- Sowjetunion
-
Союз Советских Социалистических Республик
Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik
Union der Sozialistischen SowjetrepublikenFlagge Wappen Wahlspruch: Пролетарии всех стран, соединяйтесь! (Transkription: Proletarii wsech stran, sojedinjaites!)
Deutsch: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!Amtssprache Russisch (in jeder Sowjetrepublik zusätzlich die jeweilige Nationalsprache: Armenisch, Aserbaidschanisch, Estnisch, Georgisch, Kasachisch, Kirgisisch, Lettisch, Litauisch, Moldauisch (Rumänisch), Tadschikisch, Turkmenisch, Ukrainisch, Usbekisch und Weißrussisch sowie andere Nationalsprachen in den autonomen Republiken) Hauptstadt Moskau (seit 12. März 1918 Hauptstadt von Sowjetrussland, später RSFSR, ab 30. Dezember 1922 Hauptstadt der UdSSR) Staatsform (formale) Sozialistische Räterepublik Regierungsform Einparteiensystem Staatsoberhaupt Staatsoberhäupter der UdSSR Regierungschef Regierungschefs der UdSSR Fläche 22.402.223 km² Einwohnerzahl 290.100.023 (1991) Bevölkerungsdichte 13 Einwohner pro km² Währung 1 Rubel = 100 Kopeken
ISO 4217 Code = SUR
Währungskurs zum Dollar[1]
1930 1 Rubel = 0,51 Dollar
1938 1 Rubel = 0,19 Dollar
1950 1 Rubel = 0,25 Dollar
1961 1 Rubel = 1,11 Dollar
1973 1 Rubel = 1,33 DollarGründung 30. Dezember 1922, aus:
Sowjetrussland
Ukrainischer SSR
Weißrussischer SSR
Transkaukasischer SFSRNationalhymne Die Internationale (1922–1944)
Gimn Sowjetskowo Sojusa (1944–1991)Nationalfeiertag 9. Mai Tag des Sieges
7. Oktober Tag der Verfassung
7. November Tag der OktoberrevolutionZeitzone UTC +02:00 bis +12:00 Kfz-Kennzeichen SU Internet-TLD .su heute für Russland reserviert Telefonvorwahl +7 heute von Russland verwendet Die völkerrechtliche Auflösung der Sowjetunion erfolgte am 26. Dezember 1991 durch Beschluss des Obersten Sowjets. Staatsgebiet der Sowjetunion Die Sowjetunion (kurz SU, vollständige amtliche Bezeichnung: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, russisch Союз Советских Социалистических Республик (СССР)/Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik (SSSR) anhören?/i) war ein zentralistisch regierter, föderativer Einparteienstaat, dessen Territorium sich über Osteuropa und den Kaukasus bis nach Zentral- und das gesamte Nordasien erstreckte. Sie wurde am 30. Dezember 1922 gegründet und durch die Alma-Ata-Deklaration am 21. Dezember 1991 als Union aufgelöst. Die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten in internationalen Organisationen werden seitdem von der Russischen Föderation wahrgenommen.
Das Kerngebiet (mit 78 % der Fläche 1990) bestand aus der Russischen Sowjetrepublik (RSFSR), die im Zuge der Oktoberrevolution am 7. November 1917 aus dem Kern des Zarenreiches hervorgegangen war und auf welche als unabhängige Russische Föderation nach der Auflösung der Union deren „Verbindungsfaden mit der Außenwelt übergegangen ist“.[2] Die RSFSR hatte zuvor – anders als die übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken – ihrerseits keine Unabhängigkeitserklärung abgegeben,[3] was nicht mit der „Deklaration der staatlichen Souveränität“ der Russischen Föderation vom 12. Juni 1990 zu verwechseln ist (→ Tag Russlands).
Wegen der Dominanz der Russischen Sowjetrepublik wurde die Sowjetunion in den westlichen Ländern sprachlich oft mit Russland gleichgesetzt (sogenanntes Sowjetrussland). Die Sowjetbürger wurden verallgemeinernd fälschlich als „Russen“ bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geographie
Ihre größte Ausdehnung, welche sie auch bis zu ihrem Ende beibehielt, erlangte die Union im Verlauf des Zweiten Weltkrieges mit der Einverleibung der baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen), Bessarabiens, Tannu-Tuwas, des nördlichen Teils Ostpreußens sowie finnischer, polnischer, tschechoslowakischer und japanischer Gebiete. Die Sowjetunion war damit (abgesehen vom Russischen Reich vor 1917, zu dem auch Finnland, Polen und die Nordost-Türkei gehörten) in der jüngeren Geschichte der Menschheit der Staat mit dem größten zusammenhängenden Hoheitsgebiet. Sie gehörte zu den größten Herrschaftsräumen der Geschichte.
Die Sowjetunion grenzte nach 1945 an zwölf Nachbarstaaten:
im Westen an Rumänien (1.208 Kilometer), Ungarn (103 Kilometer), die Tschechoslowakei (97 Kilometer), Polen (1.258 Kilometer), die Ostsee, Finnland (1.340 Kilometer) und Norwegen (196 Kilometer); im Norden an die Barentssee, die Karasee, die Laptewsee sowie an die Ostsibirische See; im Osten an das Ochotskische Meer, das Beringmeer sowie an den Pazifischen Ozean; im Süden an Nordkorea (19 Kilometer), die Volksrepublik China (6.513 Kilometer), die Mongolei (3.485 Kilometer), Afghanistan (2.264 Kilometer), den Iran (2.013 Kilometer), die Türkei (529 Kilometer) und das Schwarze Meer.
Die UdSSR hatte eine Landesgrenze von insgesamt 19.025 Kilometern Länge und damit ca. 1.000 Kilometer weniger als Russland im Jahr 2008 bei einer damals wesentlich größeren Landesfläche.
Das Territorium der UdSSR umfasste mit 22,4 Millionen Quadratkilometern fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. In West-Ost-Richtung erstreckte es sich vom Schwarzen Meer und der Ostsee bis zum Pazifischen Ozean über fast 10.000 Kilometer. Von Norden nach Süden hatte es eine Ausdehnung von fast 5.000 Kilometern. Die Sowjetunion berührte 11 der 24 Zeitzonen der Erde.
Bevölkerung
Nach dem Stand der letzten Volkszählung von 1988 hatte die Sowjetunion in ihren 15 Unionsrepubliken 286,717 Mio. Einwohner. Die Russische SFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) war sowohl flächen- als auch bevölkerungsmäßig die größte, und in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht die dominierende Unionsrepublik.
