Islamkritik

Islamkritik

Kritik am Islam auf politischer, ethischer, philosophischer, wissenschaftlicher oder theologischer Grundlage gibt es seit der Gründungszeit des Islam. Sie stellt eine Religionskritik dar und wird an Grundlagen, an kulturellen Traditionen und an sozialen Normen des Islam geübt. Mit Islamophobie, der feindseligen, irrationalen Ablehnung des Islam, ist Islamkritik nicht gleichzusetzen.

Islamkritik gibt es seit den ersten Entwicklungsstufen des Islam. Frühe Kritiken wurden von Christen einige Jahrzehnte nach dem Auftreten Mohammeds geschrieben, wobei viele den Islam als eine christliche Häresie ansahen.[1] Später erschienen auch Kritiken aus der muslimischen Welt selbst, von jüdischen Autoren und von Vertretern verschiedener christlicher Kirchen.[2][3][4][5] In der aktuellen Islamkritik ist eine herkunftsmäßige wie auch thematische Vielfalt zu verzeichnen.

Gegenstände der Kritik umfassen islamische Reaktionen auf Kritik, Stellungnahmen gegenüber Häresie bzw. Verdacht auf Häresie sowie die Behandlung von Apostaten im Islamischen Gesetz.[6]

Andere Kritiken problematisieren die Frage der Menschenrechte in islamischen Ländern der Moderne, die Stellung der Frau im islamischen Gesetz und in der Rechtspraxis (siehe auch Islamischer Feminismus).[7][8] In letzter Zeit wurde insbesondere die Rolle des Islam bei der Integration muslimischer Migranten in die Gesellschaften des Westens Gegenstand kritischer Analysen.[9]

Inhaltsverzeichnis

Islamkritik aus den Religionen

Kritik im Christentum

Zu den frühesten erhaltenen islamkritischen Schriften gehört beispielsweise Johannes Damascenus († 749), der im zweiten Kapitel seines Buches Die Quelle der Weisheit mit dem Titel Über die Häresien die These aufstellt, Mohammed sei von einem nestorianischen Mönch beeinflusst gewesen. Inhaltlich verweist er unter anderem darauf, dass es – abgesehen von Mohammed selbst – niemanden gab, der die Herabsendung des Koran bezeugen konnte.[10]

Zu den bekannten europäischen Islamkritikern des Spätmittelalters gehört u.a. der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos (1350–1425), dessen Reich unter dem Ansturm der Osmanen stark geschrumpft war und kurz vor dem Untergang stand.

Die biblische Prophezeiung an Hagar (Gen 16,12 EU und Gen 21,13 EU), der im 1. Buch Moses eine zahlreiche, jedoch wilde und kriegerische Nachkommenschaft vorausgesagt wird, wurde schon von Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis in ihrer Polemik gegen Mohammed zu einer negativen Darstellung der Araber und Sarazenen verwendet: Als Abkömmling eines primitiven, barbarischen Volkes, das weder Gesetz noch Regierung gekannt und überdies einen zügellosen Polytheismus praktiziert habe, könne er keineswegs zum Prophetentum bestimmt gewesen sein. Sein Analphabetismus, der in der islamischen Tradition als gültiges Argument für den göttlichen Ursprung der koranischen Offenbarungen herangezogen wurde, diente im Westen, wo er seit etwa 1100 bekannt war, der entgegengesetzten Argumentation: Mohammed müsse als Mann von einfacher Herkunft und zudem Analphabet, umgeben von Götzendienern, ein leichtes Opfer für Betrügereien gewesen sein. Ergänzend dazu kamen die verschiedenen Versionen seiner Beziehungen mit religiös inspirierten Männern, die ihm in seiner unwissenden Naivität häretische christliche und jüdische Lehren als wahre Religion vermittelt hätten – ein Motiv, das dem Westen schon von Johannes Damascenus vermittelt worden war. Die Theorie, wonach Mohammed von zweifelhaften Personen verführt worden sei, war in gelehrten Kreisen des europäischen Mittelalters vorherrschend. Sie sahen demnach den Islam als eine christliche Häresie, während die Darstellung von Mohammed als Teil eines polytheistischen islamischen Pantheons ein immer wiederkehrendes Thema der „volkstümlichen“ mittelalterlichen Darstellung Mohammeds in Europa war. In diesem Zusammenhang wurde auch die These aufgestellt, Mohammed wäre in Wirklichkeit ein christlicher Priester oder sogar Kardinal, der aus Gründen des Ehrgeizes vom Christentum abgefallen sei und durch Gründung einer neuen Sekte seine Ziele verwirklicht habe.[11]

