- Keltenschanze
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Als Viereckschanze oder Keltenschanze bezeichnet man die vor allem in Süddeutschland anzutreffenden Reste eines quadratischen, manchmal auch rechteckigen Areals mit umlaufendem Wall und Graben. In Bayern und Baden-Württemberg sind mehr als 300 dieser Anlagen bekannt. Daneben gibt es Viereckschanzen in der Schweiz, in Österreich, in Böhmen und in Nordfrankreich. Eine Viereckschanze war ein dauerhaft bewohnter keltischer Gutshof oder der Mittelpunkt einer ländlichen Gemeinde.[1]
Inhaltsverzeichnis
Forschungsgeschichte
Im 19. Jahrhundert wurden die Schanzen zunächst als militärische Anlagen der Römer gedeutet. Die Grabungen in der Viereckschanze bei Hardheim-Gerichtstetten im Neckar-Odenwald-Kreis durch W. Conrady und K. Schumacher brachten dann 1896 zum ersten Mal zahlreiche Funde aus der späten Latènezeit, dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. Die Bezeichnung „Viereckschanze“ geht auf Paul Reinecke zurück, der die Grabenanlagen 1910 für keltische Befestigungen hielt; um 1920 interpretierte er sie als befestigte keltische Gutshöfe.
Friedrich Drexel veröffentlichte 1931 einen Aufsatz, in dem er die Viereckschanzen über den Vergleich mit archäologischen Befunden aus dem Mittelmeerraum als spätkeltische Heiligtümer deutet. Diese Interpretation setzte sich in der Folgezeit als Lehrmeinung durch, denn die Ergebnisse der ersten größeren Ausgrabung einer Viereckschanze – um 1950 bei Holzhausen im Landkreis München durch Klaus Schwarz – schienen diese Deutung zu stützen: Der Grundriss eines Holzgebäudes erinnerte an einen römischen Tempel; drei bis zu 35 Meter tiefe Schächte wurden als Opferschacht|Opferschächte gedeutet, und auch die zurückgezogene Lage der Schanze diente als Argument.
Erst seit den 1980er Jahren wurden in Bayern und in Baden-Württemberg wieder Grabungen unternommen, jetzt mit dem Bemühen, die Gesamtanlage komplett zu untersuchen. In Fellbach-Schmiden wurde nachgewiesen, dass es sich bei den vermuteten Opferschächten um Brunnen handelt, und in einem dieser Brunnen machte man 1980 einen sensationellen Fund: drei etwa 90 cm hohe, aus Eichenholz geschnitzte Tierfiguren. Diese unter einer zwei Meter dicken Schicht Stallmist im Brunnenschacht verborgenen Figuren blieben bisher die einzigen Fundstücke, die man in einem religiösen Kontext sehen kann.
Die bis vor einigen Jahren vorherrschende Deutung einer keltischen Viereckschanze als Kultstätte wird durch die großflächige Ausgrabung der beiden Viereckschanzen bei Nordheim (Württemberg) korrigiert. Der ungewöhnlich große, siedlungstypische Fundbestand spricht für eine Rückkehr zur Interpretation der Viereckschanze als keltischer Gutshof, auf dem es natürlich auch einen Ort für kultische Handlungen gab.
Lage und Erscheinungsbild
Viereckschanzen befinden sich fast nie in exponierten Lagen, sondern häufig auf leichten Hängen und im Flachland, vor allem auf den für die Landwirtschaft geeigneten Böden. Manche sind in keltische Siedlungen eingebunden (Bopfingen), und manchmal findet man in ihrer Nähe latènezeitliche Grabhügel. Fast die Hälfte aller Anlagen in Süddeutschland liegt in der Nähe eines Flusses oder Baches. In der Nachbarschaft befindet sich manchmal eine zweite Schanze in geringer Entfernung und sehr selten kommen auch Doppelschanzen vor (Nordheim).
Viereckschanzen sind Grabenanlagen mit einem quadratischen oder rechteckigen Grundriss, der manchmal rhombisch oder trapezförmig verzogen ist, und mit Seitenlängen zwischen 80 und 140 Metern. Auf der Innenseite des Grabens befindet sich der mit dem Aushub errichtete Wall. Die Schanzen haben nur einen Zugang, der offenbar nie im Norden lag. Meist befindet er sich in der Mitte einer der drei anderen Seiten. Manchmal war auch ein Torbau vorhanden, mit einer Holzbrücke über dem Graben, der im Torbereich durchlief. Neuere Grabungen zeigen, dass im Innenraum der Anlage oft ein wiederkehrendes Bauschema auftritt: Das größte Gebäude liegt jeweils an der dem Eingang gegenüberliegenden Seite, während die kleineren Bauten in den Ecken stehen; so bleibt im Zentrum eine unbebaute freie Fläche. Brunnen und in den Boden eingetiefte sogenannte Grubenhäuser, die wahrscheinlich als Werkstätten dienten, sind nicht immer vorhanden.
Verbreitung und Datierung
Viereckschanzen findet man vom Atlantik bis nach Böhmen. Das Hauptverbreitungsgebiet liegt in Süddeutschland und in Frankreich zwischen Seine und Dordogne. In Süddeutschland und in den angrenzenden Gebieten sind bis heute mehr als 300 Anlagen bekannt. Das Fundgut wird in die späte Latènezeit datiert, in das 2. und 1. vorchristliche Jahrhundert. Dendrochronologische Untersuchungen weisen in die gleiche Zeit.
Einzelnachweise
- ↑ Kelten-Info-Bank. Nach: Nawroth u.a., Ausstellungsführer, Theiss 2002 S. 42f.
Siehe auch
Literatur
- Kurt Bittel, Siegwalt Schiek, Dieter Müller: Die keltischen Viereckschanzen (Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg). 2 Bde. Stuttgart, 1990. ISBN 3-8062-0851-4
- Andrea Neth: Entdeckung archäologischer Fundstellen damals und heute. In: Christina Jacob / Helmut Spatz: Schliz – ein Schliemann im Unterland? 100 Jahre Archäologie im Heilbronner Raum, Städtische Museen Heilbronn 1999.
- Andrea Neth: Viereckschanzen – Gutshöfe des keltischen Landadels. Heimat− und Altertumsverein Heidenheim an der Brenz e.V., Sonderdruck aus Jahrbuch 2001/2002.
- Alfred Haffner (Hrsg.): Heiligtümer und Opferkulte der Kelten. Sonderheft Archäologie in Deutschland. Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 2001.
- Manfred Nawroth u.a.: Menschen – Zeiten – Räume. Archäologie in Deutschland. Ausstellungsführer, Theiss, Stuttgart 2002.
- Günther Wieland (Hrsg.): Keltische Viereckschanzen. Einem Rätsel auf der Spur. Theiss, Stuttgart 1999. (Im Anhang eine Liste von 277 und Besprechung von 24 Grabungen). ISBN 3806213879
- Günther Wieland / Klaus Schwarz: Die Ausgrabung in der Viereckschanze 2 von Holzhausen. Grabungsberichte von Klaus Schwarz. Zusammengestellt und kommentiert von Günther Wieland, Leidorf 2005. ISBN 3896465368
- Viereckschanzen - rätselhafte Bauwerke der Kelten. (Stand der Viereckschanzenforschung in Bayern und Baden-Württemberg, Kolloquium Kelheim, in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege). Kelheim, 2005. ISBN 3-00-017987-9
- Klaus Schwarz: Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bayerns - Textband. München, 2007. ISBN 978-3-406-10336-0
Weblinks
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