Kinderbibliothek

Kinderbibliothek

Eine Kinder- und Jugendbibliothek ist eine Bibliothek, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist. Sie ist häufig Teil einer öffentlichen Bibliothek, kann aber auch in einem eigenen Gebäude untergebracht sein.

Inhaltsverzeichnis

Kinderbibliothek

Eine Kinderbibliothek im Sinne des Strukturpapiers „Bibliotheken ´93“ zählt zu den Bibliotheken der Funktionsstufen 1 und 2 und hat die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen bis zum 13. Lebensjahr den Zugang zu altersgerechten Medien aller Art zu ermöglichen. Damit dient sie der Leser- und Leseförderung. Sie soll außerdem Hilfestellung beim schulischen und außerschulischen Lernen sowie Unterhaltung und Freiräume für eigene Aktionen (Spielen, Toben) bieten. Neben Kindergarten, Schule, freier Jugendarbeit und Elternhaus soll nicht zuletzt die Kinderbibliothek bei der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz helfen. Dazu muss sie nicht nur die Kinder selbst, sondern auch erwachsene Vermittler wie Eltern, Lehrer und Erzieher ansprechen. Die meisten der so genannten „Kinder- und Jugendbibliotheken“ in Deutschland sind in der Praxis reine Kinderbibliotheken.

Jugendbibliothek

Sie bildet einen eigenständigen Übergangsbereich zwischen der Kinder- und der Erwachsenenbibliothek und soll in erster Linie Medien für spezielle Bedürfnisse der Jugendlichen anbieten. Dazu muss sie neben Informationen zu Schule und Ausbildung auch die Freizeitinteressen der Jugendlichen berücksichtigen, wenn sie diese als Kunden gewinnen bzw. halten möchte. (80 Prozent der Kinder bis zum Alter von 13 Jahren sind regelmäßige Bibliotheksnutzer, danach bricht die Nutzungshäufigkeit stark ein). Das Angebot einer solchen Bibliothek ist daher stark abhängig von ihrem Standort. Es muss außerdem die unterschiedlichsten Entwicklungsstufen und Verhaltensnormen von Jugendlichen berücksichtigen, so dass diese sich ernst genommen fühlen. Insgesamt muss sich die Bibliothek soweit als möglich ihren jugendlichen Kunden anpassen – nicht umgekehrt. Zusätzlich sollte sie mit anderen Einrichtungen, die von Jugendlichen genutzt werden – Schulen, Freizeitheime, Sportvereine usw. – zusammenarbeiten.

Historische Entwicklung

Historisch gesehen stammt die Idee, eine eigene Abteilung für Kinder und Jugendliche in der Bibliothek einzurichten, aus dem anglo-amerikanischen Raum. Die erste Juvenile Library gründete John Newbery in London um 1750, wobei dies eher ein Kinderbuchladen als eine Kinderbücherei war.

Die ersten richtigen Kinder- und Jugendbibliotheken entstanden dann Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA – 1803 in Salisbury (Connecticut), 1822 in Dublin (New Hampshire) und Richmond, Virginia.

Kinder- und Jugendbibliothek des Leers'schen Waisenhauses in Bayreuth, Anfang des 19. Jahrhunderts, Bestand heute in der Universitätsbibliothek Bayreuth befindlich

In Deutschland dagegen stand die Arbeit der Volksbüchereien zuerst ganz im Zeichen der Erwachsenenbildung. Noch 1920 war dort die Einrichtung von Jugendabteilungen durchaus nicht selbstverständlich und bezog sich in erster Linie auf Heranwachsende ab 16 oder 17 Jahren. Zwar gab es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erste Kinderlesehallen in Deutschland (1907 Mannheim und zahlreiche andere Städte, 1913 in Berlin durch J. Mühlenfeld), doch insgesamt kam das Bibliothekswesen für Kinder und Jugendliche nur langsam voran. Einen besonders tiefen Einschnitt erlebte es dann durch die Gleichschaltung des gesamten kulturellen Lebens während der NS-Zeit.

Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 und vor allem der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949/50 wurde das Kinder- und Jugendbibliothekswesen im Westen verstärkt ausgebaut.In den 60er Jahren wurden die Kinder- und Jugendbereiche streng von der Erwachsenenbibliothek getrennt und zu Schonräumen für die Kinder und Jugendlichen erklärt. Nach der 68er-Revolution entstanden die so genannten „No-Silence“-Bibliotheken, die allerdings die Mitarbeiter vor schwere Disziplinprobleme stellten und in der Folge rasch wieder eingestellt wurden. Die Bibliotheken beschränkten sich nach diesen Erfahrungen zunächst auf verstärkte Angebote für Kinder, was – in Zusammenhang mit dem Aufkommen neuer Medien (wie Internet-PC, Spiele-Software, CD-ROM) – in den 80ern zu einem rapiden Absinken der jugendlichen Nutzerzahlen führte. Obwohl die Bibliotheken daraufhin auch verstärkt diese Medien in ihr Angebot aufnahmen, blieb das Schwergewicht zunächst doch auf den Printmedien. Erst in den 90er Jahren wurden die neuen Medien den traditionellen Büchern und Zeitschriften gleichgestellt.

In der DDR begann der Aufbau von Kinderbibliotheken nach dem Krieg mit der Verabschiedung einer Verordnung des Volksbildungsministeriums von 1950, in der festgelegt wurde, dass alle öffentlichen Bibliotheken mit hauptamtlicher Leitung Kinder- und Jugendbuchabteilungen einzurichten hätten. Bis 1954 entstanden so 140 neue Kinderbibliotheken. Die Angebote für Jugendliche wurden dagegen – anders als in der BRD - in die Bestände der Erwachsenenbibliothek integriert. Bibliotheksbezogene Arbeit fand auch zusammen mit der Schule und den gesetzlich vorgesehenen Jugendklubs der FDJ statt und war entsprechend staatspolitisch orientiert. Ende der 80er Jahre und bis in die Nach-Wende-Zeit verloren die Jugendbibliotheken der DDR deshalb mehr und mehr Nutzer und nach dem Mauerfall auch ihre gesetzlichen Grundlagen sowie die staatliche Sonderförderung (desolate Finanzlage der öffentlichen Kassen).

Aufgabe der Kinder- und Jugendbibliothek

Wo in Deutschland bereits vor dem Ersten Weltkrieg Kinderlesehallen entstanden, dienten sie zunächst dem Schutz der Kinder vor sogenannter „Schund- und Schmutzliteratur“ und der Erziehung zum „guten Buch“. Diese Einstellung änderte sich erst mit dem rasanten Aufschwung des Jugendbibliothekswesens ab 1945 - nun rückte die Freude der Kinder am Lesen in den Mittelpunkt der Argumentation, und damit änderte sich auch die Einstellung zum Angebot der Bibliothek, dem Jugendbuch. War auch das Jugendbuch zu Anfang noch vorwiegend Erziehungsmittel, so wurde es ab Anfang des 20. Jahrhunderts mehr und mehr auch eine eigenständige Literaturform. Neben dieser sittlich-moralischen Erziehung, die heute eher in den Hintergrund tritt, soll die Kinder- und Jugendbücherei ihre Nutzer auch bei der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit unterstützen und die Kinder und Jugendlichen an neue Medien heranführen.

Organisationsformen

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen der selbstständigen und der unselbstständigen Kinder- und Jugendbibliothek. Dabei kann die letztere wiederum sowohl in einem eigenen Gebäude untergebracht sein als auch nur eine Abteilung der öffentlichen Bücherei darstellen. Daneben existieren auch Mediotheken, die neben Literatur auch ein großes Angebot an audiovisuellen und digitalen Medien (wie CDs, Video- und Hörkassetten, DVDs und CD-ROM) anbieten. Sie sind vorwiegend als Schulmediotheken eine Kombination aus öffentlicher und Schulbibliothek, seit einigen Jahren gibt es jedoch auch eigenständige Mediotheken. Ebenso wird in neuesten Konzeptionen eine strikte Trennung der Kinder- von der Jugendbibliothek gefordert, die dazu dienen soll, auf die jeweiligen Bedürfnisse von Kindern bzw. Jugendlichen noch besser eingehen zu können. Bei der Entscheidung für die eine oder andere Organisationsform sind aber immer auch die dadurch anfallenden Kosten zu bedenken: Eine vollständige Entkoppelung der drei Bibliotheksbereiche Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenenbibliothek würde zu immensen Kostensteigerungen und zur Doppelanschaffung vieler Titel führen.

