden, da doch Ihre Fürstlichen Ganden andere Diener und Untertanen genug haben, die in solchen wichtigen Sachen besser und rühmlicher zu gebrauchen sind. Denn dem vorigen Juden mussten außer der Zehrung, die sich auf 200 Reichtstaler belief, noch 400 Reichstaler gegeben werden, welches Geld besser gespart worden wäre, da die Sache mit geringeren Kosten durch andere hätte verrichtet werden können“.
Auch die Stadt ließ allmählich trotz der Abneigung der Bürgerschaft die Juden zu, da sie sich als Geldverleiher der Stadt in Zeiten der Not unentbehrlich gemacht hatten. Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts Hamm während der Kriege Ludwig XIV. (Frankreich) mehrere Jahre von den Franzosen besetzt gehalten wurde und unter Erpressungen zu leiden hatte, lieh ihr der Jude Simon Nathan in den dringendsten Nöten 1672, 1673, 1674 und 1679 Geld, ebenso die Judenschaft 1680 40 Stück Louis-neufs und 1684 der Jude Jordan Simon zwei Kapitalien von 32 und 30 Reichstalern. Dazu kam, dass die Stadt auch das Schutzgeld einzog, sodass sie den Aufenthalt der Juden in der Stadt als Steuerquelle benutzte. So bezahlte um 1680 eine jüdische Witwe für sich, ihren Sohn und Schwiegersohn jährlich 34 Taler Geleitsgelder in die Stadtkasse. Auch als Geldwechsler und vor allem als Bankiers machten sie sich unentbehrlich, sodass in der neueren Zeit die Versuche aufhörten, die Juden auszuweisen.
Noch dem Übergang von Kleve-Mark an Brandenburg-Preußen trat eine Änderung zunächst dadurch ein, dass an die Stelle der Einzelattribute ein Gesamtattribut für Kleve-Mark festgelegt wurde, den die Juden auf die einzelnen jüdischen Familien selbst verteilen sollten. Zu diesem Zwecke wurde für die ganze Grafschaft Mark ein Vorsteher der Judenschaft gewählt, der nach einer Verordnung von 1696 darauf achten sollte, dass die vorgeschriebene Zahl der zugelassenen Judenfamilien nicht überschritten, die Tribute pünktlich bezahlt und die Kommerzien gefördert würden. Von 1763 bis 1784 bzw. 1792 war Judenvorsteher für die Grafschaft Mark Anchel Herz in Hamm, von dem der Steurrat Nattermöller lobend erwähnte, das er die Abgaben stets pünktlich abgeliefert hätte. Er rühmt auch sein „uneigennütziges und recht patriotisches Verhalten“, weil er Gelder zum Einkauf von Lebensmitteln in Holland für die Garnison zur Zeit der Teuerung aus freien Stücken unzinsbar hergegeben hatte. Die Zahl der Juden blieb auch jetzt noch beschränkt, daher wurde auch nur die Heirat eines Sohnes gestattet, und zwar in der Regel des ältesten, der das Privileg beim König einholen musste. Seit 1730 wurde statt des Geleites auf bestimmte Jahre den vergleiteten Juden der dauernde Aufenthalt zugestanden.
Unter Friedrich Wilhelm I. wurde den Juden auch über die festgesetzte Zahl der zugelassenen Familien die Niederlassung im Lande gestattet, wenn sie ein bedeutendes Vermögen mitbrachten, um auf diese Weise Handel und Verkehr und damit die Einnahmen des Staates zu heben. Infolgedessen stieg die Zahl der jüdischen Familien in Kleve-Mark von 40 auf 150. Auch in Hamm nahm die Zahl der Juden zu, sodass sie schon 1722 eine eigene Judenschule und 1768 eine Synagoge hatten.
Da die Juden auf „christlichem Gottesacker“ nicht bestattet werden durften, wurde ihnen ein Friedhof, zu dem die Judengasse führte, auf dem Nordenwall zwischen dem königlichen Schloss oder Renteihof und dem Mönchskloster zugewiesen. In der Nähe dieses Standortes, der 1 1/2 Meter über dem Wall gelegen und ursprünglich durch eine hohe Mauer geschützt war, befand sich auch das damalige Gefängnis. Es steht historisch fest, dass die Grafen von der Mark, trotz des Widerstrebens der Bürger, den Juden auf ihrer gräflichen Besitzung am Nordenwall stets Schutz und Unterkunft gewährt haben. Wie andere Grafen, etwa die Grafen von Tecklenburg in Rheade auf ihrem Schlossgrunde den Juden Freiheit und Ausübung ihrer Religion gestatteten, so haben auch die Grafen von der Mark auf der Stadtburg Hamm den Juden Sicherheit und Schutz gewährt. Der jüdische Friedhof an der Nordseite des Gefängnisses, der sich über Jahrhunderte erhalten hat, legt dafür Zeugnis ab. Bis etwa um 1800, als der Ostenfriedhof durch die Bemühungen des Bürgermeisters Möller angelegt wurde, haben die Hammer Juden ihre Toten stets auf dem gräflichen Grundstück am Nordenwall beerdigt. Dies belegt eine Urkunde aus dem Jahre 1768, in der General von Wolffersdorf, der Bewohner des gräflichen Schlosses oder Renteihofes und die jüdische Gemeinde Abmachungen über die die Besitzverhältnisse des Friedhofs getroffen haben.
