Anderthalbhänder

Anderthalbhänder
Anderthalbhänder
Bastardschwert.jpg
Angaben
Waffenart: Schwert
Bezeichnungen: Schwert zu anderthalber Hand, Kriegsschwert, Großschwert
Verwendung: militärische und zivile Waffe
Entstehungszeit: 12. Jahrhundert
Einsatzzeit: 12. Jh. bis Ende 14. Jh.
Ursprungsregion/
Urheber:
Frankreich
Verbreitung: Europa
Gesamtlänge: etwa 140 cm, variabel
Klingenlänge: etwa 80 cm – 112 cm, variabel
Klingenbreite: variabel
Griffstück: Holz, Horn
Besonderheiten: Klinge mit Hohlschliff
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Der Anderthalbhänder (auch Bastardschwert genannt) ist eine Bezeichnung für mehrere Typen des spätmittelalterlichen und renaissancezeitlichen Schwertes. Es stellt im allgemeinen eine Übergangsstufe zwischen dem europäischen Kampfschwert und Langschwert wobei der Begriff "Anderthalbhänder" sich explizit auf die Länge des Griffes bezieht (vergl. [1]). Jene Bezeichnung ist aber im Großen und Ganzen modern, die zeitgenössische historisch korrekte Bezeichnung für Schwerter war Schwert oder das lange Schwert, wobei der Unterschied zwischen "langen" und "einhändigen" Schwertern bis Mitte 15 Jh. eher in der Art der Schwertführung als der tatsächlichen Klingenlänge bestand.[2]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Anderthalbhänder sind eine Weiterentwicklung des bis dahin üblichen Einhandschwertes. Es entstand zunehmend die Notwendigkeit ein größeres und hiermit effektiveres Schwert zu führen, welches der verbesserten Rüstungstechnologie des 13 Jh. gerecht werden konnte.[3] Diese Schwerter erreichten oft eine Klingenlänge bis zu 90 cm und zeichnen sich durch einen bis zu 30 cm langen Gehilz aus. Dadurch wurde es möglich, mit der zweiten Hand unterstützend den Knauf, den verlängerten Griff oder die Klinge zu packen. Sie unterscheiden sich deutlich vom Zweihänder, welcher außer der bis zu zwei Meter langen Klinge noch einen wesentlich längeren Griff besitzt. Diese frühen Anderthalbhänder werden in der zeitgenössischen Literatur meist als "Großschwert" oder "Kriegsschwert" (epées de guerre, grete war swords, siehe [4]) bezeichnet. Die Klingen dieser Schwertgattung sind zumeist den Typen XIIa und XIIIa (aber auch XV, XVI und XX zu späteren Zeiten) nach der Oakeshott-Klassifikation zugeordnet und unterscheiden sich nur wenig von den bis dahin üblichen Schwertwaffen, auch ist ihre Verwendung primär einhändiger Natur. Die Grauzone zwischen Langschwertern und Anderthalbhändern ist jedoch beträchtlich, so das hier die üblichen Klassifikationen nicht greifen.[5] Die Verlängerung des Griffes könnte mehrere Gründe haben, vor allem jedoch ist diese eine Konsequenz der längeren Klinge.[6]

Ab der Mitte des 14 Jh. zeichnet sich ein Übergang zu vollwertig zweihändigen Schwertern,[7] welche zum größten Teil die Typen XV bis XX repräsentieren. Vor allem der Typ XVa ist das erste Schwert welches im Gegensatz zu "Großschwertern" eine gleichberechtigte Führung mit einer oder zwei Händen erlaubt.[8] Dieser Typ hatte im 14 und 15 Jh. durchgehend Bestand und war laut Fechtbüchern die primäre Fechtwaffe der Liechtenauerschen Schule. Hiermit ist aus historischer Sicht der Begriff Anderthalbhänder nicht identisch mit Langschwert; die zeitgenössische Bezeichnung für die ersten vollwertig zweihändig zu führenden Schwerter (Typen XV-XXa) die aber gleichzeitig einhändige Bedienung erlauben ist "das lange Schwert". Ein Anderthalbhänder stellt gemäß der Grifflänge eine grundlegend einhändige Schwertart mit einem verlängerten Griff dar, welche bei Bedarf mit der zweiten Hand nachgegriffen werden kann.[9] Eine primär zweihändige Führung ist hierbei nicht möglich.

Geschichte

Die Entwicklung der Waffentechnik und Kriegstaktik, beispielsweise die massenhafte Einführung des Langbogens oder der massierte Einsatz von Fußvolk mit Stangenwaffen, führten zu einer Veränderung der Schutzwaffen. Der Schild wurde immer kleiner und die Rüstung musste um so besseren Schutz bieten. Die Rüstungen, die bis dahin vornehmlich aus Ringgeflecht bestanden, wurden zunehmend mit Platten verstärkt. Damit wurden die bis dahin üblichen Schwerter wirkungsärmer. Um das auszugleichen, wurden natürlich auch die Waffen angepasst. Da auf Grund der überragenden Schutzwirkung von Plattenrüstungen im Kampf kein Schild mehr getragen werden musste, konnte man beide Hände für das Führen des Schwerts benutzen (daher auch der längere Griff bei den langen Schwertern), was einen höheren Anspruch an die Verbesserung der Fechtkunst zur Folge hatte.

