- Karl Kerenyi
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Karl (Károly) Kerényi [ˈkaːroj ˈkɛreːɲi] (* 19. Januar 1897 in Temesvár, damals Österreich-Ungarn heute im westlichen Rumänien; 14. April 1973 in Kilchberg, Schweiz) war ein klassischer Philologe und Religionswissenschaftler.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Nach seinem Studium der Klassischen Philologie in Budapest unternahm Kerenyi ausgedehnte Reisen. 1919 promovierte er in Budapest über Platon und Longinus und unterrichtete an verschiedenen Budapester Gymnasien Griechisch und Latein. Nach seiner Habilitation 1927 wurde er 1936 als Professor für Klassische Philologie und Alte Geschichte an die Universität Pécs (Fünfkirchen) berufen. 1941 wurde er gegen seinen Willen nach Szeged auf eine Professur für Altertumswissenschaften versetzt, bevor er 1943 in die Schweiz emigrierte. 1946/47 war Kerenyi Lektor für ungarische Sprache und Literatur an der Universität Basel. Nach seiner Emigration hatte Kerényi verschiedenste Gastprofessuren inne: an der Universität Bonn (1955/56), an den Universitäten Oslo und Rom (1960) und an der Universität Genova (1964). Zwischen 1960 und 1971 hielt er jährliche Vorträge auf den Tagungen des Instituts für Philosophie der Universität Rom. 1962 erhielt er die Schweizer Staatsbürgerschaft. Von 1948 - 1966 war er Mitarbeiter und Forschungsleiter des C.G. Jung Instituts in Zürich. Für beide befruchtend wurde seine Zusammenarbeit mit C. G. Jung. Mit diesem zusammen gründete er 1933 die Eranos-Tagungen in Ascona, bei denen sich Gelehrte verschiedenster Fachrichtungen zum Gespräch treffen. Er betrachtete (wie z.B. auch Walter F. Otto) die Erscheinungen der griechischen Religion nicht als Curiosa, sondern als Ausdruck genuin menschlicher Erfahrung. Dank dieser Haltung konnte er viele Menschen außerhalb der philologischen Zunft ansprechen, doch blieb er dadurch in der damaligen Philologie ziemlich isoliert.
Preise und Auszeichnungen
- 1929: Stipendiat am Deutschen Archäologischen Institut in Athen
- 1931: Ordenskreuz von König Georg von Griechenland
- 1947: Fellowship der Bollingen Foundation (bis 1973 erhalten)
- 1963: Dr. honoris causa der Theologischen Fakultät der Universität Uppsala
- 1969: Goldmedaille der Wilhelm von Humboldt-Gesellschaft in Stuttgart
- 1970: Pirckheimer-Ring der Stadt Nürnberg.
- 1989: Post mortem: Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
Als Romanfigur
Seine Figur hat Antal Szerb, der ungarische Weltbürger und Schriftsteller im Roman Reise im Mondlicht als Rudi Waldheim verewigt. Mihály und Rudi Waldheim „waren zusammen auf der Universität gewesen. Waldheim wusste schon damals ungeheuer viel, las in allen Sprachen alles, was gelesen werden musste, erklärte es sehr gern und sehr gut dem ebenso gern zuhörenden Mihály. Waldheim hingegen ging nach Deutschland, um sich zu Füßen der großen Meister zu vervollkommnen, und so brach der Kontakt ab. Jetzt kam ihm die spezielle Liebenswürdigkeit Waldheims in der Sinn: die foxterrierhafte Lebhaftigkeit seines kahlgeschorenen, glänzenden Kopfes, sein unglaublicher Wortreichtum, denn Waldheim gab fortwährend laute, in fehlerfreie lange Sätze gefasste und fast immer interessante Erläuterungen von sich, wahrscheinlich sogar noch im Traum. Seine unverbrüchliche Vitalität, sein ewiger Appetit auf Frauen, mit dem er sich auch auf Kolleginnen stürzte, die gar nicht so anziehend