Entwicklung
Bevölkerungsentwicklung Republik 1913 1926 1939 1950 1959 1966 1970 1973 1979 1987 1988/89[4] 1991 Russische SFSR (RSFSR) 89.900* 92.737 108.379 117.534 126.561 130.079 132.151 137.410 145.311 147.386 148.548 Ukrainische SSR 35.210 29.515 40.469 41.869 45.516 47.127 48.243 49.609 51.201 51.704 51.944 Weißrussische SSR 6899 4983 8910 8055 8633 9002 9202 9533 10.078 10.200 10.260 Usbekische SSR 4366 4660 6440 8261 10.581 11.960 12.902 15.389 19.026 19.906 20.708 Kasachische SSR 5565 6037 5990 9154 12.129 12.849 13.705 14.684 16.244 16.538 16.793 Georgische SSR 2601 2677 3540 4044 4548 4686 4838 4993 5266 5449 5464 Aserbaidschanische SSR 2339 2314 3205 3698 4660 5117 5420 6027 6811 7029 7137 Litauische SSR 2880 2711 2986 3128 3234 3392 3641 3690 3728 Moldauische SSR 2056 242 2452 2290 2885 3368 3569 3721 3950 4185 4341 4366 Lettische SSR 1885 2093 2262 2364 2430 2503 2647 2681 2681 Kirgisische SSR 864 1002 1458 2066 2652 2933 3145 3523 4143 4291 4422 Tadschikische SSR 1034 1032 1484 1981 2579 2900 3194 3806 4807 5112 5358 Armenische SSR 1000 881 1282 1763 2194 2492 2672 3037 3412 3283 3376 Turkmenische SSR 1042 998 1252 1516 1914 2159 2364 2765 3361 3534 3576 Estnische SSR 1052 1197 1285 1356 1405 1465 1556 1573 1582 UdSSR 159.200 147.028 190.678 178.500 208.827 231.868 241.720 248.626 262.085 281.689 286.717 289.943 * Bevölkerungszahlen in 1000[5]
Religion
Die Staatsdoktrin der Sowjetunion war atheistisch. Die Ausübung der Religion war zeitweise verboten oder unterlag umfangreichen staatlichen Einschränkungen, so gab es z. B. Gesetze gegen das öffentliche Singen religiöser Lieder.
Gehörten um 1920 noch etwa 90 % der Russen der Russisch-Orthodoxen Kirche an, so sank die Zahl bis 1940 auf unter 30 %. Viele Gläubige waren Repressalien ausgesetzt, wurden gefoltert, erschossen oder nach Sibirien verbannt.
Unter der Führung Lenins wurden von der Sowjetregierung Dekrete und Gesetze („Dekret über die Gewissensfreiheit, die kirchlichen und religiösen Vereinigungen“ vom Januar/Februar 1918 sowie Liquidierungsgesetz vom 27. Juli 1918, vorgelegt vom Volkskommissar für Justiz Pjotr Stutschka) erlassen, die auf dem Papier Religionsfreiheit gewährten, dabei aber die Kirchen enteigneten. Tatsächlich wurden die Kirchen als Vertreter der alten Ordnung und ihre Anhänger als Konterrevolutionäre gesehen. In der Folge kam es zu Massenhinrichtungen von Priestern der Russisch-Orthodoxen Kirche.[6][7][8]
Unter Josef Stalin wurden tausende Priester in Arbeitslager (Gulag) deportiert. Ebenso wurden in Zentralasiatischen Republiken, wo mehrheitlich Muslime lebten, die meisten Moscheen geschlossen und die Religionsausübung ebenfalls verboten.
In Sibirien, vor allem südlich des Baikalsees, leben außerdem zahlreiche Buddhisten.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die strenge staatliche antireligiöse Haltung etwas gelockert. Einige Bischöfe und Priester wurden aus der Haft entlassen. Es wurden einige geistliche Hochschulen sowie Kirchen und Klöster wieder geöffnet. Nach der Machtübernahme von Nikita Chruschtschow wurde eine neue Welle des antireligiösen Kampfes ausgelöst. Chruschtschow versprach, den letzten Priester der Sowjetunion bald im Fernsehen zu zeigen. Unter Michail Gorbatschow in den späten 1980er Jahren wurde die staatliche Haltung wieder etwas lockerer, bis schließlich mit dem Zusammenbruch von der Sowjetunion die Religionsfreiheit kam.
Siehe auch: Christenverfolgung in der SowjetunionGeschichte
1917 bis 1922: Oktoberrevolution und Bürgerkrieg
Die Führung des zaristischen Russlands wurde mit der Februarrevolution 1917 entmachtet. Die wenige Monate später von den Bolschewiki unter der Führung von Lenin initiierte Oktoberrevolution führte zur Ausrufung der „Russischen Sowjetrepublik“. Nach dem Sieg der Bolschewiki im Russischen Bürgerkrieg wurde im Dezember 1922 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (kurz Sowjetunion) gegründet, die einen Großteil der Territorien des zerfallenen Russischen Reiches wieder zu einem Staat vereinte. In der Sowjetunion wurde eine zentralwirtschaftliche nachholende Industrialisierung durchgeführt. Ein vorher in vielen Bereichen rückständiges Bauernland, in dem zum Teil mittelalterliche, feudale Produktionsverhältnisse herrschten, sollte innerhalb von 20 Jahren zu einer Industriemacht und zum militärischen Ausgangspunkt der Weltrevolution umgestaltet werden. Dies geschah durch den forcierten, in seiner Ausführung berserkerartigen Aufbau der Schwerindustrie von 1928 an. Die ideologische Macht der Partei sollte durch umfassende Alphabetisierungskampagnen unter der Bevölkerung gefestigt werden.
Durch die Bekämpfung ihrer Gegner („Konterrevolutionäre“) während der Revolution und des nachfolgenden Bürgerkrieges (1917–1921) entstand eine katastrophale wirtschaftliche Lage. 1921 wurde eine Neue Ökonomische Politik (NEP) eingeführt, die eine Reihe marktwirtschaftlicher Zugeständnisse enthielt.
1924 bis 1939: Stalinscher Terror
Lenins Tod am 21. Januar 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich Josef Stalin, seit 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei, gegen Leo Trotzki durchsetzte. Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror von 1926 bis 1927 gegen seine Widersacher von „links“ (Leo Trotzki, Grigori Sinowjew und Lew Kamenew) und von 1929 bis 1930 gegen die von „rechts“ (u. a. Nikolai Bucharin) sowie jeden, der im Verdacht stand, mit ihnen zu sympathisieren.
Ab 1928 wurde die staatliche Wirtschaft Fünfjahrplänen unterworfen, die Industrialisierung und Infrastruktur, speziell im asiatischen Teil des Landes, vorangetrieben und die Landwirtschaft kollektiviert; Sowchosen und Kolchosen wurden gebildet. Der Widerstand der reicheren und mittleren Bauern, als „Kulaken“ diffamiert, wurde von 1929 bis 1933 in der sogenannten Entkulakisierung durch vielfältige Repressionen wie Verhaftungen, Enteignungen, Massendeportationen und Exekutionen rücksichtslos gebrochen. Die Folgen einer riesigen Hungersnot an der Wolga, in der Ukraine und im ganzen Land kostete mehreren Millionen Menschen das Leben; genaue Opferzahlen sind nicht bekannt.
Seit 1935 eskalierte Stalin die Verfolgungen und Deportationen von Bürgern, die dem System scheinbar oder tatsächlich im Wege standen. Durch die „Stalinschen Säuberungen“ (russisch „Tschistki“) von 1936 bis 1940 wurde ein systematischer Terror gegen die Menschen betrieben, die angeblich gegen das kommunistische Regime Stalins konspirierten. Die Säuberungsaktionen waren oft als gerichtliche Verfolgung getarnt und durch unter Folter erpresste Geständnisse begründet (Schauprozess). Es wurden ganze Völker der Sowjetunion, ethnische Minderheiten, in Arbeitslager (Gulag) deportiert. „Kulaken“, Priester und Mönche, kirchliche Laien, Großteile der militärischen Führungsspitze, führende Mitglieder der Partei und selbst Angehörige der Opfer wurden ermordet.
Das antikommunistische Schwarzbuch des Kommunismus gibt bis zu 20 Millionen Opfer für diese Zeit an.
