Krieg-in-Sicht-Krise

Krieg-in-Sicht-Krise

Die Krieg-in-Sicht-Krise war eine diplomatische Krise im Anschluss an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871.

Frankreich war nach dem Abzug der Besatzungstruppen 1873 überraschend schnell wieder erstarkt und begann mit der Wiederaufrüstung. Dies weckte bei Otto von Bismarck Befürchtungen vor einer Revanche für die Annexion von Elsass und Lothringen.

Am 8. April 1875 erschien in der regierungsnahen Zeitung Post ein Artikel mit der Überschrift Ist Krieg in Sicht?. Autor war der Publizist Constantin Rößler, jedoch stand hinter diesem und zahlreichen weiteren Artikeln in den nächsten Wochen Otto von Bismarck. In diesen Artikeln drohte er Frankreich mit einem Präventivkrieg für den Fall der weiteren Aufrüstung. Der Artikel nahm in aufheizendem Ton Bezug auf das französische Kammergesetz, das Frankreichs militärische Schlagkraft erhöhte. Die Zeitung, in der er erschien, war ein regierungsnahes Blatt und wurde häufig für offiziöse Zwecke benutzt. Daher provozierte und alarmierte der Artikel die europäischen Großmächte.

Der Hintergrund war die prekäre Lage des Deutschen Reiches nach der Reichsgründung. Das Deutsche Reich war zwar eine Großmacht, jedoch nicht stark genug, seine Einigung, die es von 1864 bis 1871 in Kriegen mit jeweils isolierten Feinden erreicht hatte, gegen eine Koalition unter Führung Frankreichs verteidigen zu können. In Berlin drängte das Militär unter Moltke tatsächlich darauf, die französische Gefahr mit Hilfe eines Präventivkrieges zu beseitigen. In einem solchen Krieg durfte das erst 1871 gegründete Reich nicht mit Russlands Neutralität rechnen. Das Ziel der Pressekampagne war es, herauszufinden, wie sich die anderen europäischen Mächte im Falle eines erneuten deutsch-französischen Konfliktes verhalten würden.

Das Ergebnis war das klare Signal Englands und Russlands, Frankreich zu unterstützen. Sie waren nicht gewillt, einen weiteren Machtzuwachs des Deutschen Reiches zu akzeptieren, der eine Gefährdung ihrer eigenen Position bedeutet hätte.

Bismarck schloss aus diesem Verlauf der „Krieg-in-Sicht“-Krise, dass Deutschland die Diplomatie des Gleichgewichtes betreiben und alternative Optionen wie die Politik der territorialen Kompensation oder die des diplomatisch unterstützten Präventivkrieges zurückstellen müsse. Jeder Versuch, das Reich territorial zu erweitern und die Machtstellung des Reiches auszubauen, barg unkalkulierbare Risiken für das frisch gegründete Reich. Es galt, Deutschland als saturierte Macht darzustellen und mit den Mitteln der Diplomatie Frankreich möglichst isoliert zu halten, um nicht zu einem Zweifrontenkrieg gezwungen zu werden.

In der Folge zeigte es sich jedoch, dass die Nachfolger Bismarcks (unter Kaiser Wilhelm II.) Deutschland durch eine aggressive Außenpolitik isolierten und die anderen Großmächte geradezu in die Entente trieben.

Literatur

  • Andreas Hillgruber: Die „Krieg-in-Sicht-Krise“ 1875 - Wegscheide der Politik der europäischen Großmächte in der späten Bismarckzeit, in: Schulin, Ernst (Hrsg.): Studien zur europäischen Geschichte. Gedenkschrift für Martin Göhring. Wiesbaden 1968 S. 239–253.
  • Johannes Janorschke: Die "Krieg-in-Sicht"-Krise von 1875. Eine Neubetrachtung, in: Historische Mitteilungen, 20 (2007), S. 116–139.
  • Johannes Janorschke: Bismarck, Europa und die "Krieg-in-Sicht"-Krise von 1875, Paderborn [u.a.] 2010, ISBN 978-3-506-76708-0 .

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