Weltweites Aufsehen und zum Teil militante Proteste von Muslimen rief das Papstzitat von Regensburg hervor, als Papst Benedikt XVI. am 12. September 2006 in einer Vorlesung an der Universität Regensburg zur Rolle der Gewalt im Islam folgende fundamentale Islamkritik des oben erwähnten Kaisers Manuel II. zitierte: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ [12] Es wird seitens des Vatikans betont, dass der Papst sich nie das Zitat zu eigen machen wollte, sondern lediglich auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinführen wollte und Ehrfurcht gegenüber dem Koran empfindet.

In der christlichen Apologetik werden islamische Glaubenswahrheiten kritisiert, etwa die Sündenlehre und die Stellung Jesu Christi als Prophet. Kritisiert werden auch islamische Polemiken gegen das Christentum.

Kritik im Islam

Seit der Entstehung des Islam gab es bis zum Ende des abbasidischen Kalifats (ca. 750–1258) immer wieder islamische Gelehrte und Gelehrtenschulen, die – oft in der Auseinandersetzung mit der klassischen griechischen Philosophie – im Sinne einer innerislamischen „Aufklärung“ Kritik am Koran bzw. der islamischen Tradition und Koranexegese betrieben haben. Hierzu zählen u.a.

  • der Perser Ibn al-Muqaffa' (729–756), der befand, das Gesetz müsse dem religiösen Bereich entzogen und politisch kontrolliert werden
  • die rationale Glaubensströmung der Mu'tazila in Bagdad (bis etwa Ende des 9. Jh.) lehrte die „Erschaffenheit des Koran“ und konnte diesen und alle anderen religiösen Quellentexte des Islams somit kritisch betrachten. Statt der Imitation zogen sie den logischen Schluss vor.
  • al-Warraq († um 861), der Widersprüche und Ungereimtheiten im Koran im Lichte der Vernunft kritisierte.[13]

Auf viele dieser frühen muslimischen „Aufklärer“ (darunter etwa Averroes (= Ibn Rushd), Al-Ma'mun und Avicenna) beziehen sich heutige „Reform-Muslime“, z.B. die kanadische Feministin Irshad Manji[14] oder der türkische Theologe Yaşar Nuri Öztürk.

Euro-Islam und reformatorische Bestrebungen

Auf den Politikwissenschaftler und bekennenden Muslim Prof. Bassam Tibi geht der Begriff Leitkultur zurück, den er als Wertekonsens definiert, auf den sich die europäischen Gesellschaften und Migranten zu verständigen haben. Dabei beruft sich Tibi gerade auch auf die fünf Säulen des Islam, die für Werte stünden, welche mit „westlichen“ Werten problemlos vereinbar seien. Tibi erteilt der orthodoxen islamischen Scharia-Auffassung eine Absage und tritt für die Entwicklung eines pluralistischen „Euroislam“ ein:[15]

Nur ein Islam, der in Einklang mit den Grundinhalten der kulturellen Moderne (Demokratie, individuelle Menschenrechte, Zivilgesellschaft, Pluralismus) steht und die Werteorientierung des Pluralismus annimmt, verdient es, als Euro-Islam bezeichnet zu werden.“

Dieses Konzept strebt danach, die Idee der Trennung von Religion und Staat auf den Islam zu übertragen.

