KZ-Außenkommando Schlachters

KZ-Außenkommando Schlachters

Das KZ-Außenkommando Biesings war vom 5. April 1944 bis ca. 7. April 1945 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im Ortsteil Schlachters (daher auch Außenkommando Schlachters genannt) der Gemeinde Sigmarszell im Landkreis Lindau (Bodensee).

Das Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung der SS-Organisation Ahnenerbe ließ sich für Menschenversuche in Biesings (Schlachters) Häftlinge zuteilen.[1] Kommandant der Einrichtung war der SS-Arzt und Sturmbannführer Dr. Kurt Friedrich Plötner. Die sechs bis acht Häftlinge des kleinen Außenkommandos lebten unter Aufsicht von fünf SS-Wächtern in einer Holzhütte neben dem Gasthaus Sonne an der heutigen B 308. In Schlachters setzte Plötner mit dem Funktionshäftling Robert Feix in der Obstbrennerei Nikolodi und in der ehemaligen Edelweiß-Fabrik in Sigmarszell (Milchwerk Schlachters) die in Dachau begonnenen Versuche zur Herstellung eines Blutstillmittels auf der Grundlage von Pektin fort. Die Häftlinge waren bei der Produktion eingesetzt und mussten vor allem als Versuchspersonen für das Militär und die Dachauer KZ-Ärzte herhalten.[2][3][4]

Den Einwohnern von Schlachters war der Kontakt zu den KZ-Häftlingen untersagt. Doch scheint die Überwachung nicht so strikt durchgeführt worden zu sein.[5] So berichten Ortsbewohner, dass Häftlinge gelegentlich Nahrungsmittel zugesteckt bekamen und Personen in Häftlingskleidung abends durch den Ort spaziert seien. Ein wagemutiger Häftling aus Kaufbeuren konnte sich in Schlachters mit seiner Frau treffen und sie einige Male sogar per Bahn in seinem Heimatort besuchen.[4] Auch scheint sich die Tatsache, dass der aus Dachau bekannte Funktionshäftling Walter Neff als Führer eines Arbeitskommandos in Schlachters wirkte, die Situation für die Häftlinge gemildert zu haben. Nach der Flucht eines Häftlings im Oktober 1944 wurde Neff allerdings zu einem zu einem Panzerjagd-Kommando zwangsversetzt.[6]

Im April 1945 erging der Befehl, die Häftlinge ins KZ Dachau zurück zu überstellen. Er erreichte den Kommandoführer jedoch nicht, da der Häftling, der die Post abholte, den Brief öffnete und beseitigte. Die Häftlinge entwaffneten das Wachpersonal und warteten im nahen Wald bis französische Soldaten Schlachters besetzen und sie befreiten. Kommandoführer Plötner wich in den nahen Vorarlberg aus, um die Versuche im neuen Außenlager Lochau mit Pektin fortzusetzen.[4]

An Stelle der Gebäudereste wurde kurz vor 2000 ein Neubau errichtet.

Quellen

  • Karl Schweizer: „Der Nationalsozialismus in Stadt und Landkreis Lindau“, in: Andreas Kurz (Hg.): Daheim im Landkreis Lindau. Jahrbuch des Landkreises Lindau, S. 113-135. Verlag Wilfried Eppe, Bergatreute, 1998. ISBN 3-89089-048-2.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Dachauer Außenkommandos bei der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
  2. Außenkommandos des KZ Dachau am Bodensee auf
  3. Daheim im Landkreis Lindau, Seite 132.
  4. a b c siehe Literatur Benz-Distel-Königseder: Der Ort des Terrors.
  5. Gründe waren möglicherweise die Ferne des vergleichsweise winzigen Aussenkommandos zur Zentrale in Dachau und die besonderen Arbeits-und Wohnbedingungen (täglicher Weg von der Wohnbaracke in Biesings zu und von den Produktionsstätten im Ort, an die Häftlinge delegierte Besorgungen und andere Hilfstätigkeiten im Ort)
  6. Anna Andlauer: Walter Neff, in: Hans-Günter Richardi (Hrsg.): Lebensläufe - Schicksale von Menschen, die im KZ Dachau waren: Schicksale von Menschen, die im KZ Dachau waren, BoD – Books on Demand 2001, Dachauer Dokumente Bd. 2, ISBN 9783831121908, S. 34

47.5913888888899.7557Koordinaten: 47° 35′ 29″ N, 9° 45′ 18″ O


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