Der jüdische Friedhof war früher von einer Mauer umgeben, die allmählich verfallen war, sodass das Gelände als Holzplatz des angrenzenden Renteihofes benutzt wurde. Als nun die Zahl der Juden in Hamm auf elf Familien angewachsen war, schlossen diese durch ihren Vorsteher An(s)chel Herz mit Karl Friedrich von Wolffersdorff einen Vertrag, dass dieser um den Judenfriedhof für 300 Reichtstaler eine Mauer ziehen sollte, damit „dieser Platz zu keinem anderen Zwecke bestimmt sein sollte als zum heiligen Gebrauch, die Gebeine ihrer Voreltern darauf bis zur Ewigkeit zu bewahren und ihre Grabstätte allda zu haben, und niemand wie von alters her, so auch jetzt das geringste Recht daran habe oder sich anmaßen dürfe“. Dieser Vertrag zwischen der Judenschaft in Hamm und dem General von Wolffersdorff wurde am 24. Juli 1768 vom Kammerdeputationskollegium in Hamm bestätigt. Es heißt darin außerdem:
„Da wir bisher aus Mangel des Platzes, weil (wir) den Hofraum (des Schlosses) zu Er. Majestät Dienst, (nämlich) die Paraden darauf zu exerzieren, brauchen müssen, gezwungen wurden, das Brennholz gleich am Schloss oder sogenannten Rentei-Hof auf dem Wall, wo jedoch die löbliche Judenschaft seit undenklichen Jahren ihren Kirchhof gehabt, zu legen, dermalen aber diese Königliche geschützte und privilegierte Judenschaft willens (ist), eine Mauer um ihren auf dem Nordenwall gelegenen Kirchhof wie vorhin zu ziehen: So ist dato (jetzt) von dem Oberältesten und Vorsteher der Märkischen Judenschaft, Herrn Amschel Herz, solches mir vorgestellt und demnach unter uns verabredet, dass zu keinen Zeiten dieser Platz als zum Heiligen Gebrauch, die Gebeine ihrer Voreltern darauf bis zur Ewigkeit zu bewahren und ihre Grabstätte alldort zu haben, definiert sein solle, und niemand dran wie von alters her als auch jetzt das geringste Recht habe oder sich anmaßen dürfe, wie denn sofort auch alles Holz davon wie Rechtens werde räumen lassen, und da auch vorhin eine Mauer um selbigen gewesen, so habe mich zugleich hierdurch auf das bündigste anheischig gemacht, für die Summe von 300 Talern, als 200 Taler Tourant und 100 T. Louisd`or, über deren Empfang zugleich quittiere, eine Mauer um diesen von jeher gehabten und von der löblichen Judenschaft ganz ungestört besessenen Kirchhof ziehen zu lassen, als nämlich in der Länge des Kirchhofs von vier Fuß hoch über der Erde auf demselben Grund, wo ehedem die Mauer gewesen, welche anfängt gleich an der Mauer des sogenannten Schloss- oder Renteihofes bis inklusive an das Kloster, wo die sogenannte Judengasse vom Walle ihren Anfang nimmt, dass nach Messung des Kgl. Herrn Landbaumeisters Risse der Juden Kirchhof nach dem Renteihof oder OStenseite 23 Reinfuß breit ist und in der Mitte 16 Reinfuß und unten nach der Westseite 16 Reinfuß und die ganze Länge vom Schloss oder Renteihof bis nach der Judengasse 194 1/2 Fuß halte, und da zu dieser Mauer die Steine, Kalk, Sand und Leimen (?) auch Mauer- und Handlangerlohn selbst bar bezahlte (bezahlten) ungefähr so hoch, wie oben erwähnt, sich auch belaufen wird, so rekuriere zugleich auf das bündigste vor mich und meine Nachkommen, zu keinen Zeiten etwa noch praeterhores (?) dieserwegen zu formieren, noch zu gestatten, dass solche von anderen geschehn, da Alles bar von der löblichen Judenschaft, wie vorhin erwähnt, hinwiederum bezahlt (ist), vielmehr versichere bei parole d`honneur (die)selbe bei dieser länger als 100jährigen Gerechtigkeit zu schützen, wobei jedoch annoch bedungen, dass man der hiesigen Judenschaft die Mauer zu niedrig und solche höher machen wolle oder ein Expollier (?) darauf zu setzen, es ihnen allerdings nach Belieben frei stehe, jedoch solches alsdann auf ihre Kosten machen müssen wie nicht weniger die Türe zum Eingang, Schloss und sonstiges Eisenwerk.“
„Zu wahrer Urkund und Festhaltung habe bereits dieses nicht allein eigenhändig unterschrieben, sondern auch mit dem Regimentssiegel, auch mit meinem angeborenen Freiherrlichen Petschaft besiegelt. So geschehen Hamm im Standquartier Oktober-März des 1768.ten Jahres.“
„Friedrich von Wolffersdorf, Er. Majestät des Königs von Preußen bestallter Gen. Major von Allerhöchst dero Armee und Chef eines Regiments Infanterie.“
Vorbereitet war diese Urkunde Wolffersdorffs durch eine Petition der jüdischen Gemeinde, deren Vertreter Anschel Herz war, in welcher es hieß, dass die Mauer um den jüdischen Kirchhof eingestürzt sei und die Gemeinde wegen der Kosten die Trümmer habe liegen lassen. Inzwischen sei die Gemeinde auch elf Familien angewachsen und wolle nun wieder die Mauer aufrichten. Sie sei deswegen mit von Wolffersdorff in Unterhandlung getreten und habe mit ihm eine Vereinbarung getroffen, für 300 Taler die Mauer wiederherstellen zu lassen. Den Kontrakt zwischen Wolffersdorff und der Gemeinde legte diese nun dem hiesigen Kammerdeputationskollegium vor, zum 24. Juli 1768 seine Bestätigung übersandte. Noch 1927 existierte im Besitz der jüdischen Gemeinde eine Zeichnung des Friedhofes, die der königlich preußische Landbaumeister der Grafschaft Mark Gottfried Risse angefertigt hatte. Auf ihr waren folgende Einzelheiten zu sehen: An der Stelle, wo später die Wohnungen der Verwaltungsbeamten des Gefängnisses standen, befand sich das Haus des Landbaumeisters Risse, dann folgte die Judengasse (später Fransziskanerstraße), dann das Klostergebäude und Klostergarten (im Jahre 1927 das Gefängnis von 1857), und weiter nach Osten der Renteihausgarten (1927: Garten des katholischen Säuglingsheims, heute: Standort des Altenwohnheims). Nördlich vom Klostergarten lag damals der Judenfriedhof, nördlich von diesem der Wallgang (1927 und bis heute Nordenwall) und nördlich davon der Garten, der von Wolffersdorff gehörte.
