Kinästhetics

Kinästhetics

Die Kinästhetik (engl. Kinaesthetics, durch die Sinne wahrgenommene Bewegung) ist ein Instrument zur Analyse von menschlichen Bewegungsmustern, das in den USA entwickelt wurde. Die Bezeichnung „Kinästhetik“ ist eine Kombination der beiden griechischen Wörter „kinesis“ (Bewegung) und „aesthesie“ (Wahrnehmung). Ganz allgemein formuliert befasst sich die Kinästhetik mit dem Studium der menschlichen Bewegung, die für die Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens erforderlich ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Geschichte der Kinästhetik ist in vier Phasen unterteilt:

1. Phase: Der Ursprung an der University of California: Die Kyberniker K. U. Smith und Frank Hatch leiten 1972 an der University of California die 1. Phase ein. Dabei wurde die Verhaltenskybernetik konsequent angewendet.

2. Phase: Die breite Anwendung in der Praxis: Seit Mitte der 80er Jahre wurden die sechs Kinästhetik-Konzepte von Hatch und Maietta entwickelt und dem europäischen Markt zur Verfügung gestellt.Heute bieten europaweit etwa 1000 Kinästhetik - Trainer in den Fachgebieten Gesundheitsentwicklung, Krankenpflege, Altenpflege und Kinder- und Jugendarbeit ihre Dienste an.

3. Phase: Die wissenschaftlich-methodische Weiterentwicklung: In den Jahren 1999 und 2000 begann die nächste Phase der Entwicklungsgeschichte. In dieser Phase stehen wissenschaftliche Arbeiten am European Institute for Human Development (IHD) in Wien und am Bodensee im Vordergrund.

4. Phase: Das European Institute for Human Development wurde 2006 aufgelöst und neue Kinästhetik Gruppierungen sind entstanden. Die größte und bekannteste Organisation ist die European Kinaesthetics Association (EKA) mit Vertrieben in vier Ländern. Die Begründer Hatch und Maietta arbeiten weiter an ihrem Lebenswerk.

Die sechs Konzepte

  • Mit dem Konzept Interaktion wird der kommunikative Austausch zwischen Bewegungsgeber und Bewegungsempfänger betrachtet.
  • Funktionale Anatomie beobachtet die Gewichtsverläufe und deren Schwerkräfte, und dazu die Möglichkeiten und Grenzen der Beweglichkeit.
  • Menschliche Bewegung schaut auf die Einzelbausteine einer Bewegung, wie auf Bewegungsmuster.
  • Das Konzept Anstrengung will die Eigenaktivität des Bewegungsempfängers fördern, aber Anstrengung reduzieren, durch gezieltes Ziehen oder Drücken.
  • Menschliche Funktion zielt auf eine gewünschte Körperposition, und danach auf gebesserte stabilere Balance in der Schwerkraft.
  • Umgebung meint, dass äußere Faktoren wie Raum oder Einrichtung betrachtet werden, und ob sie Bewegung befördern oder hindern.

Kinaesthetik in der Pflege

Für viele Pflegende ist der Wunsch, Menschen zu helfen, Ausgangspunkt für ihre Berufswahl im Gesundheits- und Sozialbereich. Der Beruf der Krankenpflege ist also ein „helfender Beruf“ und erfordert hohe persönliche Qualifikation von jeder Pflegekraft. Denn oft stehen Pflegende und Patienten in direktem persönlichem Austausch zu einander, welcher für die Gesundheit des Patienten erforderlich und notwendig ist. Diese persönliche Qualifikation muss ebenso wie medizinisches Fachwissen erlernt und erworben werden. Die Kinästhetik versucht den Pflegenden zu vermitteln, wie die Fähigkeit zum Helfen in der pflegerischen Arbeit entwickelt und erweitert werden kann. So soll verhindert werden, dass die vielfältigen Belastungen im Pflegealltag zur dauernden Überlastung werden.