1939 bis 1945: Zweiter Weltkrieg
Am 1. September 1939 begann mit dem Polenfeldzug durch das Deutsche Reich der Zweite Weltkrieg. Am 17. September 1939 marschierte die Rote Armee in Polen ein. Gemäß dem Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt besetzte die Sowjetunion nach der Niederlage Polens die Osthälfte Polens mit der Begründung, die Völker der Weißrussen und Ukrainer gegen eine deutsche Bedrohung schützen zu wollen. Am 28. September 1939 jedoch schloss die Sowjetunion bereits mit dem Deutschen Reich einen Grenz- und Freundschaftsvertrag und am 10. Februar 1940 ein Wirtschaftsabkommen ab. Die Gründe für den Hitler-Stalin-Pakt sind in der Geschichtsforschung umstritten (Einfluss in Osteuropa, Absicherung gegen einen Angriff Deutschlands). Ab dem 30. November 1939 führte die Sowjetunion Krieg gegen Finnland, das Teile seines Staatsgebietes in Karelien abtreten musste; die Karelo-Finnische Sozialistische Sowjetrepublik entstand. Die Sowjetunion wurde aus dem Völkerbund ausgeschlossen. Im Juni 1940 annektierte sie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie die rumänischen Gebiete Bessarabien (das spätere Moldawien) und die Bukowina.
Unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ begann die Wehrmacht am 22. Juni 1941 den Krieg gegen die Sowjetunion, der im russischen Geschichtsbewusstsein als „Großer Vaterländischer Krieg“ bezeichnet wird. Am 24. August 1941 besetzte die Sowjetunion zusammen mit Großbritannien das bis dahin neutrale Persien. Trotz wechselseitigem Misstrauen wurde in den Konferenzen von Teheran und Jalta auch formell eine Koalition zwischen der UdSSR, Großbritannien und der USA gegen Deutschland erreicht.
Im Kampf gegen die Wehrmacht trug die Sowjetunion die Hauptlast. Sie ging aus dem Zweiten Weltkrieg kriegsverwüstet und geschwächt, jedoch auch als Sieger- und Weltmacht hervor. In der Potsdamer Konferenz versuchten sich die Siegermächte in Europa auf eine Nachkriegsordnung zu einigen, was jedoch nur zum Teil gelang. Die Koalition zerbrach am gegenseitigen Misstrauen und auf Grund der unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen, der Ost-West-Konflikt – der Kalte Krieg – begann.
1945 bis 1985: Kalter Krieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg sicherte die Sowjetunion den gewonnenen territorialen Machtbereich. Das im Hitler-Stalin-Pakt vereinbarte sowjetische Interessengebiet in Ostpolen sowie das gesamte Baltikum schloss die UdSSR dauerhaft ihrem Staatsgebiet an. Albanien (1948–1961), Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechoslowakei und die 1949 gegründete DDR gerieten in den Machteinfluss der Sowjetunion und wurden als Satellitenstaaten kommunistisch regierte „Volksdemokratien“.
1953, nach Stalins Tod, wurde Nikita Chruschtschow Erster Sekretär der KPdSU. 1956, auf dem XX. Parteitag der KPdSU sprach er sich in einer Geheimrede gegen den Stalinismus aus. Er versuchte eine Wende in der sowjetischen Politik mit einer vorsichtigen Liberalisierung („Tauwetter-Periode") zu erreichen. Der Ungarische Volksaufstand wurde jedoch 1956 von der Roten Armee blutig niedergeschlagen.
Trotz intensiverer diplomatischer Kontakte zu den USA ging der Kalte Krieg weiter. Die Mitgliedstaaten von NATO und Warschauer Pakt rüsteten unvermindert gegeneinander auf. Die Kuba-Krise von 1962 brachte die Welt an den Rand eines Atomkrieges. Auf Druck der USA zog Chruschtschow die zur Stationierung auf der Karibikinsel vorgesehenen Atomraketen ab und verhinderte die drohende Eskalation.
Im Herbst 1957 begann die prestigeträchtige „Eroberung des Weltalls“: mit Sputnik 1 wurde der erste künstliche Satellit in die Erdumlaufbahn gebracht und noch im gleichen Jahr gelang es den sowjetischen Wissenschaftlern, mit dem Hund Laika das erste Lebewesen in den Weltraum zu befördern. 1961 glückte Juri Gagarin mit Wostok 1 der erste Flug eines Menschen in das Weltall.
1964 wurde Chruschtschow durch den konservativen Leonid Breschnew als Erster Sekretär (1966 Generalsekretär) ersetzt. Reformversuchen in anderen kommunistischen Staaten widersetzte sich das Regime vehement. 1968 wurde mit dem Einmarsch von Panzern der Warschauer-Pakt-Staaten die Freiheitsbewegung des Prager Frühling in der Tschechoslowakei niedergeschlagen. Auch die Verhängung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen 1980 (Niederschlagung der Reformbewegung der Gewerkschaft Solidarność) geschah unter dem Druck Moskaus. Die UdSSR unterzeichnete jedoch 1975 das KSZE-Abkommen.
1979 eskalierte mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen (bis zu 100.000 Soldaten) der Bürgerkrieg in Afghanistan; es entstand eine neue weltpolitische Krisenzone. Das Land wurde verwüstet, seine Infrastruktur zerstört. Durch die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Mudschaheddin wurden große Flüchtlingswellen ausgelöst; ca. 1,2 Millionen afghanische Todesopfer und ca. fünf Millionen Flüchtlinge waren die Folge. Afghanistans Staatspräsident Mohammed Nadschibullah setzte 1986 auf einen Kurs der nationalen Versöhnung. Michail Gorbatschow hielt das sowjetische Engagement in Afghanistan für zu kostspielig und verlustreich. 1988 bis 1989 wurden die sowjetischen Truppen abgezogen. Die siegreichen Mudschaheddin, von den US-amerikanischen und pakistanischen Geheimdiensten CIA und ISI organisiert und ausgerüstet, übernahmen die Macht, um sich erneut in bürgerkriegsähnliche Kämpfe zu verstricken. In dieser Lage konnten sich die radikal-islamischen Taliban von Pakistan aus in einem raschen Vorstoß in weiten Teilen des Landes durchsetzen und errichteten Mitte der 1990er einen islamischen Gottesstaat.
1985 bis 1991: Reformen und Auflösung der Sowjetunion
Ab 1985 wurden vom neu gewählten Generalsekretär Michail Gorbatschow erste Reformen eingeleitet. Durch Perestrojka (Umbau) und Glasnost (Offenheit) sollte der Realsozialismus reformiert werden und zu neuem, kritischen Denken führen. Die Entwicklung verselbständigte sich und entglitt zunehmend der Kontrolle der Partei.
Außenpolitisch wurde eine umfassende Politik der Entspannung und Abrüstung eingeleitet.
1986 ereignete sich in der Ukraine die Katastrophe von Tschernobyl, welche nach INES als die schwerste nukleare Havarie der Geschichte gilt.
1989 und 1991 wurde durch die großen Bergarbeiterstreiks in Sibirien deutlich, wie sich der Sozialismus gewandelt hatte: Die Herrschaft privilegierter Funktionärscliquen (Nomenklatura) hatte sich von den Interessen der Arbeiter entfremdet.
1990 und 1991 erklärten als erste die baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland ihre Unabhängigkeit. Am 19. August 1991, einen Tag bevor Gorbatschow und eine Gruppe der Staatenführer der Republiken einen neuen Unionsvertrag unterzeichnen wollten, versuchte eine Gruppe hoher Funktionäre die Macht in Moskau zu ergreifen. Bereits am 21. August war der Putsch am Widerstand der Bevölkerung unter Führung von Boris Jelzin gescheitert. Durch den Augustputsch war die Sowjetunion endgültig zerfallen. Die offizielle Auflösung erfolgte jedoch erst zum 26. Dezember 1991, dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden zum Abkommen von Alma-Ata, durch Beschluss des Obersten Sowjets (wobei selbst unter den einzelnen Nachfolgerepubliken der ehemaligen UdSSR hierbei Uneinigkeit besteht),[9] womit zum 31. Dezember 1991 die Existenz der Sowjetunion offiziell endete.