Als nach dem Zusammenbruch Preußens im Jahre 1806 die Grafschaft Mark dem Großherzogtum Berg einverleibt wurde, erschien am 26. September 1808 im Hammischen Intelligenzblatt eine Bekanntmachung der Regierung, dass die Juden, die nunmehr der Dienstverpflichtung und den öffentlichen Abgaben unterworfen wären, dieselben Rechte und Freiheiten wie die anderen Staatsbürger genießen sollten. Nach dem „Heimfall“ der Grafschaft Mark an Preußen wurde zuunächst der Versuch gemacht, die Juden in die alte Stellung zurückzudrängen, aber die Durchführung dieser Reaktion war unmöglich. Wenn auch durch Gesetz aus dem Jahre 1847 die Juden noch von Staats- und Kommunalämtern ausgeschlossen wurden, so erhielten sich doch durch die Verfassung vom 31. Januar 1850 in Preußen und damit auch in Hamm volle bürgerliche und politische Gleichberechtigung. Es dauerte aber geraume Zeit, bis Gemeinde und Behörden sich mit dieser Neuordnung der Dinge vertraut gemacht hatten. Der Synagogenbezirk, der ursprünglich nur die Stadt Hamm erfasste, wurde durch Gesetz vom 10. Februar 1855 durch das Amt Rhynern vergrößert. Die erste Sitzung der Gemeindevertretung fand am 15. Dezember 1855 statt, und am 28. Februar 1858 wurde der Neubau der Synagoge erwogen, aber erst im Jahre 1868 zur Ausführung gebracht. Mti dem Anwachsen der jüdischen Gemeinde vergrößerte sich auch die Zahl der Wohltätigkeitsvereine innerhalb derselben. Ebenfalls beteiligte sich die Gemeinde rege an den auswärtigen gemeinnützigen Vereinen, auch hat die Gemeinde stets in guten Beziehungen zu städtischen und staatlichen Behörden gestanden. Die Inflationszeit mit ihren ungünstigen Folgen vereitelte den Plan des Neubaus eines Gotteshauses und verschob ihn zunächst auf unbestimmte Zeit, bis die Vernichtung der jüdischen Gemeinde 1938/1939 ihr ein trauriges, schmerzhaftes und unnötiges Ende setzte. Ebenfalls eine Folge der ungünstigen Geldverhältnisse war die Schließung der jüdischen Schule, die 1846 gegründet worden war, zum 1. April 1923. Der Lehrer wurde von der Stadt Hamm übernommen und die Kinder in den anderen städtischen Schulen unterbracht.
1846 lebten 66 Juden in Hamm. 1871 waren es bereits 174 – etwa 1 % der Gesamtbevölkerung. 1926 betrug die Zahl der Gemeindemitglieder etwa 420. Angesichts der Auslöschung der Gemeinde dreizehn Jahre später klingen die Worte in der Festschrift zum 700jährigen Bestehen Hamms heute wie bitterer Hohn:
„Die israelitische Gemeinde hat, wie die Darstellung ergeben hat, seit Anfang des 14. Jahrhunderts in Hamm bestanden und Leid und Freud mit den Bewohnern der Stadt geteilt. Möge das gute Verhältnis, welches bisher zwischen den verschiedenen Konstellationen bestanden hat, auch in Zukunft bestehen bleiben!“[2]
Rechte und Pflichten der Juden im 17. und 18. Jahrhundert
Obwohl sich die Juden im 17. Jahrhundert als Geldgeber unentbehrlich gemacht hatten, waren sie in der Stadt nur geduldet; als Nichtchristen waren sie vom Bürgerrecht ausgeschlossen und einigen Beschränkungen unterworfen. Sie wurden nicht zur bürgerlichen Nahrung zugelassen, d. h. in keine Zunft aufgenommen, und konnten sich infolgedessen weder als Handwerker noch als Krämer betätigen. Auch der „Genuss der städtischen Weiden“, der mit dem Bürgerrecht verbunden war, war ihnen untersagt. Wenn sie trotzdem ihr Vieh in die Stadtmark treiben wollten, mussten sie dafür eine Entschädigung zahlen. Im Jahre 1709 kostete eine Kuh 30 Stüber, ein Rind 15 Stäber. Dementsprechend wurde hinsichtlich der Weidenutzung im Jahre 1622 der Grundsatz aufgestellt: „Ein Jude in Hamm ist nicht berechtigt, ein Pferd oder Schad ohne Bezahlung in die Waldemei zu treiben“.
