- Kaddor
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Lamya Kaddor (* 1978 in Ahlen) ist eine deutsche muslimische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Autorin syrischer Herkunft.
Inhaltsverzeichnis
Universitätslaufbahn
Lamya Kaddor promoviert im Bereich Islamische Theologie. Studiert hat sie Arabistik und Islamwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Komparatistik. Von Oktober 2004 bis Juli 2007 arbeitete sie als Assistentin am deutschlandweit ersten theologischen Lehrstuhl für die Religion des Islam an der Universität Münster. Von August 2007 bis März 2008 vertrat sie an dieser Universität die neue Professur für Islamische Religionspädagogik. Kaddor hat das Centrum für Religiöse Studien, an dem beide Professuren angesiedelt sind, an der Seite von Thomas Bauer, Leiter des Instituts für Arabistik und Islamwissenschaften der Universität Münster, aufgebaut. Von Beginn an ist sie Mitglied im Vorstand des CRS.
Sie nimmt eine vermittelnde Position zwischen säkularen und traditionalistischen Muslimen ein. Kaddor tritt insbesondere für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in deutscher Sprache ein.
Wirken
Neben der universitären Tätigkeit ist Lamya Kaddor Lehrerin im nordrhein-westfälischen Schulversuch „Islamkunde in deutscher Sprache“, das dort nicht als Religionsunterricht im herkömmlichen Sinn verstanden wird. Seit 2003/04 unterrichtet sie an einer Grundschule und an der Glückauf-Hauptschule in Dinslaken-Lohberg.[1]
Lamya Kaddor war am 6. Juli 2007 Sprecherin in der ersten Folge des Forums am Freitag beim ZDF und ist dort bis heute regelmäßig zu sehen.[2] Das Fernsehformat bietet Muslimen in Anlehnung an das Wort zum Sonntag in der ARD die Möglichkeit, aus islamischer Perspektive über theologische, gesellschaftliche und soziale Themen zu sprechen.
Kaddor ist Teilnehmerin des Integrationsgipfels der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Von August 2007 bis März 2008 nahm sie die Aufgaben der Vertretungsprofessur für Islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien (CRS) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wahr. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Religion des Islam bildete sie gemeinsam mit Muhammad Kalisch zukünftige islamische Religionslehrkräfte aus. Seit 2006 ist sie außerdem vom Land Niedersachsen als Referentin im Bereich der islamdidaktischen Fortbildung für die Lehrkräfte des Schulversuchs „Islamischer Religionsunterricht“ beauftragt worden. Als Gründungsmitglied sitzt Lamya Kaddor dem „Verein der LehrerInnnen für Islamkunde in deutscher Sprache in NRW“ als 1. Vorsitzende vor.
Zusammen mit Rabeya Müller hat sie 2008 ein Buch unter dem Titel „Der Koran für Kinder und Erwachsene“ herausgegeben. [3] Das Buch wurde vom Münchner Künstler Karl Schlamminger graphisch gestaltet und ist im Beck-Verlag erschienen.[4] Es enthält eine Auswahl von Koranversen, die übersetzt, kommentiert und thematisch gegliedert wurden. Kaddors Werk stellt nach eigener Aussage den Versuch dar, jungen Menschen und Laien einen ersten Zugang zum Original zu bieten.[5] Zur Zeit erarbeitet sie das deutschlandweit erste Schulbuch für Islamunterricht in den Klassen fünf bis zehn. [6] Das Buch soll nach der Genehmigung durch die zuständigen Landesministerien in Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern eingesetzt werden.