Nach dem Putsch wurde die KPdSU durch Dekret verboten. Jelzin übernahm die Kontrolle über die Medien und der Schlüsselministerien. Gorbatschow trat als Generalsekretär der KPdSU zurück, blieb jedoch bis zum 25. Dezember 1991 Staatspräsident, als er die Amtsgeschäfte an den Präsidenten der Russischen Föderation, Boris Jelzin, übergab. Symbolträchtig wurde daraufhin um 19:32 Uhr Ortszeit die Flagge der Sowjetunion mit Hammer und Sichel als verbliebenes nationales Symbol vom Dach des Hauses des Ministerrates im Moskauer Kreml eingeholt und die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen.[10][11] Die Unionsrepubliken erklärten ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. Schließlich beschlossen elf von ihnen – die baltischen Staaten und Georgien waren nicht zugegen – am 21. Dezember 1991 in Alma-Ata die Auflösung der Union (Alma-Ata-Deklaration). Die Sowjetunion ging damit durch Dismembration ihrer bis dahin noch vorhandenen Gliedrepubliken unter, während diese als Nachfolgestaaten des sowjetischen Völkerrechtssubjekts uno actu den Status völkerrechtsunmittelbarer Staaten erlangten. Die ehemaligen Unionsrepubliken schlossen sich daraufhin in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammen. Gleichwohl aber erklärte sich die Russische Föderation, die wiederum völkerrechtlich identisch zur RSFSR ist,[12] ausdrücklich zum „Fortsetzerstaat“[13] der UdSSR, was die Übernahme aller völkerrechtlichen Rechte und Pflichten einbezog – einschließlich des sowjetischen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – und von ihr in weiteren außenpolitischen wie innerstaatlichen Rechtsakten und Erklärungen immer wieder bestätigt worden ist. Unter breiter Zustimmung blieben somit völkerrechtliche Verträge mit dritten Staaten weiterhin in Kraft.[14]
Politik
System
Verfassung
Zum ersten Mal wurde 1923 in der gesamten Sowjetunion eine Verfassung erarbeitet, die Sowjetische Verfassung von 1924. Diese wurde 1936 durch die Stalin-Verfassung abgelöst.
Formal war die Sowjetunion ein föderalistischer Staatenbund von Teilstaaten (Unionsrepubliken); faktisch war sie ein zentralistisch regierter und von der Russischen SFSR dominierter Staat. Nominell wurde sie demokratisch durch Räte (russisch Совет/Sowjet) beziehungsweise das Parlament regiert. Die tatsächliche Macht lag aber stets bei der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die das Land besonders unter Stalin totalitär, später eher autoritär-diktatorisch regierte. Gegen Ende der UdSSR unternahm Michail Gorbatschow unter dem Stichworten Glasnost und Perestroika Anstrengungen, tatsächliche demokratische Institutionen einzuführen.
Die Regierung der Sowjetunion war nicht nur für die Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit des Landes zuständig, sondern verwaltete auch die Wirtschaft. Die grundlegenden politischen Entscheidungen wurden von der wichtigsten politischen Institution des Landes, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) getroffen.
In den späten 1980ern war der formale Aufbau des Staates ähnlich wie bei westlichen politischen Systemen organisiert. So setzte eine Verfassung alle Staatsorgane ein und garantierte den Bürgern eine Reihe von politischen Rechten und Bürgerrechten. Eine legislative Gewalt, der Kongress der Volksbeauftragten und ein ständiger legislativer Rat, der Oberste Sowjet, als Volksvertretung repräsentierten die Souveränität des Volkes. Der Oberste Sowjet wählte das Präsidium, dessen Vorsitzender auch als Staatsoberhaupt fungierte und überwachte den Rat der Volkskommissare, später der Ministerrat, der als die exekutive Gewalt agierte. Der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare, dessen Wahl von der Legislative bestätigt werden musste, war der Regierungschef. Eine verfassungsbasierte Judikative wurde durch ein System von Gerichtshöfen, dessen oberster der Oberste Gerichtshof war, repräsentiert. Der Oberste Gerichtshof war verantwortlich für die Überwachung der Gesetzmäßigkeit der Regierungsinstitutionen. Nach der Verfassung von 1977 hatte das Land eine föderale Struktur, die den einzelnen Teilrepubliken bestimmte souveräne Rechte (z. B. die Entscheidung über Minderheitenpolitik) zusprach.
In der Praxis jedoch wurden viele der Aufgaben der einzelnen Regierungsinstitutionen von der einzigen erlaubten Partei, der KPdSU, wahrgenommen. Die eigentlichen Grundlagen- und Richtlinienentscheidungen wurden von der Partei getroffen und von der Regierung übernommen, die eher die Entscheidungen der Partei ratifizierte als selbst Gesetze beschloss. Eine Reihe verschiedener Mechanismen sorgte dafür, dass die Regierung die Entscheidungen der Partei mittrug. Zwar konnten die Bürger der Sowjetunion sich bei allen Wahlen entscheiden, welchen Kandidaten sie wählten, aber da alle Kandidaten der KPdSU angehören mussten und von der Partei aufgestellt wurden, konnte die Kommunistische Partei alle wichtigen Positionen in der Regierung mit Personen setzen, die der Parteiführung gegenüber loyal waren. Die Personen in Regierungsämtern wurden strikt von der KPdSU überwacht, um zu verhindern, dass sie von der offiziellen Linie abwichen.
Die Hauptaufgabe der Exekutive, des Ministerrats, war die Verwaltung der Wirtschaft. Der Ministerrat war über die gesamte Zeit seines Bestehens mit der Kommunistischen Partei gegenüber loyalen Politikern besetzt, der Vorsitzende des Ministerrats war immer auch ein Mitglied des Politbüros, der zentralen Entscheidungsinstanz der KPdSU. Oft war es auch der Generalsekretär der Partei selbst. Der Vorsitzende hatte eine dominante Stellung gegenüber den anderen Ministern.
Nach der Verfassung von 1978 war das höchste legislative Gremium der Sowjetunion der Kongress der Volksdeputierten. Die wichtigste Aufgabe des Kongresses war die Wahl einer kleineren, ständigen legislativen Versammlung, des Obersten Sowjets mit seinem Vorsitzenden, der gleichzeitig Staatsoberhaupt war. Obwohl der Kongress der Volksbeauftragten theoretisch allein das Recht hatte, Gesetze zu beschließen, trat er nur selten zusammen, um Gesetzesentwürfen der Partei, des Ministerrats und des Obersten Sowjets zuzustimmen. Der Oberste Sowjet hatte das Recht, die geltenden Gesetze der Sowjetunion zu interpretieren und zusammen mit dem Ministerrat Dekrete zu beschließen, falls es in den bestehenden Gesetzen Unklarheiten gab.
Das Rechtssystem unterschied sich von dem in westlichen Staaten gepflegten. Statt dass ein Verteidiger und ein Staatsanwalt für bzw. gegen den Angeklagten argumentierten, arbeitete der Richter mit dem Staatsanwalt und dem Verteidiger zusammen. Dies sollte im Verständnis der Sowjetunion sicherstellen, dass die Prozesse die Wahrheit zu Tage förderten. Gleichzeitig öffnete diese Regelung dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor.
Partei
(KPdSU)
Die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) war als einzige Partei die politische Führung des Landes.