Die Lage der Juden in der Stadt ergibt sich aus einem Vertrag, den Bürgermeister und Rat und die ganze Gemeinde am 25. Mai 1604 mit den beiden Juden Leon und Moses schlossen. Darin verspricht die Stadt den beiden Juden sowie ihren Frauen und Kindern, von denen allerdings nur eine verehelichen durfte, samt dem Brotgesinde, auch ihrer Habe und ihrem Vermögen „Geleit, Schutz und Schirm“ auf zwölf Jahre, sichert ihnen Schutz und Verteidigung gegen Gewalt zu, befreit sie von „Bauwerken, Wachen und Stadtsdiensten, jedoch sollen die Männer in Brand und andere Nöten dem Glockenschlage folgen und Mannsdienste leisten“. Für diese Jahre wird keinem anderen Juden „Beiwohnung und jüdischen Wucher zu treiben, gestattet“.
Es wird ihnen erlaubt, „nach jüdischer Art und Weise jedem auf Pfande, Handschriften, guten Glauben oder sonstwie Geld zu leihen, doch also, dass sie die ersten acht Tage von unsern Bürgern und Einwohnern keinen Vorteil oder Wucher fordern, darauf aber bis zur Ablösung von jedem Taler jede Woche einen Pfennig, von einem halben Taler einen Heller, von Auswärtigen das Doppelte“. Hinsichtlich der Pfandnahme wird verordnet, dass sie keinen Eheleuten ohne beider Vorwissen über zehn Taler auf Wucher leihen sollen. Wenn jemand bei ihnen Pfande niedergelegt hat und innerhalb eines Jahres nicht einlöst, sollen sie berechtigt sein, die Pfande als eigenes Gut zu verkaufen, nachdem der Schuldige durch den Stadtdiener aufgefordert ist, das Pfand wieder einzulösen. Wenn sie Geld verliehen haben und Kapital und vertragte Zinsen nicht wiederbekommen können, will der Rat ihnen zur Bezahlung verhelfen.
Falls gestohlene Güter an sie verkauft oder verpfändet werden und der Eigentümer das Gestohlene bei ihnen findet, sollen sie es ohne Schadensersatz herausgeben. Meldet sich der Eigentümer nicht, dann „mögen sie das Gestohlene wie eigenes Gut umschlagen, ausgenommen kirchliche Kleinodien, Zieraten oder Geschirre“, die sie gar nicht kauf- oder pfandweise an sich bringen sollen. Von Bürgern sollen sie kein Geld zum Wucher aufnehmen und so zugleich Bürger- und Judenwucher treiben, sonst ist die Summe samt Zinsen verfallen. Wenn ihnen Wollentücher oder Kramwaren versetzt werden, sollen sie das Tuch nicht ellenweise verkaufen, sondern es für einen angemessenen Preis den Wandschneidern (Tuchhändlern) anbieten, ebenso soll es mit den Kramwaren geschehen, weil ihnen ja, wie erwähnt, bürgerliche Nahrung verboten war.
Sie dürfen für sich und ihre Familie das erforderliche Korn zu Bier und Brot kaufen, aber nicht „zu Gewinn und Vorteil“, d. h. zum Handel, auch mag jeder sieben Rinder, zehn Schafe und zehn Kälber jährlich für eigenen Bedarf schlachten. Was angewachsen und Juden zu essen verboten ist, sollen sie verkaufen, jedoch jedoch den Fleischhauern eine Tonne Bier jährliche dafür entrichten. Auch ist es jedem der beiden Juden erlaubt, zwei Kuhweiden und zwei Gartenstücke in Pachtung an sich zu bringen und sonst andere Notdurft zu ihrem Lebensunterhalte zu kaufen, ausgenommen jedoch, was in Amt und Gilden geht und gehört. Bei Klagen gegen Bürger sollen sie die Sache vor dem gemeinen Bürgergericht in Hamm vorbringen, wie auch umgekehrt die Bürger gegen sie.
Sie zahlen für die zwölf Jahre „eins vor alle zu rechten Geleitsgelde insgesamt 1.150 alte, harte, vollgiltige, silberne Reichstaler“. Wenn die zwölf Jahre um sind, läuft dieser Vertrag ab; doch soll es den Juden freistehen, dann noch ein Jahr zu bleiben und Handel, aber keinen Wucher zu treiben. In diesem zwölf Jahren sollen „sie sich untereinander und gegen jedermann, wie frommen Juden gebührt, lieb und freundlich und also vergleitlich halten, Hader, Zank, Unlust, Lästern, Schänden und Schmähen durchaus entäußern“.