Gegenstände der Islamkritik

Islam und Menschenrechte

Eine Reihe von Vorschriften der Scharia – wie beispielsweise die für Ehebrecher vorgesehene Steinigung – sowie der ihr vorgeworfene Absolutheitsanspruch stehen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge im Widerspruch zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.[16] Laut Amnesty International steht der Islam zwar nicht grundsätzlich im Widerspruch zu den Menschenrechten. Die bislang abgegebenen Erklärungen weisen in der Theorie jedoch Defizite auf und in der Praxis bietet sich gar ein „ernüchterndes Bild“.[17]

Glaubensfreiheit im Islam

Islamkritiker werfen der islamischen Religion Intoleranz gegenüber Andersgläubigen vor. Hierbei weisen sie auf die im klassischen islamischen Recht vorgesehene niedrigere rechtliche Stellung von Nicht-Muslimen sowie auf die in der Gegenwart in Teilen der islamischen Welt praktizierte Todesstrafe für vom Islam Abgefallene hin. (Siehe: Apostasie im Islam)

Siehe auch: Glaubensfreiheit im Islam

Judenfeindlichkeit

Einige Islamkritiker sehen den Islam als Juden gegenüber feindlich gesinnt an; zur Untermauerung dieser These verweisen sie unter anderem auf den Konflikt Mohammeds mit den wichtigsten jüdischen Stämmen des damaligen Yathribs: den Banu Qainuqa, den Banu Nadir sowie den Banu Quraiza. Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf sieht dagegen den islamistischen Antisemitismus als ein Produkt des 20. Jahrhunderts an, begründet von Ideologen wie Hassan al-Banna und Mohammed Amin al-Husseini, lange vor der nennenswerten jüdischen Einwanderung nach Palästina infolge der Shoa. Er bezeichnet ihn als eine Radikalisierung von Tendenzen des Islam, die zuvor marginal waren und erst durch das Bündnis dieser Kräfte mit dem Antisemitismus der Nationalsozialisten in Deutschland dominant wurden. So wie der christliche Antisemitismus von den Nazis aufgegriffen und radikalisiert wurde, würden auch gewisse bedeutungslose Tendenzen des Koran und der Hadithen von den Islamisten genutzt. Das "gemeinsame Bündnis" wirke laut Herf auch nach der Kapitulation der Nationalsozialisten im Jahre 1945 bei den Islamisten weiter fort.[18]

Gewaltpotenzial

Islamkritiker sehen den Islam als gewalttätige Religion an und verweisen hierbei auf das islamische Konzept des Dschihad, dessen klassische Ausformulierung in der islamischen Rechtslehre den Kampf gegen die nichtmuslimische Welt, den Dar al-Harb bis zur Konversion der jeweiligen Bevölkerung oder Annahme des Dhimma-Status vorsieht. Als weiteren Beleg für das vorgeworfene Gewaltpotenzial des Islam verweisen Islamkritiker oft auf islamische Splitterfraktionen, die im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Terror oft genannt werden, sowie ferner auch schon auf die militärischen Aktivitäten Mohammeds, die zur Islamisierung der Arabischen Halbinsel geführt haben.

Islamische Geschichtsschreibung

Islamkritische Autoren wie Tilman Nagel oder Hans-Peter Raddatz sehen in der islamischen Geschichtsschreibung eine Verklärung und Glorifizierung der islamischen Geschichte und werfen ihr Einseitigkeit vor. Hierzu zählen sie etwa die Behauptungen, der Islam sei nicht mit Gewalt ausgebreitet worden und hätte für die unter islamischer Herrschaft lebenden Bevölkerungen keinen Zwangscharakter gehabt. Abwegig sei zudem die Leugnung des Dschihads als „Heiliger Krieg“ oder die Vorstellung, Demokratie und Menschenrechte seien arabische bzw. islamische Erfindungen.