Positionen
Ihre Haltung, kein Kopftuch zu tragen, begründet Lamya Kaddor damit, dass das Kopftuch vor mehr als tausend Jahren als Schutz für Frauen innerhalb der damaligen Gesellschaft galt. Unter den Bedingungen einer modernen westlichen Gesellschaft, sei eine solche Art und Weise des Schutzes – nicht die Schutzfunktion selbst – obsolet geworden.[7]
Lamya Kaddor geht es um „religiöse Wissensvermittlung“ anstelle von „Erziehung zum Glauben“. Zum Unterrichtsangebot in vielen Moscheen erklärt Kaddor: „In der Koranschule geht es hauptsächlich darum, den Koran zu rezitieren und die arabische Sprache und Schrift zu lernen, in der Islamkunde darum, den Koran zu verstehen“. Sie sagt aber auch über die Koranschulen: „Die ist für die Eltern viel wichtiger. Da sind sie sicher, dass ihre Kinder die alten Traditionen lernen. Da wird das jeweilige Nationalbewusstsein (inkl. Kultur) stark gepflegt. Das gibt es in der Schule nicht.“
Aktuelles
Am 27. August 2008 ist das erste deutschsprachige Schulbuch für Islamkunde in weiterführenden Schulen erschienen. Es ist auch das erste Schulbuch, das von deutschen Schul- und Kultusministerien für diesen Unterricht genehmigt wurde. Seit diesem Schuljahr wird es in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen und Bremen eingesetzt. Es trägt den Titel „Saphir“ und wird von dem renommierten Kösel-Verlag verlegt. Lamya Kaddor war Initiatorin des Projekts und hat es zusammen mit Rabeya Müller und Harry Harun Behr herausgeben. Zunächst ist die Ausgabe für die Klassen 5 und 6 erschienen. In den kommenden Monaten sollen die Ausgaben für die Klassen 7/8 oder 9/10 herauskommen. Eine Vielzahl von Pädagogen und Islamwissenschaftlern haben als Autoren an dem Buch mitgewirkt, das inhaltlich mit vielen Abbildungen, Graphiken, Fotos, Kalligraphien und Texten arbeitet. Das Buch erfährt ein großes Medienecho und ist sowohl Gegenstand im den öffentlich rechtlichen Medien als auch im privaten Rundfunk sowie in zahlreichen Magazinen, überregionalen und regionalen Tageszeitungen.
Im Juli 2008 gab es eine juristische Auseinandersetzung zwischen Kaddor und dem Centrum für Religiöse Studien der Universität Münster. Unter anderem die Münstersche Zeitung berichtete, dass der ehemals am Centrum für Religiöse Studien angestellten Kaddor vorgeworfen wurde, Forschungsgelder veruntreut zu haben.[8] Die Westfälischen Nachrichten berichteten darüber hinaus von einer möglichen Kampagne gegen Kaddor, in die auch ihr ehemaliger Vorgesetzter, Muhammad Sven Kalisch involviert sei. In einem Vergleich vor dem Landgericht Münster verzichtete Kalisch darauf, die Behauptung zu verbreiten, Frau Kaddor sei mit ihrer Kündigung lediglich der Universität Münster zuvorgekommen. Anlass für diesen Rechtsstreit war eine E-Mail, die Kalisch rund drei Monate nach Ausscheiden Kaddors an zahlreiche Adressaten versendet haben soll.[9]
Publikationen
- Thomas Bauer, Lamya Kaddor, Katja Strobel (Hrsg.): „Islamischer Religionsunterricht – Hintergründe, Probleme, Perspektiven, Münster 2004 (Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster, Bd. 1)
- „Zur Notwendigkeit islamischen Religionsunterrichts. Erfahrungen aus dem Schulversuch „Islamische Unterweisung als eigenständiges Fach in deutscher Sprache““ in Dinslaken-Lohberg (NRW).“ In: Heimatpflege in Westfalen 18 (2005)
- „Frieden und Friedenserziehung aus islamischer Sicht.“, In: Internationale Friedensschule Köln GmbH (Hg.): Erziehung zum Frieden – Beiträge zum Dialog der Kulturen und Religionen in der Schule, Münster 2006 (Internationale Friedenspädagogik, Bd. 1)
- Lamya Kaddor, Bernd Mussinghoff, Thomas Bauer (Hrsg.): Zukunft der Religion in Europa“, Münster 2007 (Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster, Bd. 5)
- Bernd Mussinghoff und Lamya Kaddor: Einleigung zur Zukunft der Religion in Europa. In: Lamya Kaddor, Bernd Mussinghoff, Thomas Bauer (Hrsg.): Zukunft der Religion in Europa. Münster 2007 (Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster, Bd. 5)
- „Islamischer Religionsunterricht und Islamkunde an deutschen Schulen“ [10]
- „Wie kann Integration von muslimischen Jugendlichen gelingen?“, In: Kongressdokumentation Stuttgarter Impulse zur kulturellen Vielfalt. Differenzieren statt Pauschalisieren. Forum der Kulturen Stuttgart e.V. 2007.
