- Kulturhistorische Schule
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Die Kulturhistorische Schule bezeichnet in der Psychologie sowohl eine Gruppe russischer Psychologen, als auch die von ihnen vertretenen Theorien und Ansätze. Sie wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Lew Semjonowitsch Wygotski in der damaligen Sowjetunion begründet. Neben Wygotski zählen Alexander Romanowitsch Lurija und Alexej Leontjew zu ihren prominentesten Vertretern.
Mittelpunkt der Theorie, die zunächst als Entwicklungspsychologie ausgearbeitet wurde, ist das Interiorisierungskonzept, nach dem alle höheren psychischen Funktionen zuerst in einer sozialen Interaktion ausgebildet werden und dann nach innen verlagert werdern (interiorisiert werden).
Im Gegensatz zum Tier erfolgt beim Menschen nicht eine reine Anpassung an die Umwelt durch Reiz, Reaktion und Instinktverhalten, sondern eine Ausbildung höherer psychischer Funktionen durch Aneignung spezifischer, menschlicher, gesellschaftlich-historischer Erfahrungen. Dies geschieht mit Hilfe spezifischer Werkzeuge. Eines der Werkzeuge, das eine Schlüsselfunktion einnimmt, ist die Sprache. Waren die Werkzeuge ursprünglich nach außen, d.h. zum Anderen gerichtet, werden sie während der Entwicklung des Menschen zum Mittel, das es ihm erlaubt, die eigenen kognitiven Prozesse zu steuern. Daraufhin werden sie verinnerlicht (interiorisiert). Diesen Prozess der Entstehung von inneren psychischen Funktionen aus originär äußeren und sozialen, nannte Wygotski den vollständigen Kreis der kulturhistorischen Entwicklung einer psychischen Funktion.
Die kulturhistorische Schule zielte auf die Entwicklung einer allgemeinen Psychologie auf marxistischer Grundlage ab.
Die Vertreter der kulturhistorischen Schule wurden in Deutschland von der Kritischen Psychologie (Klaus Holzkamp) und der Materialistischen Behindertenpädagogik (Wolfgang Jantzen, Georg Feuser) rezipiert.
Inhaltsverzeichnis
wichtige Begriffe und Teilkonzepte
Zone der nächsten Entwicklung
Eine für die Pädagogik zentrale Aussage Wygotskis ist die "Zone der nächsten Entwicklung". Dieses Konzept geht von der Annahme aus, dass Lernen, das über die Zone der aktuellen Entwicklung hinausgeht, also im Bereich der Zone der nächsten Entwicklung, in sozialen Bezügen möglich ist. In Konsequenz heißt das für die Pädagogik, konkreter die Didaktik, dass sich Lehren stets an der Zone der nächsten Entwicklung zu orientieren hat und das Lernen in einen sinnhaften sozialen Zusammenhang einzubinden hat.
Literatur
- Carlos Kölbl: Die Psychologie der kulturhistorischen Schule. Vygotskij, Lurija, Leont'ev. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-45030-3 (Psychologische Diskurse).
Weblinks
Kategorien:- Reformpädagogik
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