Reaktionen auf Islamkritik

Reaktionen von muslimischer Seite

In der laizistischen Republik Türkei hat sich der Journalist und Schriftsteller Mustafa Akyol am 16. September 2006 in der türkischen Tageszeitung Referans nach der umstrittenen[19] Regensburger Rede von Benedikt XVI. auf dessen Seite gestellt und die Ansicht vertreten, dass sich in der islamischen Welt niemand mit den negativen Realitäten des Dschihad und der Gewaltbereitschaft vieler Muslime auseinandersetzen würde.[20]

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor kritisierte in der Sendung Wort zum Freitag, dass Islamkritiker wie Henryk Broder, Necla Kelek oder Seyran Ateş nur „drauf hauen“ würden und teilweise auch persönliche Traumata hätten. Sie dürften nicht aus persönlichen Erfahrungen Rückschlüsse auf den Islam ziehen. Dies sei unfair und unsachlich und es gehe dabei nicht um das Thema an sich, sondern um ihre persönliche Biografien. Andere wie Thomas Steinfeld trügen dagegen zur Versachlichung bei.[21]

Reaktionen von nichtmuslimischer Seite

Die Breite des politischen und gesellschaftlichen Diskurses hat zur Folge, dass Inhalt und Begrifflichkeit der Islamkritik Gegenstand heftiger politischer und wissenschaftlicher Kontroversen sind.

So argumentiert der Islamwissenschaftler Thomas Bauer aufgrund seiner Kenntnisse des klassischen Islams, dass die Formen des Islams, die uns heute begegnen, durch die Begegnung mit Europa bereits "verwestlicht" sind, gleichgültig ob es sich um Reformislam oder um Fundamentalismus handelt. Im Unterschied zu dem extrem ambiguitätstoleranten klassischen Islam war die westliche Welt Bauer zufolge bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts durch eine hohe Ambiguitätsintoleranz gekennzeichnet, d.h. durch die Fixierung auf eine jeweils einzige, universelle Gültigkeit beanspruchende Wahrheit. Die islamische Kultur modernisierte sich, indem sie ihrerseits eine Ambiguitätsintoleranz entwickelte, also dem Westen eine eigene islamische Wahrheit entgegenhielt. Diese sei aber nach westlichem Vorbild konstruiert und verdränge die Pluralität der Wahrheitskonzepte, die die islamische Welt früher ausmachte. Das belegt Bauer beispielhaft anhand der heutigen Homosexuellenfeindlichkeit in der islamischen Welt, die weniger "islamisch" als "viktorianisch" sei. Tausende Verse populärster klassischer Liebeslyrik auf schöne Jünglinge belegten dies eindrucksvoll.[22]

Vorwiegend von Seiten Linker im Westen wird eine Ideologisierung und Vereinnahmung der Islamkritik durch Rechtskonservative, Rechtsextreme und Neue Rechte sowie der Missbrauch der Islamkritik als propagandistischer Kampfbegriff kritisiert. Wichtige und richtige Kritik am Islam werde mit rassistischer Propaganda vermischt und diene so dem Transport rechtsextremistischen Gedankengutes sowie der Diffamierung von Muslimen im Allgemeinen.[23]

Ralph Giordano setzt sich gegen die Vereinnahmung des Widerstandes gegen den Moscheeneubau in Köln-Ehrenfeld durch die Bürgerbewegung Pro Köln zur Wehr, die er als „lokale zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus“ bezeichnete.[24][25]

Arzu Toker und Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime distanzierten sich in einem Interview des Humanistischen Pressedienstes von Udo Ulfkotte, er verwahrt sich gegen jegliche Fundamentalisierung, sowohl von Islam als auch von Christentum und spricht sich statt dessen für die Werte des Humanismus aus.[26]

Die oftmals fehlende Unterscheidung zwischen dem Islam und seiner extremen Erscheinungsform, dem sogenannten Islamismus, führe zu einer Verwechslung zwischen seriöser Islamkritik und Antiislamismus. Dabei würden Muslime pauschal mit Extremismus und Terrorismus in Verbindung gebracht und so zum Feindbild stilisiert.[27]

Aus ähnlicher Motivation heraus werde oftmals Kritik an archaischen Riten und Bräuchen aus vorislamischer Zeit, z. B. die Beschneidung weiblicher Genitalien oder Mord an Familienangehörigen aufgrund narzisstischer Kränkung, bzw. einer vermeintlichen Ehrverletzung (Ehrenmord) unter dem Begriff Islamkritik subsumiert, obwohl der ursächliche Zusammenhang fehlt oder der kritisierte Sachverhalt kein genuin islamisches Phänomen ist.