Sie wurde 1918 nach der Oktoberrevolution von Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) in Kommunistische Partei Russlands (KPR (B) bzw. RKP(b)) umbenannt. 1925 erhielt sie den Namen Kommunistische Allunions-Partei (WKP(b)). 1952 wurde die Partei in Kommunistische Partei der Sowjetunion umbenannt.
Organisationen
- Die Parteitage der KPdSU (I. bis XXVIII. Parteitag) waren das oberste Organ der KPdSU.
- Das Zentralkomitee der KPdSU (ZK) sollte gemäß den Statuten die Partei führen, verlor unter Stalin vollkommen seine Macht.
- Das Sekretariat des Zentralkomitees leitete die laufende Arbeit des ZKs. Es war das Machtzentrum der Partei.
- Das Politbüro (von 1952 bis 1966 Präsidium genannt) wurde vom ZK gewählt. Es war Führungsgremium der Partei und somit des Staates.
- Der Generalsekretär, zeitweise von 1952 bis 1964 auch als Erster Sekretär bezeichnet, war der Parteiführer und zur Stalinzeit der unumschränkte Machtinhaber von Partei und Staat.
Siehe dazu auch: Sekretariat des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Kandidaten des Politbüros der Kommunistischen Partei der Sowjetunion
Parteiführer
Die Parteiführer der Bolschewiki der SDAPR bis 1918, dann der Kommunistischen Partei Russlands (B) (1918–1925) bzw. der KPdSU bis 1991, waren nach dem Verständnis der Partei und des Staates die eigentlichen Machthaber der Sowjetunion:
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Wladimir Iljitsch Lenin* 17. November 1903 21. Januar 1924 Josef Wissarionowitsch Stalin 3. April 1922 5. März 1953 Georgi Maximilianowitsch Malenkow 5. März 1953 13. März 1953 Nikita Sergejewitsch Chruschtschow 7. September 1953 14. Oktober 1964 Leonid Iljitsch Breschnew 14. Oktober 1964 10. November 1982 Juri Wladimirowitsch Andropow 12. November 1982 9. Februar 1984 Konstantin Ustinowitsch Tschernenko 13. Februar 1984 10. März 1985 Michail Sergejewitsch Gorbatschow 11. März 1985 24. August 1991 * Lenin war lediglich informell Oberhaupt der Kommunistischen Partei; 1922/24 bis 1953 und 1966 bis 1991 lautete die Amtsbezeichnung Generalsekretär; 1953 bis 1966 Erster Sekretär.
Staatsführung
Staatsoberhaupt
Die Staatsoberhäupter der Sowjetunion (bis 1922 Sowjetrussland) hatten bis 1990 nur ein rein repräsentatives Amt wahrzunehmen. 1922–1938: Vorsitzender des Zentralen Exekutivkomitees, 1938–1946: Unionsältester, 1946–1989: Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets, 1989–1990: Vorsitzender des Obersten Sowjets, 1990–1991: Staatspräsident
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Lew Borissowitsch Kamenew 9. November 1917 21. November 1917 Jakow Michailowitsch Swerdlow 21. November 1917 16. März 1919 Michail Iwanowitsch Kalinin 30. März 1919 19. März 1946 Nikolai Michailowitsch Schwernik 19. März 1946 15. März 1953 Kliment Jefremowitsch Woroschilow 15. März 1953 7. Mai 1960 Leonid Iljitsch Breschnew 7. Mai 1960 15. Juli 1964 Anastas Hovhannessi Mikojan 15. Juli 1964 9. Dezember 1965 Nikolai Wiktorowitsch Podgorny 9. Dezember 1965 16. Juni 1977 Leonid Iljitsch Breschnew 16. Juni 1977 10. November 1982 Juri Wladimirowitsch Andropow 16. Juni 1983 9. Februar 1984 Konstantin Ustinowitsch Tschernenko 11. April 1984 10. März 1985 Andrei Andrejewitsch Gromyko 2. Juli 1985 1. Oktober 1988 Michail Sergejewitsch Gorbatschow 1. Oktober 1988 25. Dezember 1991 Ministerrat
Der Ministerrat der UdSSR war die Regierung der Sowjetunion. Die Regierung hieß ab 1917 Rat der Volkskommissare und wurde in der Stalinzeit 1946 in Ministerrat umbenannt.
Der Ministerrat bestand aus dem Vorsitzenden (zumeist als Ministerpräsident benannt), dem oder den Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden, den Stellvertretenden Vorsitzenden, den Ministern, den Vorsitzenden von Kommissionen, Komitees oder Leitern von Ämtern, den Vertretern der Staatsplanung (seit 1929 auch Gosplan genannt) und den Vorsitzenden der Ministerräte der 15 Unionsrepubliken.
Regierungschef
1917–1946: Vorsitzende des Rates der Volkskommissare, 1946–1991: Vorsitzende des Ministerrates, 28. August 1991–25. Dezember 1991: Ministerpräsident der UdSSR und Vorsitzender des Interrepublikanischen Wirtschaftskomitees
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Wladimir Iljitsch Lenin 8. November 1917 21. Januar 1924 Alexei Iwanowitsch Rykow 23. Januar 1924 19. Dezember 1930 Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow 19. Dezember 1930 6. Mai 1941 Josef Wissarionowitsch Stalin 6. Mai 1941 5. März 1953 Georgi Maximilianowitsch Malenkow 6. März 1953 8. Februar 1955 Nikolai Alexandrowitsch Bulganin 8. Februar 1955 27. März 1958 Nikita Sergejewitsch Chruschtschow 27. März 1958 15. Oktober 1964 Alexei Nikolajewitsch Kossygin 15. Oktober 1964 23. Oktober 1980 Nikolai Alexandrowitsch Tichonow 23. Oktober 1980 27. September 1985 Nikolai Iwanowitsch Ryschkow 27. September 1985 14. Januar 1991 Walentin Sergejewitsch Pawlow 14. Januar 1991 22. August 1991 Iwan Stepanowitsch Silajew 6. September 1991 25. Dezember 1991 Menschenrechte
Die Sowjetunion war von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung ein Polizeistaat, in dem sich kaum ein Aspekt des täglichen Lebens der staatlichen Überwachung entzog. Die Meinungs- oder Reisefreiheit existierten zwar auf dem Papier, nicht aber in der Praxis. Es musste für fast jede bedeutende Tätigkeit eine Bewilligung der Obrigkeit eingeholt werden. Die Behörden, voran der Geheim- und Staatssicherheitsdienst KGB, überwachten das öffentliche und private Leben der Sowjetbürger intensiv; Dissidenten waren von staatlichen Repressalien und schweren Strafen bis hin zur Deportation ins Straflager („Gulag“) bedroht.
Diese totalitären Kontroll- und Zwangsmaßnahmen erfolgten am intensivsten unter Stalin und Breschnew, während später, vor allem unter der Glasnost Gorbatschows, auch begrenzte kulturelle, politische und persönliche Freiräume entstanden. In der Nach-Stalin-Ära entstand ein antisowjetischer Untergrund, der sich unter anderem über verbotene Literatur („Samisdat“) und den politischen Humor (vgl. Radio Eriwan) am Leben hielt.
Außenpolitik
Außenminister
→ Hauptartikel: Außenminister der UdSSR
Die Außenminister (vor dem 16. März 1946 Volkskommissare) waren Trotzki, Joffe, Radek, Tschitscherin, Litwinow, Molotow (zwei Mal), Wyschinski, Schepilow, Gromyko, Schewardnadse (zwei Mal), Bessmertnych und Pankin
Mitgliedschaften in internationalen Organisationen
- Vereinte Nationen: Die Sowjetunion war seit 1945 Gründungsmitglied der UNO. Sie hatte ein besonderes Vetorecht im Sicherheitsrat der UNO.
