Kannibale von Rotenburg

Kannibale von Rotenburg

Armin Meiwes (* 1. Dezember 1961 in Essen) wurde aufgrund der Tötung eines Menschen und späteren Verspeisung von Teilen der Leiche als Kannibale von Rotenburg bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und berufliche Tätigkeit

Meiwes verpflichtete sich als Soldat auf Zeit und schloss seinen Dienst mit dem Rang Oberfeldwebel nach zwölf Jahren ohne nennenswerte Probleme ab. Im Anschluss war er für eine Raiffeisenbank tätig.

Kannibalistische Neigungen

Seit 1999 versuchte er per Internet, Kontakt zu Menschen aufzunehmen, die kannibalistische Neigungen zeigen. Nach eigenen Angaben hatten die kannibalistischen Neigungen ihren Ursprung in der Lektüre von „Robinson Crusoe“, wo die Schlachtung und Verspeisung eines Menschen geschildert wird. Er las das Buch im Alter von 14 Jahren.[1]

Hergang und Ablauf der Tat

Nachdem Meiwes im Internet nach jungen Männern suchte, kam im Februar 2001 der Kontakt zwischen Meiwes und dem damals 43-jährigen Diplom-Ingenieur Bernd Jürgen Armando Brandes zustande, der bis zuletzt in leitender Position bei der Siemens AG in Berlin angestellt war und der bereits in dem dortigen Prostituierten-Milieu durch Verstümmelungs-bezogene Reden auffiel. Am 9. März 2001 trafen sich Meiwes und der etwa vier Jahre ältere Brandes. Meiwes gab wiederholt und ohne sich selbst zu widersprechen an, Brandes habe in das Abtrennen des äußeren Teiles seines Penis und in die darauf folgende Tötung Brandes' durch Meiwes eingewilligt. Die Vorgänge wurden teilweise filmisch dokumentiert.

Auf die Spur Meiwes' kam die Polizei durch den Hinweis eines Studenten aus Innsbruck, der auf eine erneute Kontaktanzeige dieser Art aufmerksam wurde. Einige Ermittler mussten wegen des Grauens der Tat psychotherapeutisch betreut werden.

Gerichtsverhandlung, Neuverhandlung und Urteil

Vor Gericht argumentierte die Verteidigung, dass die Bereitwilligkeit des Opfers keine Verurteilung Meiwes wegen Mordes rechtfertige und plädierte auf Tötung auf Verlangen.

Armin Meiwes wurde am 30. Januar 2004 vom Landgericht Kassel wegen Totschlags an Brandes zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand Meiwes für schuldfähig und stufte sein Opfer als testierunfähig ein. Insofern sei es schuldhaft gewesen, dessen Tötungsverlangen nachzukommen. Das vorliegende, viereinhalbstündige Tatvideo, welches von Meiwes aufgezeichnet wurde und in dem das Geschehen dokumentiert wurde, diente als Grundlage für die forensischen Untersuchungen. Diese wurden von Prof. Dr. med. Manfred Riße durchgeführt, der im September 2007 ein Buch veröffentlichte, in dem die Arbeiten besonders zu diesem Fall aufgearbeitet und dargestellt werden.

Am 22. April 2005 hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und verwies den Fall mit folgender Begründung an das Landgericht Frankfurt am Main zur Neuverhandlung: „Die Verurteilung nur wegen Totschlags und nicht wegen Mordes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand[2]. Die Hauptverhandlung vor der 21. Strafkammer des Schwurgerichts begann am 12. Januar 2006, am 9. Mai 2006 wurde Meiwes zu lebenslanger Haft wegen Mordes und Störung der Totenruhe (die das Verzehren einer Leiche nach Auffassung des Gerichtes darstellt) verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung im Februar 2007.[3]

Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde Meiwes' wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 zurückgewiesen [4]

Hintergrund

Armin Meiwes litt bereits seit seiner Kindheit unter Minderwertigkeitskomplexen. Psychiater, die Meiwes untersuchten, vermuteten, er wollte die Identität seines Opfers annehmen und mit diesem „verschmelzen“.

Brandes unterhielt sich offenbar mehrfach mit Prostituierten in Berlin über Verstümmelung und Kannibalismus; er erregte anscheinend den Eindruck, vollständig „verschwinden“ zu wollen. Er forderte angeblich Meiwes auf, auch seine Knochen zu zermahlen und zu vernichten. Brandes wünschte angeblich, dass die Erinnerung an ihn ausgelöscht werde.