Der häufig anzutreffende Vorwurf einer „schleichenden Islamisierung“ wird mit Verschwörungstheorien wie der sogenannten Jüdischen Weltverschwörung oder der kommunistischen Unterwanderung verglichen, die sich nahtlos in das von Rechtsextremen propagierte politische Konzept der Überfremdung einfügen würden.

Hannes Schwenger kritisiert, dass dem Islam immer wieder eine Verschwörung zur politischen Machtübernahme unterstellt wird und sich gar an die „Protokolle der Weisen von Zion“ erinnert.[28]

Die Kritik an der Praxis des Schächtens betrifft das Judentum ebenso wie den Islam und erscheint vielfach als Erweiterung oder bloße Adaption antisemitischer Agitation. Der in Toronto lebende und häufig in Deutschland publizierende Soziologieprofessor Y. Michal Bodemann meint in diesem Zusammenhang, dass seit dem 11. September immer mehr „reformulierte Antisemitismen“ gegen Migranten in Gebrauch gebracht werden.[29]

In einem offenen Brief des „Jüdischen Kulturvereins Berlin e. V.“ heißt es: Zunehmend scheinen Antisemitismus und Islamophobie zwei Seiten jener Medaille zu sein, in die stereotypes Handeln und neues Unverständnis mit großen Lettern eingraviert sind.[30]

Bekannte Islamkritiker

Exponenten der Islamkritik aus dem westlichen akademischen Milieu sind unter anderem der deutsche Orientalist und Lehrstuhlinhaber für Arabistik an der Universität Göttingen Tilman Nagel, der Orientalist Hans-Peter Raddatz, die Historikerin Bat Ye'or (Gisèle Littman), der deutsch-syrische Politologe Bassam Tibi, der angloamerikanische Publizist Christopher Hitchens, der französische Philosoph Robert Redeker, die italienische Journalistin Oriana Fallaci und der Althistoriker Egon Flaig. Der deutsche Politologe Matthias Küntzel forscht unter anderem zur Geschichte des Antisemitismus in islamischen Ländern. Islamimmanente Kritik üben die muslimische Autorin Irshad Manji, die derzeit an der Universität von Yale forscht, und der aus Indien stammende und unter Pseudonym publizierende Ibn Warraq, Turan Dursun Türkischer Religionskritiker und Bürgerrechtler.

Christopher Hitchens wendet sich nicht nur gegen den Islamismus, sondern betrachtet den Islam insgesamt äußerst kritisch. So handele es sich um keine Religion aus einem Guss, denn die Überlieferungsgeschichte des Koran sei genauso brüchig wie die der Hadith, der mündlichen Tradierung von Aussprüchen und Taten Mohammeds. Hitchens meint sogar, der Islam sei „nicht viel mehr als ein ziemlich offensichtliches und schlecht strukturiertes Sammelsurium von Plagiaten, das sich bei früheren heiligen Werken und Traditionen bediente, je nachdem, wie die Lage es gerade zu verlangen schien“. Der Islam sei daher in seinen Ursprüngen ebenso diffus und ungenau wie jene Quellen, aus denen er schöpfe. Er beanspruche ungeheuer viel für sich selbst und verlange von seinen Anhängern als Maxime hingebungsvolle Demut bzw. rückhaltlose „Unterwerfung“, während er von den Nichtgläubigen Respekt und Achtung fordere. Seine Lehre beinhaltet aber nach Hitchens’ Ansicht nichts, was dies rechtfertigen könne.[31]

Neben Hitchens haben auch andere Vertreter der sogenannten „neuen Atheisten“ heftige Attacken gegen die islamische Religion gefahren. Der französische Philosoph Michel Onfray, der für seine polemische Religionskritik bekannt ist, spricht vom Aufstieg eines „muslimischen Faschismus“ nach der Islamischen Revolution im Iran und bescheinigt dem Islam „strukturell archaisch“ zu sein.[32] Der ebenfalls für seine antireligiösen Positionen bekannte Autor und Neurologe Sam Harris übt noch heftigere Kritik am Islam, dessen Lehren seiner Meinung nach „in die gleiche Ecke wie Batman“ gehören. Harris schließt sich Samuel P. Huntingtons Thesen an und konstatiert: „Wir sind im Krieg mit dem Islam.“[33]