- Nebenorganisationen der UNO (Internationale Atomenergieorganisation, Internationale Zivilluftfahrt-Organisation, Internationale Arbeitsorganisation, Internationale Seeschifffahrts-Organisation, Internationale Fernmeldeunion, UNESCO, Weltpostverein, Welthandels- und Entwicklungskonferenz, Ausbildungs- und Forschungsinstitut der Vereinten Nationen, Weltgesundheitsorganisation, Weltorganisation für geistiges Eigentum, Weltorganisation für Meteorologie)
- Die Weißrussische SSR und die Ukrainische SSR waren seit 1945 separate Mitglieder der UNO und der meisten Nebenorganisationen der UNO.
- Warschauer Pakt – WVO: Verteidigungsbündnis der Ostblockstaaten seit 1955
- Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (seit 1949)
- Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (seit 1975) sowie KVAE
- Weitere Mitgliedschaften: Wirtschaftskommission für Europa, Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik, ICCO, Interparlamentarische Union, Interpol, Internationales Olympisches Komitee
Verhältnis zu Deutschland
Ein wichtiger Schritt aus der selbst gewählten Isolierung bildete der Ausgleich mit Deutschland im Vertrag von Rapallo von 1922, das die UdSSR als erster ausländischer Staat diplomatisch anerkannte. Erst am 18. September 1934 trat die Sowjetunion dem Völkerbund bei.
Das Verhältnis zum nationalsozialistischen Regime in Deutschland war von Anfang an sehr gespannt. Die aggressive Außenpolitik Adolf Hitlers und seine Herabwürdigung der slawischen Völker als „Untermenschen“, ebenso wie seine extreme Feindschaft zum Kommunismus, beeinträchtigten die deutsch-sowjetischen Beziehungen sehr stark. Um Teile von Polen annektieren zu können, schlossen die Sowjetunion und Deutschland am 23. August 1939 den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. In einem geheimen Zusatzprotokoll zu diesem Vertrag legten beide ihre Interessenssphären in Osteuropa fest.
Mit einer Erklärung der sowjetischen Regierung vom 25. März 1954 nahm die UdSSR, nach dem Scheitern der Außenministerkonferenz der vier Besatzungsmächte in Berlin (25. Januar–18. Februar 1954), mit der Deutschen Demokratischen Republik „die gleichen Beziehungen auf wie mit anderen souveränen Staaten“ und gewährte ihr am 20. September 1955 in inneren und äußeren Angelegenheiten die staatliche Souveränität. Der Anteil an der Viermächte-Verantwortung für Gesamtdeutschland wurde hierbei ausdrücklich betont.[15] Die drei Westmächte hielten dagegen bereits am 8. April 1954 fest, dass sie auch „weiterhin die Sowjetunion als die verantwortliche Macht für die sowjetische Zone Deutschlands betrachten“. So behielt sich auch das sowjetische Oberkommando ohne Mitspracherecht der DDR vor, „im Falle der Bedrohung der Sicherheit“ alle Maßnahmen zu ergreifen, die es für notwendig erachtete. Nachdem am 25. Januar 1955 der Kriegszustand mit Deutschland für beendet erklärt wurde, kehrten die letzten deutschen Soldaten aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück. Daraufhin unterhielt die Sowjetunion ab September 1955 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland, da diese darin auch ein mögliches Mittel zur Überwindung der Spaltung und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands sah.[16]
Verhältnis zur Dritten Welt
Nachdem sich die Sowjetunion von den eurozentristischen und xenophoben[17] Perspektiven der 1930er und 40er Jahre befreit hatte, bemühte sie sich seit Mitte der 1950er Jahre, Beziehungen zur durch Dekolonisierung entstandenen Dritten Welt aufzubauen. Als Motiv kann dabei gesehen werden, die blockfreien Länder an das sowjetische Herrschaftssystem anzubinden.[18] Chruschtschows symbolträchtige Besuche in Indien, Burma und Afghanistan 1955, das Austragen des Weltfestivals der Jugend in Moskau 1957 und die Gründung der Universität für Völkerfreundschaft 1960 sind Ergebnisse dieser Politik. Der Mangel an Afrikanern, Südasiaten und Lateinamerikanern, die in der Sowjetunion lebten, und ein fast vollständiges Fehlen von Personen, deren Reiseaktivität die Allianz zwischen UdSSR und Dritter Welt hätte aufrechterhalten können, erschwerten jedoch den Aufbau langfristiger Beziehungen.[18] Ein weiterer Faktor für den bestenfalls langsam verlaufenden Aufbau außenpolitischer Beziehungen mit Ländern der Dritten Welt war die unzureichende außenwirtschaftliche Hilfe- und Leistungsfähigkeit der Sowjetunion. Dadurch gingen einige politische, ideologische und militärische Anknüpfungspunkte wieder verloren.[19]
Zu Beginn der 1960er Jahre vermehrte die Sowjetunion ihr Engagement für Drittweltstaaten in der UNO. Erstens unterstützte sie einige UN-Entwicklungsprojekte fortan finanziell. Zweitens versuchte sie, die neu in die Vereinten Nationen eingetretenen, dekolonisierten Staaten auf ihre Seite zu ziehen.[20] Beispielhaft hierfür sind Chruschtschows Reden auf der UN-Vollversammlung 1960, in denen er der UN vorwarf, bei der Kongo-Krise den diktatorischen Putschisten Mobutu zu unterstützen. Seine Forderung nach umfangreichen Reformen der UNO fand in den Reihen der neuen Mitgliedstaaten kaum Unterstützung, da diese befürchteten, die Reformen könnten zur Zerstörung einer Institution führen, die ihnen endlich Mitsprache versprach.
Verteidigung
Armee und Marine
→ Hauptartikel: Rote Armee, Sowjetische Marine, Sowjetische Luftstreitkräfte
Die Streitkräfte der Sowjetunion umfassten nach dem Gesetz die Armee, die Marine sowie weitere bewaffnete Formationen. Die Armee entstand nach der Oktoberrevolution von 1917. Ihre Bezeichnung „Rote Armee“, russ. Рабоче-крестьянская Красная Армия/Rabotsche-krestjanskaja Krasnaja Armija (PKKA), Rote Arbeiter- und Bauernarmee, wurde 1946 offiziell in „Sowjetarmee“, russ. Советская Армия/Sowjetskaja Armija (CA) geändert.
Verteidigungsminister
→ Hauptartikel: Ministerrat der UdSSR
Die Verteidigungsminister (vor dem 16. März 1946 Volkskommissare) waren Trotzki, Frunse, Woroschilow, Timoschenko, Stalin, Bulganin (2 Mal), Wassilewski, Schukow, Malinowski, Gretschko, Ustinow, Sokolow, Jasow und Schaposchnikow.
Administrative Gliederung
Die Sowjetunion war als einheitlicher Sowjetstaat formal eine Föderation. Von 1956 bis 1991 gab es 15 nationale sozialistische Räterepubliken (auch Unionsrepubliken genannt), die gemäß Artikel 72 auch das Recht hatten, wieder aus der Union auszutreten. Jede Unionsrepublik hatte ihre eigene Hauptstadt, jedoch hatte Moskau als überregionale und teilrepubliksübergreifende Hauptstadt der Sowjetunion sowie der RSFSR einen besonderen Status. Die Republiken hatten ihre eigenen Verfassungen, die, wie die Verfassung der gesamten Union, theoretisch die Gewaltenteilung in der Sowjetunion garantieren sollten. In der Praxis hatte die zentrale Regierung jedoch alle wichtigen Befugnisse an sich gezogen und traf Entscheidungen, die von den regionalen Behörden nur ausgeführt wurden.