Künstlerische Verarbeitung

  • Die Songs „Schlachtfest“ von den Wilden Jungs, „Menschenfresser“ von Suicide Commando, „The Wustenfeld Man Eater“ des Death-Metal-Trios Macabre, „Perverted Appettite“ der Death-Metal-Band Moshquito, „Abendmahl“ der Thüringer Metalband Macbeth, „Mein Teil“ von Rammstein sowie „Der Kannibale von Rotenburg“ von Vicki Vomit verarbeiten die Geschichte musikalisch. In dem Song „Wenn der Ripper dich packt“ von Blokkmonsta und Dr. Faustus von Hirntot Records wird Meiwes erwähnt.
  • Mehrere Theaterstücke sind von diesem Fall inspiriert, beispielsweise „69“ von Igor Bauersima und „ein fleisch“ von Christoph Prückner. Weiters kommen in dem von Bruno Max am Wiener Theater Scala inszenierten Stück „Abendwinds Abendmahl - Kein Abend für Vegetarier“ die Gespräche zwischen Meiwes und des untersuchenden Psychiaters zur Aufführung.
  • Die Satirezeitschrift Titanic brachte auf dem Titelblatt im Januar 2004 Meiwes scherzhaft als Nachfolger von Florian Gerster als Chef der Bundesagentur für Arbeit ins Gespräch („Schon 10 Arbeitslose weniger“). [5]
  • In der britischen Sitcom The IT Crowd antwortet die Figur Moss auf eine Kontaktanzeige eines in England lebenden Deutschen, die er fälschlicherweise für ein Angebot zu einem Kochkurs hält. Allerdings handelt es sich beim Inserenten um einen Kannibalen, der den Interessierten selbst und nicht mit diesem kochen möchte.
  • Im Horrorfilm Rohtenburg (Butterfly, a Grimm Love Story), der am 9. März 2006 in die deutschen Kinos kommen sollte, wird das Leben des von Thomas Kretschmann verkörperten Kannibalen Oliver Hartwin dargestellt, der einen Mann ermordet und verzehrt hat. Meiwes ging gerichtlich gegen das Werk vor, da von ihm keine Zustimmung zur Verarbeitung seines Lebens in dieser Form vorliege und der Film, insbesondere in Bezug auf laufende Strafprozesse, seine Persönlichkeitsrechte verletze. Am 3. März 2006 erließ das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf Antrag von Armin Meiwes eine einstweilige Verfügung, welche die Aufführung des Filmes untersagt. Die Persönlichkeitsrechte des Klägers seien höher einzuschätzen als eine mögliche künstlerische Aufarbeitung des Themas, zumal die Übereinstimmungen zwischen Film und Realität ‚hinreichend glaubhaft‘ dargelegt werden konnten. Am 17. Juli 2008 bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Urteil des Landgerichts Kassel, welches das Inverkehrbringen des Films untersagt und damit im Wesentlichen seinen Entscheid vom 3. März 2006. Gegen das Urteil wurde Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Da diese zugelassen wurde, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.[6]
  • Der australische Thriller „Feed“ von Brett Leonard zeigt in den ersten paar Minuten des Filmes, wie eine Polizeistaffel das Haus des „Kannibalen von Rotenburg“ stürmt und ihn auf frischer Tat ertappt, als er sein „Opfer“ mit dessen eigenen Körperteilen füttert.

Verwandte Themen

Einzelnachweise

  1. laut Berliner Kurier vom 23. September 2007
  2. Urteil vom 22.04.05[1]
  3. Pressemitteilung des BGH vom 16. Februar 2007 [2]
  4. http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20081007_2bvr057807.html Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
  5. Titanic: Heftauswahl → 2004 → Januar
  6. Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main

Literatur

  • Klaus M. Beier: Sexueller Kannibalismus – Sexualwissenschaftliche Analyse der Anthropophagie. Elsevier, Urban & Fischer, München 2007, ISBN 3-437-23930-9.
  • Manfred Riße: Abendmahl der Mörder. Kannibalen – Mythos und Wirklichkeit. Militzke, Leipzig 2007, ISBN 3-86189-776-8.
  • Günter Stampf: Interview mit einem Kannibalen – Das geheime Leben des Kannibalen von Rotenburg. Seeliger, Wolfenbüttel 2007, ISBN 3-936281-24-6.
  • Hans-Volker Werthmann: Die Leere war weg. Psychoanalytische Anmerkungen zum Rotenburger Kannibalismus-Fall. In: Psyche 2006, Nr. 8, S. 763–775.
  • Thomas Knecht: Kannibalismus als Tötungsmotiv. In: Der Kriminalist 2005, Nr. 2, S. 69f. und Nr. 3, S. 127–129.
  • Egon Petricius: Der Kannibalen-Fall von Rotenburg Branchen-Forum Schmidt, Alheim 2004, ISBN 3-00-012910-3.

Weblinks


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