Diese Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung der Juden wurde bis in die neueste Zeit durchgehalten und daher noch im Schneiderprivileg im Jahre 1789 bestimmt: „Es sollen keine Juden sich unterstehen, fertige Kürschner- und Schneiderwaren auf den Jahrmärkten oder in den Läden feil zu halten, es wäre denn, dass sie diese Waren bei den Kürschnern und Schneidern der Stadt Hamm gekauft hätten. Sonst soll die Ware konfisziert und das daraus gelöst Geld der Zunftkasse berechnet werden. Doch ist es den Juden und andern verboten, alte Pelze und getragene Kleider zu erhandeln und wieder zu verkaufen“. Da bei den Juden von Zeit zu Zeit Revisionen gehalten wurden, ob sich nicht Diebesgut bei ihnen fände, mussten sie vorsichtig sein, wenn sie wertvolle Gegenstände aus Edelmetall erhandelt, damit sie darüber gelegentlich Rechenschaft ablegen konnten. Daher ließ sich eine Jüdin in Hamm von dem kurkönlischen Richter in der benachbarten Stadt Werl am 27. Juli 1618 bescheinigen, dass sie „etliche ansehnliche, große und kleine silberne und vergoldete Pokale, Butterschüsseln, Tischbecher, auch sonst allerhand Geschirr in einem aufrichten und redlichen Kauf von dem rechten Herrn an sich gebracht hätte, also dass sie und die Ihrigen bei Macht wären, diese Stücke samt oder besonders hinwieder ohne einiges Bedenken zu verkaufen oder sonst damit zu tun und zu lassen, wie ein rechter Herr mit dem Seinigen anzustellen befugt ist“.
Wie alle Gewerbetreibenden waren auch die Juden verpflichtet, in der Stadt zu wohnen; sie sollten daher, wo es nötig war, „mit militärischer Exekution vom platten Lande in die Stadt gebracht werden“. Hier waren sie allerdings vom Bürgerrechte ausgeschlossen, unterlagen aber gleichwohl wie auch die übrigen nicht vollberechtigten Einwohner den bürgerlichen Diensten und Lasten. Davon suchten sie sich frei zu machen, indem sie für die Ablöse eine vereinbarte Summe an die Stadt zahlten. So wurde im Jahre 1684 Jordan Simons, ein „begleiteter Jude“, für die jährliche Gebühr von 13 1/2 Reichstaler von Einquartierung und Wachten befreit, desgleichen Elias Markus bis zum Jahre 1687 für dreißig Reichtstaler („feindlichen Überfall ausgeschlossen“). Im Jahre 1720 erhielt die Stadt 52 Reichstaler an Befreiungsgeldern von den Juden. Auch den städtischen Steuern waren die Juden unterworfen. So fiel der Stadt von allem jüdischen Gut, das nach auswärts ging, etwa bei Verheiratungen oder Sterbefälle, der zehnte Pfennig, d. h. ein Zehntel zu. Wie die Zahl der „zünftigen Meister“ beschränkt war und infolgedessen in der Regel nur ein Meistersohn bzw. ein Tochter sich verheiraten konnte, so waren auch von den jüdischen Familien, wie aus dem Vertrage von 1604 hervorgeht, nur einer, der sogenannte Familiant, zur Heirat in der Stadt zugelassen, sodass die Zahl der Juden sich nicht vermehrte. Dass dadurch Zwist und Zwietracht in die Familien getragen wurde, wenn es darum ging, wer der Familiant werden sollte, dürfte sich von selbst verstehen. Dass die Juden in Hamm sich durch ihre Kleidung von der übrigen Bevölkerung unterschieden, wird zwar nicht besonders erwähnt, ergibt sich aber aus den allgemein gültigen Anordnungen, die erst unter Friedrich dem Großen aufgehoben wurden[3].
Die Hammer Juden unter der NS-Herrschaft
Die Vernichtung der Juden und damit der jüdischen Gemeinde im nationalsozialistischen Deutschen Reich gründete sich in Hamm, wie im gesamten von Deutschland beherrschten Gebiet, auf die rassistische NS-Ideologie. Sie hatte allerdings auch handfeste ökonomische Gründe. Jüdische Geschäfte wurden eingezogen und „arisiert“, Jüdische Vermögen eingezogen und an den Nationalsozialistische Volkswohlfahrt überstellt.[4]
Bereits am 1. Mai 1933 kam es in der Wilhelmstraße zu einem rassistischen Aufmarsch. Im Städtischen Gustav-Lübcke-Museum existiert eine Fotografie davon. Im Hintergrund ist ein Transparent zu sehen, auf dem zu lesen steht: „Juden sind unser Unglück“.[4]