Innerhalb dieser Republiken gab es sogenannte Autonome Sozialistische Sowjetrepubliken (zum Beispiel Nachitschewan), Autonome Gebiete, zum Beispiel die Jüdische Autonome Oblast oder auch Autonome Kreise. Alle diese Entitäten trugen theoretisch Staatscharakter, die auch innerhalb der Sowjetunion galten. Verschiedene Interpretationen der sowjetischen Verfassung des Jahres 1977 sind bedeutsam für einige Konflikte im postsowjetischen Raum. Ein Beispiel dafür ist Abchasien, welche eine Autonome Republik darstellte, oder Bergkarabach, welche ein autonomes Gebiet darstellte.
Die Unionsrepubliken von 1991 und heutige Staaten Unionsrepublik der UdSSR Heutige Staaten GUS NATO EU EURASEC GUUAM OVKS SCO
Russische SFSR1922–56
Russische
SFSR1956–91
Russland1991 – – 2002 – 1996
Karelo-Finnische SSR1940–56
Weißrussische SSR1922–91
Weißrussland1991 – – 2002 – –
Estnische SSR1940–91
Estland– 2004 2004 – – – –
Lettische SSR1940–91
Lettland– 2004 2004 – – – –
Litauische SSR1940–91
Litauen– 2004 2004 – – – –
Moldauische SSR1940–91
Moldawien1991 – – Beo. 1997 – –
Ukrainische SSR1922–91
Ukraine1991 – – Beo. 1997 – –
Transkaukasische
SFSR
1922–36
Armenische SSR1936–91
Armenien1991 – – Beo. – –
Aserbaidschanische SSR1936-91
Aserbaidschan1991 – – – 1997 – –
Georgische SSR1936–91
Georgien1993-08 – – – 1997 – –
Kasachische SSR1936–91
Kasachstan1991 – – 2002 – 1996
Kirgisische SSR1936–91
Kirgisistan1991 – – 2002 – 1996
Tadschikische SSR1929–91
Tadschikistan1991 – – 2002 – 1996
Turkmenische SSR1925–91
Turkmenistan1991-05 – – – – – –
Usbekische SSR1925–91
Usbekistan1991 – – – 1999–05 – 2001 Legende:
- Unionsrepublik: Name der SSR
- UdSSR: Mitgliedschaft in der Sowjetunion
- Heutige Staaten: Staat, der nach Auflösung(1991) der Sowjetunion entstanden ist oder die Unabhängigkeit von UdSSR erklärt hat
- GUS: Mitgliedschaft in der Gemeinschaft unabhängiger Staaten
- NATO: Mitgliedschaft in der Nordatlantikvertrag-Organisation
- EU: Mitgliedschaft in der Europäischen Union
- EURASEC: Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft
- GUUAM: Mitgliedschaft in der GUAM (Sicherheitsallianz von Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien)
- OVKS: Mitgliedschaft in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit
- SCO: Mitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit
- Beo.: Beobachter in EURASEC
Republik Hauptstadt Einwohner 1989[21] % Einwohner Juli 2007 Δ% Dichte Fläche (km²) % Russische SFSR Moskau 147.386.000 51,40 % 141.377.752 −4,0 % 8,6 17.075.200 76,62 % Ukrainische SSR Kiew 51.706.746 18,03 % 46.299.862 −10,5 % 85,6 603.700 2,71 % Usbekische SSR Taschkent 19.906.000 6,94 % 27.780.059 +39,6 % 44,5 447.400 2,01 % Kasachische SSR Almaty 16.711.900 5,83 % 15.284.929 −8,5 % 6,1 2.727.300 12,24 % Weißrussische SSR Minsk 10.151.806 3,54 % 9.724.723 −4,2 % 48,9 207.600 0,93 % Aserbaidschanische SSR Baku 7.037.900 2,45 % 8.120.247 +15,4 % 81,3 86.600 0,39 % Georgische SSR Tiflis 5.400.841 1,88 % 4.646.003 −14,0 % 77,5 69.700 0,31 % Tadschikische SSR Duschanbe 5.112.000 1,78 % 7.076.598 +38,4 % 35,7 143.100 0,64 % Moldauische SSR Chișinău 4.337.600 1,51 % 4.320.490 −0,4 % 128,2 33.843 0,15 % Kirgisische SSR Bischkek 4.257.800 1,48 % 5.284.149 +24,1 % 21,4 198.500 0,89 % Litauische SSR Vilnius 3.689.779 1,29 % 3.575.439 −3,1 % 56,6 65.200 0,29 % Turkmenische SSR Aşgabat 3.522.700 1,23 % 5.097.028 +44,7 % 7,2 488.100 2,19 % Armenische SSR Jerewan 3.287.700 1,15 % 2.971.650 −9,6 % 110,3 29.800 0,13 % Lettische SSR Riga 2.666.567 0,93 % 2.259.810 −15,3 % 41,3 64.589 0,29 % Estnische SSR Tallinn 1.565.662 0,55 % 1.315.912 −16,0 % 34,6 45.226 0,20 % Wirtschaft
Die UdSSR hatte die Zentralverwaltungswirtschaft eingeführt. Die Produktion von Gütern wurde nach einem strengen Plan überwacht. Am 25. Januar 1949 wurde gemeinsam mit den meisten Satellitenstaaten des Ostblocks der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe als wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen Staaten Osteuropas gegründet.
Währung
Die offizielle Währung der Sowjetunion war der Rubel, der in 100 Kopeken unterteilt wird. Im Jahre 1922 verursachte Wladimir Lenin dem Parteiprogramm entsprechend eine Hyperinflation. Somit verfolgte er das Ziel in der kommunistischen Lehre das Geld schrittweise abzuschaffen oder zumindest dessen Bedeutung einzuschränken, was mit einem Dekret nicht möglich wäre. So entwertete er seinen Zielen entsprechend alles umlaufende Finanzkapital.[22] Nach mehreren Jahren voller militärischer Konflikte, wirtschaftlichen Krisen und Problemen war der Geldverkehr nur auf die nationale Ebene beschränkt. Das bedeutet, dass keine einzige Kopeke das Land mit der Ausnahme von Republikflucht und Schwarzmarkt verlassen konnte.
Formen des Eigentums
In der Sowjetunion gab es zwei grundlegende Formen des Eigentums; Individuelles Eigentum und Kollektives Eigentum (gemeinsames Eigentum, in der Praxis genossenschaftliches oder staatliches Eigentum). Diese unterschieden sich stark in ihrem Inhalt und dem rechtlichen Status. Gemäß kommunistischer Theorien konnte Kapital (Produktionsmittel), neben einigen unwesentlichen Ausnahmen, nicht individuell besessen werden. Nach dem Ende der kurzzeitigen Lockerung mit der Neuen Ökonomischen Politik, russisch: НЭП – Новая экономическая политика; NEP – Nowaja ekonomitscheskaja politika, durch Lenin wurde jegliches industrielle Eigentum sowie Bauland gemeines Eigentum des Volkes respektive Eigentum des Staates. Individuelles Eigentum konnte nur Persönliches Eigentum sein, das heißt Kapital (Produktionsmittel) war automatisch staatliches oder genossenschaftliches Eigentum.
Siehe auch: KollektivierungLandwirtschaft
Die landwirtschaftlich nutzbare Großregion in der Sowjetunion zwischen Sankt Petersburg, Odessa beziehungsweise Rostow am Don im Westen und Krasnojarsk im Osten wurde auch Agrardreieck genannt.