- Rezension für das Buch „Christen und Muslime Tür an Tür. Basiswissen kompakt.“, vormals „Dialogbereit – Christen und Muslime im Gespräch – Eine Klärungshilfe“ von Bekir Alboğa, Georg Bienemann, Werner Höbsch“ [11]
- Lamya Kaddor (Hrsg.): „Islamische Erziehungs- und Bildungslehre“, Münster 2008 (Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster, Bd. 8)
- „Der Alltag von muslimischen Jugendlichen zwischen Moderne und Religion.“, In: Lamya Kaddor (Hrsg.): „Islamische Erziehungs- und Bildungslehre“, Münster 2007 (Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster, Bd. 8)
- Herausforderungen und Chancen in multireligiösen Bildungschancen. Grundinformationen zum Islam und Anregungen zum Umgang mit muslimischen Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern. Herausgegeben vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW (Der Integrationsbeauftragte). Düsseldorf 2008
- Lamya Kaddor, Rabeya Müller, Harry Harun Behr (Hrsg.): „SAPHIR. Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime“, Kösel Verlag, München 2008. (Erscheinungstermin: Juni 2008)
- Lamya Kaddor und Rabeya Müller: „Der Koran für Kinder und Erwachsene“, Verlag C.H. Beck, München 2008. (Erscheinungstermin: 17. März 2008)
Einzelnachweise
- ↑ 3sat Kulturzeit [1] 7. April 2008
- ↑ ZDF Forum am Freitag
- ↑ Deutschlandradio Kultur [2] 26. März 2008; Die Zeit [3] 13. März 2008; Die Welt [4] 15. April 2008
- ↑ Beck-Verlag [5]
- ↑ Deutschlandradio Kultur[6] 26. März 2008
- ↑ Kösel-Verlag [7]
- ↑ FAZ [8] 7. Juli 2007
- ↑ Münstersche Zeitung [9] 1. August 2008
- ↑ Westfälische Nachrichten [10] 31. Juli 2008
- ↑ Goethe-Institut [11] April 2007
- ↑ Dialogbereit [12] 2007
Weblinks
- Literatur von und über Lamya Kaddor im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Taz - Erste Islam-Schulbücher auf dem Markt, 2. September 2008
- ARD Nachtmagazin - Interview zu islamischem Religionsunterricht in den Schulen, 14. März 2008
- Die ZEIT - Islam: Koran ohne Schleier. Eine Wissenschaftlerin schreibt den Koran neu, 13. März 2008
- WELT ONLINE - Koran light - ohne Prügelvers und Jungfrauen, 14. April 2008
- Spiegel - „Ist Nagellack verboten?“ Deutschsprachiger Islamunterricht für muslimische Schüler hilft bei der Integration und beim Spracherwerb., 10. März 2008
- NEWSWEEK - Germany's New True Believers
- Centrum für Religiöse Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
- ForumAmFreitag.ZDF.de - Pädagogin vom Niederrhein: Lamya Kaddor im Porträt
- Qantara.de - Islamischer Religionsunterricht in Deutschland: Auf die lange Bank geschoben, 16. Mai 2007
Personendaten NAME Kaddor, Lamya KURZBESCHREIBUNG deutsche muslimische Religionspädagogin syrischer Herkunft GEBURTSDATUM 1978 GEBURTSORT Ahlen
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