In der Türkei argumentiert der promovierte islamische Philosoph und Theologe Yaşar Nuri Öztürk seit vielen Jahren gegen „verzerrte Auslegungen“ des Koran. Öztürk, der in der türkischen und deutschen Presse als „Türken-Luther“ bezeichnet wurde,[34] [35] sieht sich selbst als orthodoxen Muslim, der den Islam in seiner reinen, ursprünglichen Form rekonstruieren will. Er unterscheidet zwischen einem kulturell geprägten „Islam der Traditionen“ und einem „wahren Islam“, der sich an der Überlieferung des Korans festmachen ließe. Ausdrücklich befürwortet Öztürk vernunftgeleitete Kritik. Aktuelle Entwicklungen in der islamischen Welt kritisiert er als „Degenerationserscheinungen im Islam“. Er wendet sich auch gegen die Geschlechtertrennung in Schulen und Sport, gegen die Todesstrafe für vom Glauben abgefallene Muslime und gegen fundamentalistische Muslime, „die sich gottgefällig wähnen, weil sie Schweinefleisch und Alkohol meiden, während sie ungerührt ihre Frauen versklaven“. Der Theologe ist in seiner türkischen Heimat durch regelmäßige Fernsehauftritte und Zeitungskolumnen bekannt.[36]

Vor der Islamischen Revolution hatten im Iran Ahmad Kasravi und Ali Dashti zahlreiche kritische Artikel und Bücher vor allem gegen die schiitische Ausprägung des Islam publiziert. Ahmad Kasravi wurde 1946 von einem Mitglied der Fedajin-e Islam ermordet. Ali Dashti wurde 1979 verhaftet und starb 1981 an seinen im Gefängnis erlittenen Verletzungen.

Der Politikwissenschaftler muslimischen Glaubens Bassam Tibi prägte 1992 den Begriff Euroislam und fordert die Prinzipien des Islam mit den Werten der europäischen Kultur und Aufklärung zu vereinbaren. Tibi verlangt vom Islam die endgültige Abkehr von der Scharia und vom Dschihad.

Der rechtspopulistische[37][38] Geert Wilders setzte in seinem Film Fitna („Zwietracht“) (2008) den Islam mit der Bedrohung durch den Faschismus und den Kommunismus gleich und verlangt ein Verbot des Korans. Er bezog sich dabei auf eine Rede der italienischen Islamkritikerin Oriana Fallaci, die die Existenz eines „gemäßigten Islam“ bestritt und die These vertrat, islamistische Gewalt sei nicht Folge eines Missbrauchs dieser Religion, sondern leite sich unmittelbar aus dem Koran ab. Ehsan Jami, ein niederländischer Politiker iranischer Herkunft, veröffentlichte zusammen mit Geert Wilders einen Artikel, in dem der Prophet Mohammed mit Adolf Hitler verglichen wurde. Am 9. Dezember erschien sein islamkritischer Film An Interview with Muhammed im Internet. Unterstützt wird Ehsam Jami bei seinen islamkritischen Bemühungen durch Afshin Ellian, einem niederländischen Professor für Rechtswissenschaften. Er gilt als einflussreiche Stimme gegen den Islam. Ellian kam 1989 als politischer Flüchtling aus dem Iran in die Niederlande.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington verfasste Abdelwahab Meddeb, ein französischer Autor tunesischer Herkunft, sein Buch “La maladie de l’Islam” (2002; dt. "Die Krankheit des Islam") und stellte sich auf die Seite von Papst Benedikts XVI. nach dessen Rede an der Regensburger Universität im September 2006.