Beispiele

Medienetage Dresden

  • 1979 bot die Jugendbibliothek als eine der ersten Bibliotheken auch Non-Book-Medien an (Radioprogramme konnten über Kopfhörer empfangen werden)
  • 1989 Umwandlung in die erste Softwarebibliothek der DDR mit einem Anfangsbestand von 850 Computerprogrammen
  • zum 20-jährigen Bestehen 1999 zog die Jugendbibliothek „Medienetage-Dresden“ in neue Räume und erweiterte ihre Zielgruppe auf Jugendliche bis 25 Jahre.
  • Heute – im Jahre 2005 - bietet die „Medien@age“ in ihren Beständen neben den klassischen Printmedien auch ca. 15000 Non Book-Medien, davon allein 5 400 CDs. Außerdem gibt es ein großes Angebot an Literatur zu PC- und Internet-Themen.
  • Zusammen mit den 12 Mitarbeitern des JugendInfoServices (vom Jugendamt), die auch die Internet-PCs der Bibliothek betreuen, werden außerdem Internetschulungen für Jugendliche, Bewerbungstrainings und Tage zur Berufsinformation angeboten. Zusätzlich gibt es Aktionen wie den Tag der offenen Tür, Autorenlesungen oder Spieleabende.
  • Die Nutzung der Jugendbibliothek ist für Kinder bis zu 14 Jahren kostenlos, für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren kostet sie 5 Euro und für über 18-Jährige 10 Euro im Jahr.
  • Wer einen Nutzerausweis hat, kann sich außerdem für den Newsletter der Bibliothek registrieren lassen und Mitteilungen über eingetroffene Bestellungen und Rückgabe-Erinnerungen per SMS auf sein Handy zugeschickt bekommen.
  • In einem virtuellen „Wunschbuch“ auf der Homepage der Bibliothek können die Jugendlichen auch Vorschläge machen, welche Medien als nächstes angeschafft werden sollen.
  • Jeder Monat steht in der „Medienetage“ unter einem bestimmten Thema, zu dem eigene Mediensammlungen zusammengestellt werden. Im Jahr 2005 waren das z.B. Materialien zum Einstein-bzw. Schillerjahr im April und Mai oder Gesellschaftsspiele im Juni.

Jugendbibliothek „Exit“ Hamburg-Mümmelmannsberg

  • Sie entstand 1993 im Rahmen eines DBI-Projektes in der Bücherhalle Mümmelmannsberg (kombinierte Schul- und Stadtteilbibliothek, baulich angegliedert an die Gesamtschule Mümmelmannsberg, aber eigenes Gebäude).
  • Angelegt wurde sie gemeinsam mit den Jugendlichen als ein nach drei Seiten hin abgeschirmter, trotzdem zur restlichen Bücherhalle offener Raum mit eigenem Eingang, der von einigen Jugendlichen mit Graffiti aufgepeppt wurde.
  • Statt einer großen Musik-CD-Sammlung wurde ein – letztlich günstigerer – Fernseher angeschafft, auf dem permanent VIVA oder MTV eingestellt sind.
  • Die Nutzung der Bibliothek kostet seit 1997 10 DM (5 Euro) im Jahr für die Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, für Jüngere ist sie kostenlos.
  • Ergänzt wird das Medienangebot der Jugendbibliothek durch regelmäßige Computerworkshops, die durch einen vom Jugendamt vermittelten Experten abgehalten werden, und gelegentliche Diskos.
  • Aber auch die Jugendlichen selbst werden aktiv: so haben sie in Eigenregie zwei kostenlose internetfähige Apple-PCs aus der Hamburger Technischen Kunstschule besorgt und ein Konzept für Angebot und Nutzung eines Internetanschlusses entwickelt, ein anderer Junge bietet eine eigenen Imbiss-Service mit Cola und Süßigkeiten in der Bibliothek an. Außerdem werden sie sowohl in die Auswahl als auch in die Erschließung neu angeschaffter Medien einbezogen (vor allem bei den Musik-CDs).