Die wichtigsten Grundlagen, welche den Pflegenden durch das Kinästhetik-Programm in der Pflege vermittelt werden, um das oben Genannte zu erreichen, sind folgende:

  1. Leben ist ein dauernder Veränderungs- und Anpassungsprozess. Alle Menschen regulieren diesen Prozess durch die eigene Bewegung in täglichen Aktivitäten. Die Art und Weise der Bewegung in diesen Aktivitäten beeinflusst alle Entwicklungsprozesse. Dieser Einfluss kann sowohl konstruktiv als auch destruktiv sein, kann sich also positiv oder negativ auf die Gesundheit des Menschen auswirken.
  2. Auch alle inneren Prozesse wie Atmung, Verdauung usw. sind Bewegungsprozesse. Diese werden ebenfalls durch die eigene Bewegung in den täglichen Aktivitäten reguliert. Das bedeutet, dass die Effizienz der inneren Prozesse direkt auf die Qualität der Bewegungen im täglichen Leben zurückzuführen ist.
  3. Menschen entwickeln die eigenen Bewegungsfähigkeiten, indem sie der Bewegung von anderen Menschen folgen.
  4. Pflegebedürftige Menschen müssen neu entdecken, wie sie ihr Gewicht gegenüber der Schwerkraft kontrollieren können. Sie tun dies, indem sie neue Bewegungsmöglichkeiten entdecken, um die alltäglichen Aktivitäten durchzuführen.
  5. Die Hilfe der Pflegenden, vor allem die Art und Weise wie sie die Bewegungen der Patienten unterstützen, kann den Lernprozess konstruktiv oder destruktiv beeinflussen.
  6. Das wichtigste Entwicklungsangebot für Patienten ist die kompetente Begleitung der Pflegenden. Je fähiger die betreuenden Personen sind, umso gezielter können sie die Gesundheits- und Lernprozesse der Patienten unterstützen.
  7. Die dafür nötige Bewegungskompetenz der pflegenden Personen ist keine angeborene Kompetenz. Sie muss wie anderes Fachwissen gelernt werden.

Zwischenzeitlich werden Grundlagenkenntnisse in Kinästhetik auch in Kursen für pflegende Angehörige vermittelt oder im Rahmen einer individuellen Schulung in der Häuslichkeit am individuellen Plfegebedarf des Angehörigen orientiert geschult. Die Kosten für Pflegekurse und Schulungen in der Häuslichkeit können von den Pflegekassen im Rahmen der Bestimmungen des § 45 SGB XI übernommen werden. Bei konkretem Bedarf kann man sich dazu bei den Pflegekassen beraten lassen.

Kinaesthetics Infant Handling

Kinaesthetics Infant Handling richtet sich an Eltern und professionelle Betreuer von Frühgeborenen, Säuglingen und Kindern.

Das Programm befasst sich mit der Frage der Unterstützung von Kindern in ihrer Entwicklung. Im Mittelpunkt stehen die Bewegungsaspekte der menschlichen Entwicklung: Wie lernt ein Kind, das Gewicht seiner Körperteile in der Schwerkraft zu bewegen, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, wie lernt es sitzen, wie lernt es, sich in und aus verschiedenen Positionen fortzubewegen? Alle diese Grundkompetenzen bilden die Basis der weiteren Lernprozesse eines Kindes.

Kinaesthetics geht davon aus, dass Kinder ihre Bewegungsfähigkeiten und Bewegungsmuster nicht allein lernen. Eltern oder professionelle Betreuer wickeln sie, füttern sie, tragen sie usw. Die Art und Weise, wie das geschieht, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Bewegungsmuster ein Kind entwickelt. Zudem bilden die Interaktionen durch Berührung und Bewegung in den ersten Lebensjahren eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Qualität der kommunikativen Fähigkeiten eines Kindes.