Am 29. März 1933 – in Hamm lebten zu dieser Zeit 402 jüdische Bürger – wandte sich der „Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes“ massiv gegen jüdische Kaufleute. Ulrich Deter, NSDAP-Kreisleiter, erklärte vor dem Stadtparlament, seine Partei werde mit den Juden „abrechnen“. Der jüdische Inhaber der Firma Alsberg war zunächst gezwungen, regelmäßig die Hakenkreuzfahne aufzuziehen; am 1. April 1933 musste das Geschäft Alsberg schließen.[4][5] Auch andere jüdische Geschäfte wurden boykottiert (Adler, Berla, Halle, Heymann, Hilsenrath, Jordan, Lindemeyer, Löwenstein, Meyberg, Schragenheim u. v. m.[5] Am 7. April 1933 verloren angesehene jüdische Ärzte und Rechtsanwälte in Hamm ihre Arbeitszulassung.[4] Die jüdischen Juristen Herzberg, Gerson (getauft), Griesbach, Mendel, Michaelis und Samuelsdorf erhielten Berufsverbot und wanderten teilweise aus. Die jüdischen Ärzte durften nur noch jüdische Patienten behandeln. Dr. Löwenstein verließ Hamm 1936, Dr. Mündheim starb am 6. September 1940 in Hamm. Dr. Kleinstraß blieb und wurde am 27. April 1942 nach Zamosc/Lubin deportiert, von wo er noch zweimal ausführlich in herausgeschmuggelten Briefen berichtete. Lehrer oder in wissenschaftlichen Berufen arbeitende jüdische Akademiker verloren ihre Stellung oder konnten nach Abschluss ihres Studiums ihren Beruf nicht ausüben.[5] Im Jahre 1935 wurde dann die sogenannte Arisierung der jüdischen Geschäfte konsequent umgesetzt. Beispielsweise wechselte Alsberg für einen Spottpreis den Besitzer und wurde zu „arisiertem Eigentum“.[4] Bis 1938 war die Enteignung der jüdischen Geschäftsinhaber weitestgehend abgeschlossen.[5]
Am 9. Januar 1935 erklärten die Nürnberger Gesetze Juden zu minderen Menschen.[4]
1938 geriet eine kleine Randgruppe der jüdischen Gemeinde unter Druck, die in der Weimarer Zeit eingewanderten Ostjuden. Sie waren weitgehend sogenannte kleine Leute, die ihr Auskommen als Arbeiter oder im Kleinhandel fanden. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sie bei den Volksabstimmungen im Osten für die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich vortiert und waren später zugewandert. Zu dieser Gruppe gehörten u. a. Aron, Dahl, Freund, Goldstrom, Lubasch, Radt, Reicher, Schweier und Waynstain. Die Familie Tömör war ungarischer Abstammung. Einige wenige wie Salum Freund waren naturalisiert und damit einheimischen Juden gleichgestellt. Andere hielten sich lange genug im Deutschen Reich auf, um nicht mehr direkt von Ausweisung bedroht zu sein. Trotzdem wurden sie unter Druck gesetzt. Wer nicht lange genug ansässig war, wurde in der Polenaktion von Oktober 1938 verhaftet und ausgewiesen, wovon mit Sicherheit Fischel Waynstajn und Manes Aron betroffen sind. Ihre Verhaftung ist für den 27. bzw. 28. Oktober 1938 dokumentiert. Über ihren weiteren Verblieb ist nichts bekannt[6]. Es kam auch immer wieder zu Misshandlungen und anderen Übergriffen auf Einzelpersonen[7].
Das Grundstück der jüdischen Gemeinde war im Jahre 1938 mit zwei Gebäuden bebaut. Das war einmal die ehemalige Schule an der Straßenfront, die nur noch zum Religionsunterricht benutzt wurde, seit die Volksschule 1923 aufgelöst worden war. Im Jahre 1933 hatte man das Sitzungszimmer der Gemeinde von der Lutherstraße in das Haus des Rechtsanwaltes Dr. Alfred Michaelis in der Hohestraße 59 verlegt. Hier befand sich damals bis zur Kristallnacht das Gemeindezentrum für kulturelle Arbeit in der Gemeinde, Jugendzentrum, Gemeindeabende, Vorträge, Konzerte, Zusammenkünfte vom Frauenbund usw. Auch eine Bibliothek war vorhanden. Aus diesem Grund befand sich nun in der Martin-Luther-Straße eine Wohnung, die 1938 von Nathan und Sara Dahl bewohnt wurde. Nathan Dahl war lange Zeit Kultusbeamter gewesen. Sein Schwiegersohn Kurt Radt war der letzte Lehrer vor dem Krieg in Hamm, wohnte allerdings in der Grünstraße 6. In der zweiten Wohnung im Haus lebte ein Mitglied einer anderen jüdischen Familie. Im Hinterhof der Schule lag die Synagoge, die von der Straße aus durch eine enge Einfahrt zugänglich war. Die Bebauung auf der von Südstraße, Martin-Luther-Straße, Sternstraße und Königstraße begrenzten Fläche war sehr dicht, teilweise Fachwerk. Am 9. und 10. November 1938, im Umfeld der Novemberpogrome, kam es zu tätlichen Angriffen und Demütigungen auf die jüdische Gemeinde. In Hamm scheint man mit Einsetzen der Dunkelheit mit dem Einsatz begonnen zu haben. Einer der ersten, der Beobachtungen an der Synagoge machte, ist ein Reporter des Westfälischen Anzeigers, der sich auf dem Weg zum Bahnhof befand, hinter dem auf dem Gelände des Sägewerkes Glunz ein Großbrand ausgebrochen war. Er entdeckte an der Einfahrt zur Synagoge ein paar SS-Leute, die sich dort zu schaffen machten. Als er nachfragte, wurde ihm bereitwillig erklärt, dass man die Synagoge anzünden wolle. Der Reporter wies auf die umliegende Bebauung hin und dass die Feuerwehr schon reichlich Arbeit habe. Die SS-Truppen beschränkten sich darauf, das Interieur der Synagoge zu zerstören. Sie zertrümmerten die Inneneinrichtung. Das Gestühl (120 Sitze und Pulte für die Männer und 60 Emporenplätze für die