Die rekonstruierende zeitgenössische Fechtkunst beschäftigt sich hauptsächlich mit dem langen Schwert; dieses wird dabei stets zweihändig geführt und lediglich für einzelne Techniken eine Hand vom Griff genommen. Allerdings gab es etliche Techniken, bei der das Schwert mit einer Hand am Griff und mit einer an der Klinge geführt wurde, die sogenannte Halbschwert-Technik. Eine noch spätere Entwicklung, um Rüstungen zu brechen, waren spezialisierte Schwerter, die für die oben erwähnte Halbschwerttechnik gedacht waren und darüber hinaus auch zum festen Stich taugten, die sogenannten Bohrschwerter. Diese besaßen zwar stumpfe Klingen, dafür aber extra verstärkte Spitzen und speziell geformte Klingen und wurden auch Estoc genannt.

Begriffserklärung

Der Anderthalbhänder wird außerdem relativ oft mit dem Bastardschwert gleichgesetzt, was historisch gesehen nicht zutrifft. Die langen Schwerter zwischen 1350 und 1450 unterschieden sich bezüglich der Klingenlänge nur unwesentlich. Erst ab Mitte des 15 Jh. findet ein deutlicher Zuwachs an der Gesamtlänge der "langen" Schwerter und die Trennung zwischen "Langschwert" und "Bastardschwert".[10] Was noch um 1400 als "langes Schwert" bezeichnet wurde nahm in der zweiten Hälfte des 15 Jh. die Stelle zwischen sehr langen "Langschwertern" und einhändigen Schwertwaffen ein und wurde als ein "Bastard" bezeichnet.[11]

Die Umdeutung des Begriffes "das lange Schwert" von der zweihändigen Führung zu tatsächlich langen Schwertern führt besonders heute zu Missverständnissen. Die einhändig geführten Schwerter mit extra verlängertem Griff "zu anderthalb Hand" existierten vor allem zwischen 12 und 14 Jh. Die langen Schwerter bis Mitte 15 Jh. konnten zwar oft einhändig verwendet werden, eine primäre verwendung als Einhänder ist historisch gesehen nicht gegeben. Ab 1450 bis tief ins 16 Jh. scheinen diese langen Schwerter im Spiegel der Quellen als "Bastardschwert", um die Trennung zwischen noch längeren Fechtwaffen deutlich zu machen. Heute werden die Begriffe von der Fachwelt so benutzt, dass der "Anderthalbhänder" und "Langschwert" eine strikte Trennung erfahren, wobei "Bastardschwert" als eine Unterform des langen Schwertes betrachtet wird.

In den Quellen wird der Anderthalbhänder in der Regel nicht als "langes Schwert" oder "Zweihandschwert" bezeichnet, sondern schlicht als "schwert". Der Ursprung des Begriffes "Anderthalbhänder" scheint in einer italienischen Inventar-Schrift von 1549 ("spada da una mano et mezza") sowie im Fechtbuch von Giovani Antonio Lovino zu liegen, welche der Epoche gemäß eher Rapiere oder Reiterschwerter zu meinen scheinen.[12] Auch ist die Bezeichnung "Zweihänder" ("spada a due mani") dem deutschen das lange Schwert äquivalent. Hiermit ist der Begriff "Anderthalbhänder" für die Schwerter des 13-15 Jh. historisch nicht nachweisbar.

Literatur

  • Tilman Wanke: Anderthalbhänder – Zweihänder – Langes Schwert. Download als PDF
  • George Cameron Stone, Donald J. LaRocca, A Glossary of the Construction, Decoration and Use of Arms and Armor: in All Countries and in All Times Verlag Courier Dover Publications, 1999, ISBN 978-0-486-40726-5
  • Wendelin Boeheim, Handbuch der Waffenkunde Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1890, Fourier Verlag, Wiesbaden 1985, ISBN 978-3-201-00257-8
  • Kurt Kamniker: Die Anderthalbhänder des Steiermärkischen Landeszeughauses in Graz. In: Trommeln und Pfeifen, Militärzelte, Anderthalbhänder, Nürnberger Waffen, Waffenhandel und Gewehrerzeugung in der Steiermark (Veröffentlichungen des Landeszeughauses Graz, 6) Graz, 1976, S. 61–81
  • Eduard Wagner, Hieb- und Stichwaffen, Dausien Verlag Hanau,1975, Seite 90, ISBN 3-7684-1598-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wanke S. 6
  2. Wanke S. 20-21
  3. Wanke S. 13 ff.
  4. Wanke S. 14
  5. ZEF 7, Schwert zu anderthalb Hand, um 1400, Oakeshott Type XVa
  6. Wanke S. 17 ff.
  7. Wanke S. 19
  8. Type XVa
  9. Wanke S. 12
  10. Wanke S. 21
  11. Wanke S. 32-33
  12. Wanke S. 7

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