waren; und vor allem seine Eigenschaft, die er nach Goethe, aber etwas unwillig „Ergriffenheit“ nannte: nämlich dass die Wissenschaft, ihre Einzelheiten und das abstrakte Ganze, der Geist als solcher, ihn ständig auf Hochtouren hielt; nie war er gleichgültig, sondern immer fieberhaft mit etwas beschäftigt, betete gerade eine große, uralte Manifestation des Geistes an oder hasste einen „oberflächlichen“, „billigen“, „niveaulosen“ Blödsinn, und immer geriet er von dem Wort „Geist“ in Trance. Es musste für ihn eine besondere Bedeutung haben.“ (In: A. Szerb: Reise im Mondlicht. München, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2003. S.157-158)
Werke
- Apollon. Studien über antike Religion und Humanität. (1937)
- Das ägäische Fest. Die Meergötterszene in Goethes Faust II. (1941)
- Der Mythos der Hellenen in Meisterwerken der Münzkunst. (1941)
- Töchter der Sonne, Betrachtungen über griechische Gottheiten. (1944)
- Bachofen und die Zukunft des Humanismus. Mit einem Intermezzo über Nietzsche und Ariadne. (1945)
- Die Geburt der Helena samt humanistischen Schriften aus den Jahren 1943–45. (1945)
- Der Göttliche Arzt. Studien über Asklepius und seine Kultstätte. (1948)
- Niobe. Neue Studien über Antike Religion und Humanität. 1949
- Pythagoras und Orpheus. Präludien zu einer zukünftigen Geschichte der Orphik und des Pythagoreismus. (1950)
- Die Jungfrau und Mutter der griechischen Religion. Eine Studie über Pallas Athene. (1952)
- Stunden in Griechenland, Horai Hellenikai. (1952)
- Unwillkürliche Kunstreisen. Fahrten im alten Europa 1952. (1954)
- Griechische Miniaturen. (1957)
- Die Heroen der Griechen. (1958)
- Gespräch in Briefen (Thomas Mann/Karl Kerényi). (1960)
- Streifzüge eines Hellenisten, Von Homer zu Kazantzakis. (1960)
- Prometheus – Die menschliche Existenz in griechischer Deutung. (1962)
- Die Religion der Griechen und Römer. (1963)
- Die Mythologie der Griechen. (1966)
- Band 1: Die Götter- und Menschheitsgeschichten
- Band 2: Die Heroengeschichten
- Humanistische Seelenforschung; „Werke in Einzelausgaben“, Band 1. (1966)
- Die Eröffnung des Zugangs zum Mythos (1967)
- Auf Spuren des Mythos; „Werke in Einzelausgaben“, Band 2. (1967)
- Tage- und Wanderbücher 1953–60. „Werke in Einzelausgaben“, Band 3. (1969)
- Der antike Roman. (1971)
- Antike Religion. Werke in Einzelausgaben; Bd. 7. (1971)
- Briefwechsel aus der Nähe (Hermann Hesse/Karl Kerényi). (1972)
- Dionysos. Urbild des unzerstörbaren Lebens. Hrsg. von Magda Kerényi. „Werke in Einzelausgaben“, Band 8. (1976)
- Apollon und Niobe. Hrsg. von Magda Kerényi. „Werke in Einzelausgaben“, Band 4. (1980)
- Wege und Weggenossen 1. Hrsg. von Magda Kerényi. „Werke in Einzelausgaben“, Band 5.1. (1985)
- Urbilder der Griechischen Religion. Hrsg. von Magda Kerényi. Werkausgabe, Band 5. (1998)
Literatur
- Renate Schlesier (Hrsg.): Neuhumanismus und Anthropologie des griechischen Mythos. Karl Kerényi im europäischen Kontext des 20. Jahrhunderts, Locarno 2006. ISBN 978-88-85688-08-7
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Karl Kerényi im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten NAME Kerényi, Karl ALTERNATIVNAMEN Kerényi, Károly KURZBESCHREIBUNG klassischer Philologe und Religionswissenschaftler GEBURTSDATUM 19. Januar 1897 GEBURTSORT Temesvár, damals Österreich-Ungarn STERBEDATUM 14. April 1973 STERBEORT Kilchberg, Schweiz
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