Frauen) der Almenor und der Thoraschrein wurden restlos zerschlagen. Die Gebetsmäntel, vermutlich auch die Gebetsbücher, die Thoramäntel und sonstiges Brennbares wurden im Hof auf einen Haufen geworfen und angezündet. Pferdewagen, von einem Nationalsozialisten am Zügel geführt, fuhren über die aufgeschichteten Heiligen Schriften. Eine Begutachtung des Synagoge am 18. November 1938 unter Teilnahme von Oberbürgermeister Deter, Bürgermeister Leinberg, Baurat Haarmann und Stadtrat Daniel weiß von folgendem Zustand zu berichten: „Bei der Besichtigung wurde eine erhebliche Zerstörung der Wohngebäude ... und der dahinter liegenden Synagoge festgestellt. Das Inventar der Synagoge, die Truppen und Emporen waren zerstört, die Scheiben zerschlagen. Das Synagogengebäude war nicht zerstört.“ Vom Kultsilber fanden sich nur noch ein paar Reste. Einige Kultgegenstände, die am 23. November 1938 im Rahmen einer Begehung durch Museumsdirektor Bänfer gefunden wurden, wurden von dem Hammer Museum zur Aufbewahrung übernommen. Dort landeten auch andere Dinge aus dem Besitz der Gemeinde, Geldschrank, Thorarolle, Schmuck, zwei antike Kelche.[4][8]
Die Plünderungen der Wohnhäuser zogen sich die ganze Nacht hin. Gesicherte Angaben gibt es zu Plünderungen bei Hymann, Schützenstraße 4, Heßlerstraße 40; Dahl, Martin-Luther-Straße 5, Hilsenrath, Anschrift unklar; Jordan, Bahnhofstraße 27; Michaelis; Levy und Gemeindezentrum Hohestraße 59; Schragenheim, Nassauerstraße 24, Eugen Kaiser, Anschrift unbekannt und Freund, Südstraße 10a. In der Grünstraße 17 (Kirchheimer) wurden „nur“ die Fensterscheiben eingeschlagen. Bei den Plünderungen wurden Menschen im Keller eingesperrt, gezwungen, bei der Verwüstung zuzusehen oder zur Flucht genötigt. Familie Heymann wurde umgebracht. Wenige Tage nach der Plünderung und Zerstörung der Einrichtung des Hauses Heßlerstraße 40 wanderte ein Lehrer mit seiner Klasse durch das zerstörte Haus und erklärte seinen Schülern, wie „Volksfeinde“ behandelt würden.[4][7]
Am 12. November 1938 wurde die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben in Kraft gesetzt und raubte damit den meisten Juden die Lebensgrundlage. Die Stadt Hamm kam zu dem Schluss, „dass die Synagogen in erster Linie Gegenstand der Volksempörung sind“.[4] Am 19. November 1938 erging der Abbruchbefehl an den Vorstand der Synagoge. Der Adressat, Hugo Lindemeyer (Brückstraße 11) befand sich zu diesem Zeitpunkt schon im KZ Oranienburg-Sachsenhausen. So erklärten sich seine Vertreter Noa Meyberg (Widumstraße 47) und Julius Rosenberg (Stiftstraße 6) mit dem Abbruch einverstanden, wiesen aber darauf hin, dass der Gemeinde die finanziellen Mittel fehlten. Sie schlugen vor, der Abbruch solle von der Stadt vorgenommen werden und die Kosten beim etwaigen späteren Kauf des gesamten Grundstücks verrechnet werden. Doch Stadtrechsrat Daniel, der auch den Abbruchbefehl unterzeichnet hatte, ließ sich nicht darauf ein und stellte fest, dass dieser Grund die Gemeinde nicht von der Verpflichtung zum Abbruch entbinde. Als spätester Anfangstermin für den Abbruch wurde der 24. November 1938 festgesetzt und bei Versäumnis mit Ersatzmaßnahmen gedroht.[4][8] Diese wurden zum Jahreswechsel auch durchgeführt. Die Stadt übernahm den Abbruch selbst und stellte ihn der jüdischen Gemeinde in Rechnung.[4]
1939 kam es zu ersten Verhaftungen und Deportationen jüdischer Gemeindemitglieder.[4]
Im Jahre 1940 retteten sich etwa 200-300 Hammer Juden durch Flucht ins Ausland.[4]
Am 27. April 1942 wurden Hammer Juden nach Zamosz deportiert. Ebenfalls 1942 wurden 22 ältere Menschen nach Theresienstadt verschleppt.[4]
Am 27. Februar 1943 wurden Juden von Hamm in das KZ Auschwitz deportiert.[4]
Im Mai 1943 wurden Männer aus sogenannten Mischehen zur Zwangsarbeit verurteilt.[4]
Am 29. September 1944 erfolgte die Deportation von Frauen und Kindern aus „Mischehen“ in ein Zwangslager bei Kassel.[4]
Anfang 1945 wurden Männer aus dem Zwangsarbeitslager in das KZ Theresienstadt verschleppt.[4]
Im Jahre 1953 waren von der jüdischen Gemeinde in Hamm kaum noch nennenswerte Reste verblieben. Da sich eine eigenständige Gemeinde aus diesem Grund nicht halten ließ, schlossen sich die verbliebenen Hammer Juden der Jüdischen Gemeinde Groß-Dortmund an.[4][9]
Die Synagoge
Die Synagoge der Stadt Hamm befand sich auf dem Gelände des heutigen Santa-Monica-Platzes in der Martin-Luther-Straße 5a (51° 40′ 49,47″ N, 7° 49′ 5,98″ O51.6804089713897.8183281422222 ). 1938/39 wurde die jüdische Gemeinde gezwungen, sie auf eigene Kosten abzureißen.