Jugendbibliothek Rostock-Dierkow

  • Nach der Entstehung des Neubaugebietes Dierkow begann die vorhandene Stadtteilbibliothek, die bis dahin nur Erwachsenen vorbehalten gewesen war, 1989 auch auf Kinder und Jugendliche zuzugehen.
  • Nach dem sprunghaften Anstieg der Anmelde- und Ausleihzahlen zog die Bibliothek 1993 in eines der neugebauten Einkaufszentren um.
  • Die Jugendbibliothek bekam dort 60 m² in der ersten Etage des Einkaufszentrums zugewiesen (die gesamte Bibliothek erstreckt sich über das Erdgeschoss und die 1. Etage) und wurde 1994 durch eine Trennwand von der übrigen Bibliothek abgeschirmt.
  • Über die Anschaffung weiterer Medien wird mit den Jugendlichen beraten („Wunschliste“ an Stellwänden), auch der anschließende Einkauf erfolgt gemeinsam.
  • Zusätzlich zum Bestandsangebot gibt es in der Jugendbibliothek auch eine Stereoanlage sowie einen Fernseher mit Videorecorder, um CDs, Musik- und Videokassetten auch direkt vor Ort nutzen zu können.
  • Außerdem gibt es ein reichhaltiges Veranstaltungsangebot mit „klassischen“ bibliothekarischen Veranstaltungen wie Buchvorstellungen oder Autorenlesungen, aber auch mit Grillfeten, Diskoabenden, Filmwochen und Computerworkshops.

Internationale Jugendbibliothek

  • weltweit die größte Bibliothek für internationale Kinder- und Jugendliteratur;
  • 1948 gegründet, sammelt sie Kinder- und Jugendbücher in über 100 Sprachen, dazu kommt die einschlägige Sekundärliteratur;
  • großer Ausleihbestand für Kinder, um Informationen über deren Leseverhalten zu gewinnen, außerdem viel Programmarbeit wie Sprach-, Mal- und Bastelkurse;
  • jedes Jahr kommen zwölf ausländische Wissenschaftler und Studierende für einen je dreimonatigen Studienaufenthalt in die Bibliothek; diese Aufenthalte werden finanziert über Stipendien;
  • wichtigste Veranstaltungen sind Ausstellungen über die aktuellen Produktionen auf dem nationalen und internationalen Kinderbuchmarkt, aber auch international vergleichende Ausstellungen zu bestimmten Themen u. ä.;
  • finanziert seit 1996 durch die Stiftung Internationale Jugendbibliothek, die Mittel werden sowohl vom Bund als auch vom Land Bayern und der Stadt München aufgebracht;
  • Zusammenarbeit mit der 1967 gegründeten Historischen Kinderbuchgesellschaft (HKG)

Literatur

  • Bibliotheken ´93: Strukturen – Aufgaben – Positionen. - Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut, 1994. ISBN 3-87068-445-3
  • Glashoff, Ilona; Schmitt, Rita: Bibliotheksarbeit für Jugendliche: Entwicklung und Erprobung neuer Konzepte; Bd 2: Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung: Evaluation – Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1997. (dbi-materialien, 159) ISBN 3-87068-959-5
  • Glashoff, Ilona; Schmitt, Rita: Bibliotheksarbeit für Jugendliche: Entwicklung und Erprobung neuer Konzepte; Bd.3: Konzepte, Erfahrungen und Nebenwirkungen eines Projektes – Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1997. (dbi-materialien, 162) ISBN 3-87068-962-5
  • Engl, Hans: Die Kinderlesehalle: Ein pädagogisches Problem. - München: Reinhardt, 1932.
  • Plassmann, Engelbert: Das Bibliothekswesen der Bundesrepublik Deutschland: Ein Handbuch. - Wiesbaden: Harassowitz, 1999. ISBN 3-447-03706-7.
  • Göhler, Helmut [Hrsg.]: Alltag in öffentlichen Bibliotheken der DDR: Erinnerungen und Analysen. - Bad Honnef: Bock & Herchen, 1998. (Bibliothek und Gesellschaft) ISBN 3-88347-195-X

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