In Kinaesthetics Infant Handling lernt man, sich mit Kindern so zu bewegen, dass die besonderen Eigenschaften der kindlichen Anatomie berücksichtigt werden. Durch die Sensibilisierung für die Interaktion durch Berührung und Bewegung lernen Eltern und Betreuer, die Kinder so zu unterstützen, dass diese mit ihrer Reaktion am Geschehen beteiligt sind und sie die Aktivitäten mit ihrer Bewegungswahrnehmung nachvollziehen können. So erlangen Kinder die Fähigkeit, ihre eigene Bewegung gesundheitsfördernd zu gestalten.

Kinaesthetics Kreatives Lernen

Dieses Programm richtet sich an alle Menschen, die Lust haben, ihre Bewegung und ihre Bewegungsmuster kennenzulernen und ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten zu entdecken und zu erweitern. Das Ziel des Programmes ist eine bewusstere und kreativere Lebensgestaltung.

Siehe auch

Literatur

  • Asmussen, Maren (2006): Praxisbuch Kinaesthetics, Erfahrungen zur individuellen Bewegungsunterstützung auf Basis der Kinästhetik. ELSEVIER, ISBN 978-3-437-27570-8
  • Bauder-Mißbach, Heidi (2000): Kinästhetik in der Intensivpflege. Frühmobilisation von schwerstkranken Patienten. Schlütersche. ISBN 3-87706-566-X
  • Bauder-Mißbach, Heidi 2005): Spielerisches Lernen von Bewegung und Beziehung. Rehabilitation nach hoher Querschnittlähmung. Schlütersche. ISBN 3-87706-677-1
  • Citron, Ina (1998): Kinästhetik Handeln in der Pflege; Entdecken-Verstehen-Erleben; Thieme, Stuttgart, ISBN 3-13-111861-X, vergriffen
  • Citron, Ina (2004): Kinästhetik - Kommunikatives Bewegungslernen. Thieme, Stuttgart. ISBN 3-13-111862-8
  • Eisenschink, Bauder-Mißbach, Kirchner (2003): Kinästhetische Mobilisation. Wie Pflegekräfte die Genesung unterstützen können. Schlütersche, ISBN 3-87706-736-0
  • European Kinaesthetics Association (2008): Kinaesthetics Konzeptsystem, EKA, ISBN 3-926055-95-2
  • Hatch, Frank, Maietta, Lenny, Schmidt, Suzanne (1992): Kinästhetik: Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Pflege, DBfK Verlag, Eschborn, ISBN 978-3927944022
  • Hatch, Frank, Maietta, Lenny (2003): Kinästhetik. Gesundheitsentwicklung und menschliche Funktionen. Urban & Fischer bei Elsevier, ISBN 3-437-26840-6
  • Kinästhetik Bulletin Nr. 1 bis 24 im Gesamtpack (Neudruck aller Ausgaben von 1980 bis 1996, European Kinaesthetics Association 2009)
  • Klein-Tarolli, Esther & Textor, Giesela (2008): Bewegtes <> ® Positions-Unterstützung nach Esther Klein-Tarolli Anregungen für die Pflegepraxis ISBN 3928568-46-9
  • lebensqualität - Die Fachzeitschrift für Kinaesthetics und Lebensqualität (erscheint 1/4 jährlich)
  • Maietta, Lenny, Hatch, Frank (2004): Kinaesthetics, Infant Handling. Huber, Bern. ISBN 3-456-83310-5

Filme

  • Asmussen-Clausen / Knobel (2006): Fortbewegen statt heben - Kinästhetik in der Pflegepraxis (DVD)
  • Asmussen-Clausen / Buschmann (2004): Kinästhetik Infant Handling - Bewegungsunterstützung in den ersten Lebensjahren (DVD)
  • Marty-Teuber / Mathis: Ermöglichen statt Behindern - Kinaesthetics ein Lern- und Interaktionsmodell (DVD)

Weblinks

Gesundheitshinweis
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