Die Juden in Hamm haben anscheinend schon in früheren Jahrhunderten über ein Gotteshaus verfügt. Es befand sich bereits im Hinterhof der späteren Martin-Luther-Straße 5 und war von der Ruschenstraße (Königstraße) aus über eine schmale Gasse zugänglich. Dieses Gelände im Bereich des heutigen Santa-Monika-Platzes Nr. 5a konnte erst im Laufe des 19. Jahrhunderts an die Gemeinde übergehen, da diese lange Zeit ohne Koporationsrecht war.[10]
Belegt ist die Existenz eines Gebetshauses an dieser Stelle für das Jahr 1831. Die neue Synagoge, die nach den Bauplänen von Julius Lenhartz errichtet worden ist, wurde an Stelle des Vorgängerbaues errichtet und am 12. September 1868 durch den berühmten Reformrabbiner Dr. David Rothschild eingeweiht.[10][11][12]
Während der Novemberpogrome am 9. November 1938 wurde die Synagoge geschändet, verwüstet und ausgeplündert. Ein Niederbrennen kam aufgrund der Brandgefahr durch die dichte Bebauung der Altstadt nicht in Frage. Die endgültige Zerstörung erfolgte dann Ende 1938/Anfang 1939. Die Stadt brach die Synagoge ab und stellte die Kosten dafür der jüdischen Gemeinde in Rechnung.[11][4]
Die meisten Mitglieder der jüdischen Gemeinde wurden während der Nazizeit in die Vernichtungslager deportiert, sofern sie sich nicht durch Flucht ins Ausland in Sicherheit bringen konnten.[4]
Nach Kriegsende wurde dieser Bereich der Innenstadt als Parkplatz umgenutzt und über der Stelle der Synagoge eine öffentliche Toilette gebaut. Dieser unwürdige Zustand blieb so für ca. 50 Jahre erhalten. Im Rahmen einer innenstädtischen Flächenumnutzung sollte eine erneute Bebauung des Platzes erfolgen. Dies führte zu einem Erwachen der Erinnerung an die Synagoge. Nach Aufgabe der ursprünglichen Bebauungspläne für den Santa-Monica-Platz wurde der Parkplatz umgestaltet, die Toilettenanlage abgerissen und so Raum für eine Gedenkstätte geschaffen. Nach längerer Diskussion um die Beschaffenheit des Mahnmals, während der auch eine Rekonstruktion der Synagoge erwogen wurde, erinnert nun (seit Dezember 2003) ein Mahnmal, das die Umrisse der Synagoge zeigt, an das jüdische Gotteshaus, die jüdische Schule an der Kleinen Weststraße 5, aber auch an das verlorene, ehemals pulsierende Leben der Kultusgemeinde und an seine Vernichtung.
Gestaltet wurde die Gedenkstätte von Wilfried Hagebölling aus Paderborn. Die Bushaltestelle, die sich direkt daneben befindet, trägt nun den Namen „Alte Synagoge/Markt“.[11][13]
Einzelnachweise
- ↑ Karl Mayer, Die Juden in der Grafschaft Mark und Dortmund, S. 49 und 50.
- ↑ Dr. Josef Lappe, Dr. Eichhoff in: 700 Jahre Hamm (Westf.), Festschrift zur Erinnerung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm 1927, Nachdruck Werl 1973
- ↑ Dr. Josef Lappe in: 700 Jahre Hamm (Westf.), Festschrift zur Erinnerung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm 1927, Nachdruck Werl 1973
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u Informationstafel im Städtischen Gustav-Lübcke-Museum Hamm.
- ↑ a b c d Mechtild Brand, Aber die Synagoge hat doch gar nicht gebrannt, in: Hammer Lesebuch: Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991, S. 211.
- ↑ Mechtild Brand, Aber die Synagoge hat doch gar nicht gebrannt, in: Hammer Lesebuch: Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991, S. 211/212
- ↑ a b Mechtild Brand, Aber die Synagoge hat doch gar nicht gebrannt, in: Hammer Lesebuch: Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991, S. 215 ff.
- ↑ a b Mechtild Brand, Aber die Synagoge hat doch gar nicht gebrannt, in: Hammer Lesebuch: Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991, S. 211/212 ff.
- ↑ Jüdische Gemeinde Groß-Dortmund
- ↑ a b Dr. Eichhoff in: 700 Jahre Hamm (Westf.), Festschrift zur Erinnerung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm 1927, Nachdruck Werl 1973, S. 165.
- ↑ a b c Andreas Skopnik: Öffnet die Pforten der Gerechtigkeit, Hamm 1995.
- ↑ Synagoge im Hamm Wiki
- ↑ Hamm-Wiki
Literatur
- Josef Lappe, Eichhoff in: 700 Jahre Hamm (Westf.), Festschrift zur Erinnerung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm 1927, Nachdruck Werl 1973.
- Andreas Skopnik: Öffnet die Pforten der Gerechtigkeit, Hamm 1995.
- Informationstafeln in der Ausstellung zur Stadtgeschichte von Hamm im Städtischen Gustav-Lübcke-Museum Hamm.
- Mechtild Brand: Aber die Synagoge hat doch gar nicht gebrannt, in: Hammer Lesebuch: Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991.
- Mechtild Brand: Geachtet – geächtet. Aus dem Leben Hammer Juden in diesem Jahrhundert. Hamm: Stadt Hamm, 1991
Weblinks
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