Islamkritik durch Karikaturen und Satire

Im sogenannten Karikaturenstreit, der durch den Abdruck von Karikaturen des Propheten Mohammed in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten ausgelöst wurde[39], wurde die Abbildung Mohammeds von konservativen Muslimen und von Islamisten als dessen Herabwürdigung angesehen und auf das innerhalb des Islam umstrittene Bilderverbot im Islam verwiesen. Die Debatte eskalierte, Anfang 2006 kam es in der islamischen Welt zu Massenprotesten und islamistisch motivierten Anschlägen auf westliche Einrichtungen sowie zu Angriffen auf die dänische und norwegische Botschaft in Damaskus und die dänische Botschaft in Beirut. Bei den Ausschreitungen kamen über 100 muslimische Demonstranten ums Leben, es wurden 18 christliche Kirchen zerstört und 823 Menschen verletzt. Liberal ausgerichtete Muslime lehnen ein religiöses Verbot von Abbildungen des Propheten Mohammed und gewaltsame Verteidigung des umstrittenen Bilderverbotes ab.

Siehe auch

Literatur

Islamkritische Literatur

Kritik an der Islamkritik

Sammelband mit Beiträgen von 30 AutorInnen, darunter Feridun Zaimoglu, Ilija Trojanow, Hilal Sezgin, Jasmin Ramadan, Aiman Mazyek, Fereshta Ludin, Ali Kizilkaya, Mely Kiyak, Navid Kermani, Lamya Kaddor, Naika Foroutan, Ferdos Forudastan, Pegah Ferydoni, Sineb El Masrar, Neco Celik, Imran Ayata, Katajun Amirpur, Bekir Alboga und Hatice Akyün.

Rezension zum Manifest der Vielen v. C. Schmidt bei [2]

Weblinks

 Commons: Islamkritik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks Wikibooks: Religionskritik: Islam – Lern- und Lehrmaterialien
Wikiversity Wikiversity: Ein gewaltfreier und toleranter Islam – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch

Einzelnachweise

  1. De Haeresibus by John of Damascus. See Migne. Patrologia Graeca, vol. 94, 1864, cols 763-73. An English translation by the Reverend John W Voorhis appeared in THE MOSLEM WORLD for October 1954, S. 392–398.
  2. Warraq, Ibn (2003). Leaving Islam: Apostates Speak Out. Prometheus Books, 67. ISBN 1-59102-068-9.
  3. Ibn Kammuna, Examination of the Three Faiths, trans. Moshe Perlmann (Berkeley and Los Angeles, 1971), pp. 148–49
  4. The Mind of Maimonides, by David Novak, retrieved April 29, 2006
  5. Mohammed and Mohammedanism, by Gabriel Oussani, Catholic Encyclopedia, retrieved April 16, 2006
  6. Bostom, Andrew. „Islamic Apostates' Tales – A Review of Leaving Islam by Ibn Warraq“, FrontPageMag, July 21, 2003.
  7. Country Report. See also Timothy Garton Ash. „Islam in Europe“, The New York Review of Books, 10. Juni 2006.
  8. Timothy Garton Ash. „Islam in Europe“, The New York Review of Books, 10. Juni 2006.
  9. Tariq Modood (April 6, 2006). Multiculturalism, Muslims and Citizenship: A European Approach, 1st, Routledge, 29. ISBN 978-0415355155.
  10. St. John of Damascuss Critique of Islam; deutsche Übersetzung: Kritik von St. Johannes von Damaskus am Islam
  11. Übersetzung nach: Encyclopaedia of Islam, Bd. VIII, S. 379–381
  12. Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen, Ansprache von Benedikt XVI., Aula Magna der Universität Regensburg am 12. September 2006
  13. vgl. Abdelwahab Meddeb: „Islam und Aufklärung. Theologen und Philosophen im Widerstreit um Tradition und Moderne“; lettre 73, Sommer 2006 [1]
  14. Irshad Manji in ihrem Buch "Der Aufbruch – Plädoyer für einen aufgeklärten Islam", München 2005, S. 64: "Innerhalb Spaniens ... wagte es (Ibn Rushd), anderer Meinung zu sein als die Theokraten. Angetrieben durch den Aufstieg eines grausamen Islam, argumentierte Ibn Rushd, dass 'Philosophen am besten in der Lage sind, die allegorischen Passagen im Koran ... richtig zu verstehen. Es gibt keine religiöse Begründung dafür, dass die allegorischen Koranpassagen wörtlich zu nehmen sind'. Dazu kann ich nur Amen sagen".
  15. Bassam Tibi: [Der Euro-Islam als Brücke zwischen Islam und Europa http://print.perlentaucher.de/artikel/3764.html]
  16. http://www.amnesty.de/umleitung/2002/deu05/091?lang=de%26mimetype%3dtext/html
  17. http://www.amnesty.de/umleitung/2002/deu05/010?lang=de%26mimetype%3dtext/html
  18. Quelle: Jeffrey Herf, Nazi-Propaganda for the Arab World, Yale UP New Haven 2009 ISBN 0300145799. In Engl., sowie ders., Interview mit Karl Pfeifer, in jungle world 15. Juli 2010, S. 10 in Deutsch
  19. Adel-Théodore Khoury: „Das Zitat trifft nur auf eine Minderheit der Muslime zu“ FAZ.NET, 17. September 2006. Abgerufen am 8. August 2011
  20. mustafaakyol.org: türkischer Zeitungsartikel in der Refarans zur Papstkritik von Mustafa Akyol (türkisch)
  21. Lamya Kaddor nimmt zur Islamkritik von Henryk Broder und Necla Kelek Stellung, Forum am Freitag vom 29. Januar 2010 in der ZDF Mediathek
  22. Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams. Berlin: Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, 2011
  23. Was „Israelkritik“ und „Islamkritik“ gemeinsam haben Susanne Bressan auf Hagalil.com
  24. „Politiker blenden Zorn über Probleme aus“ Ralph Giordano im Kölner Stadtanzeiger 22. Mai 2007
  25. „Ich bin doch kein Türkenschreck“ Ralph Giordano in Spiegel Online
  26. Beginn einer weltweiten Aufklärungsbewegung Arzu Toker und Mina Ahadiim Gespräch mit Dr. Michael Schmidt-Salomon, 10. April 2007
  27. Sabine Diederich, Bernd Fechler und Holger Oppenhäuser: Große Politik im Klassenzimmer. Zur pädagogischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus unter Jugendlichen in multikulturellen Lerngruppen., S. 99
  28. Welchen Islam hätten's denn gern? Hannes Schwenger über Ulfkottes Buch Heiliger Krieg in Europa
  29. Unter Verdacht – Parallelgesellschaften und Anti-Islamismus Prof. Y. Michal Bodemann in der Süddeutschen Zeitung, 19. November 2004
  30. Wider die Islamophobie – Terror hat keine Religion Offener Brief des Jüdischen Kulturvereins Berlin e. V.
  31. Wie eigenständig ist der Islam als Religion? Christopher Hitchens in „WELT ONLINE“ am 23. Mai 2007
  32. Vgl. Michel Onfray: Atheist manifesto. The case against Christianity, Judaism and Islam. Carlton, Vic. 2007, S. 199–213.
  33. Vgl. Sam Harris: The End of Faith. Religion, Terror, and the Future of Reason, S. 108–152.
  34. Vom "Türken-Luther" zum Anti-Erdogan: Türkischer Star-Theologe gründet Partei Welt Online, 20. Februar 2005, abgerufen am 3. August 2011
  35. Türk Luther’i Erdoğan’a karşı Hürriyet, abgerufen am 3. August 2011
  36. Vgl. Radiofeuilleton, Dradio Kultur, Beitrag von Abdul-Ahmad Raschid
  37. Deutschlandfunk: „Wilders Einfluss durch die Hintertür“, 14. Oktober 2010
  38. Deutschlandfunk: „Geert Wilders vor Gericht“, 4. Oktober 2010
  39. Mohammed-Karikaturen: Meinungsfreiheit in Zeiten des Internets Spiegel Online, 1. Februar 2006. Abgerufen am 25. September 2011

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