Die landwirtschaftlichen Betriebe wurden u. a. differenziert in
- Sowchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe des Staates und
- Kolchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe, die genossenschaftlich organisiert waren und dessen Bewirtschaftung durch das sozialistische Kollektiv der Mitglieder erfolgte.
Kultur und Gesellschaft
Malerei
Siehe: Sozialistischer Realismus – Suprematismus – Konstruktivismus – Kubofuturismus – Peredwischniki
Architektur
In der russisch-sowjetischen Kunst- und Architekturentwicklung war nach der Oktoberrevolution eine ausgesprochen avantgardistische Entwicklung zu verzeichnen. Der neue Stil begann sich bereit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Wechselwirkung mit anderen Kunstrichtungen in Russland – wie in Europa – abzuzeichnen. Für die Stilerneuerung als Konstruktivisten oder Rationalisten – vieles ganz im Bauhausstil – stehen Architekten wie Kasimir Malewitsch, Wladimir Tatlin, Alexander Rodschenko, El Lissitzky, Alexander Wesnin, Ilja Golosow, Konstantin Melnikow, Moisej Ginzburg. Es wurde aber in den Jahren zwischen 1920 bis etwa 1933 viel entworfen, aber nur wenig davon realisiert. Zu verweisen ist auf die Gebäude der Iswestija in Moskau von G. Grigori Barchin (1927), eine Großküche in Moskau von A. Meskow (1929), Haus der Technischen Lehre in Leningrad von Alexander Gegello und D. Krischewski (1932), das Lenin-Mausoleum in Moskau von A. Schtschussew, Klubhaus „Rote Putilower“ in Leningrad von A. Nikolski (1926), eine Bank von W. Wesnin (1927) und ein Kraftwerk von S. Grusenberg beide in Iwanowo-Wosnessensk und auf viele Wohnhäuser dieser Zeit.
Das Ende der neuen Architektur zeigte sich 1932 am Ergebnis des Wettbewerbes für den nicht realisierten Palast der Sowjets. Traditionelle Bauformen setzen sich durch. Konstruktivismus und Funktionalismus werden als Kapitalistische Architektur bezeichnet. Eine „idealistische und utopische Architektur“ – so heißt es jetzt – „will die noch erforderlichen Etappen auf dem Weg zum Sozialismus zu überspringen, und wirkt dadurch im politischen Sinne konterrevolutionär.“ Von nun an setzt man auf eine traditionelle Architektur, auf sehr prunkvolle Paläste und üppige Bauten. Der Zuckerbäckerstil (Sozialistischer Klassizismus) ist die Bezeichnung einer Stilrichtung, die bis 1955 in der Sowjetunion und in seinen Satellitenstaaten üblich ist.
Da sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein starkes Bevölkerungswachstum abzeichnete, kam es bei den Arbeiterklassen rasch zu einer großen Wohnungsnot. Mit dem Beginn der Ära von Nikita Chruschtschow im September 1953 wurde in der ganzen Sowjetunion zu Sparmaßnahmen aufgerufen. Chruschtschow versammelte im Dezember 1954 die leitenden Architekten und Baufunktionäre der Sowjetunion zur „Allunionskonferenz der Bauschaffenden“ und ließ öffentlich die Entstalinisierung der Baukultur und die Abschaffung des „Konservatismus in der Architektur“ bekanntgegeben. Unter dem Motto „Besser, billiger und schneller bauen“ folgten drastische Änderungen im Wohnkonzept. Mit dem neuen Baustil jener Zeit entstanden die allgemein als „Chruschtschowki“ (хрущёвки; Wohnblocks) bezeichneten Wohngebäude, welche im Stil von sogenannten „Chruschtschoby“ (хрущобы; Plattenbau-Siedlungen) angeordnet wurden.
Siehe auch: Sozialistischer Klassizismus, Sozialistischer Städtebau
Medien
Siehe: Kategorie:Zeitung (Sowjetunion) – Sowjetisches Fernsehen
Literatur
→ Hauptartikel: Liste sowjetischer Schriftsteller, Liste russischsprachiger Schriftsteller, Kategorie:Literatur (Russisch)
Science-Fiction
In der Sowjetunion gab es eine eigene, reichhaltige Science-Fiction-Literatur. Anders als in den westlichen Ländern war dieses Genre in der Sowjetunion nie als Trivialliteratur verfemt. Die meisten Science-Fiction-Werke lieferten utopische Entwürfe für eine zukünftige Gesellschaft, wie zum Beispiel der Roman Andromedanebel, von Iwan Antonowitsch Jefremow aus dem Jahr 1957, der mit über 20 Millionen Exemplaren das wohl wichtigste und erfolgreichste Buch dieses Genres in der Sowjetunion war. Die Science-Fiction-Literatur entwickelte sich rasch zu einer Art Sprachrohr für die Kritiker der sowjetischen Führung. Der georgische Regisseur Otar Ioselani führte im Jahr 1962 ein Gespräch mit Boris Barnet, der später Selbstmord verübte:
- Er fragte mich: „Wer sind sie?“ Ich sagte: „Ein Regisseur.“ – „Ein sowjetischer“, korrigierte er. „Sie müssen immer sagen: ‚Ein sowjetischer Regisseur.‘ Das ist ein ganz besonderer Beruf.“ – „Wieso?“, fragte ich. „Weil Sie, wenn Sie jemals ehrlich werden sollten, was mich überraschen würde, das Wort ‚sowjetisch‘ weglassen können.“[23]
Später wurden auch Science-Fiction-Filme gedreht, welche es zum Teil wagten, den sowjetischen Materialismus herauszufordern. So wird zum Beispiel in Andrei Tarkowskis Solaris, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Stanisław Lem, aus dem Jahr 1972 die Konfrontation einer Besatzung eines Raumschiffes mit einer absolut fremden Lebensform dargestellt, welche für sie zur metaphysischen Reise in die Innenwelt ihrer eigenen Kultur wird und sie zur Selbsterkenntnis, Liebe und Geduld anhält. Erstaunlich ist an der Verwirklichung dieser Filme, dass sie alle in der Breschnew-Ära entstanden, in der sämtliche Formen der organisierten Religion stark eingeschränkt wurden.
Film und Theater
Siehe: Kategorie:Sowjetischer Film
Wissenschaft
→ Hauptartikel: Wissenschaft in der Sowjetunion, Sowjetische Raumfahrt
Sport
Der Sport, Breitensport als auch Spitzensport, wurde in der Sowjetunion intensiv durch den Staat gefördert. Dafür gab es eine extra eingerichtete Organisation innerhalb des Staates, deren Aufgabe es war, Nachwuchsarbeit zu betreiben und aussichtsreiche Talente aufzuspüren, die in Sportschulen weiter ausgebildet wurden.
Siehe auch: Fußballnationalmannschaft der UdSSR, Sowjetische Schachschule, Sowjetische Eishockeynationalmannschaft, Olympische Geschichte der Sowjetunion
Nationalhymne
→ Hauptartikel: Nationalhymne der Sowjetunion
Von 1922 bis 1944 war Die Internationale die Nationalhymne der Sowjetunion. 1943 komponierte Alexander Wassiljewitsch Alexandrow eine eigens für die Sowjetunion bestimmte Hymne mit dem Text von Sergei Wladimirowitsch Michalkow. Diese wurde erstmals am 1. Januar 1944 der Öffentlichkeit präsentiert. Dreieinhalb Monate später, am 15. März 1944, wurde dieses Lied zur offiziellen Nationalhymne der Sowjetunion erklärt.
Die Hymne erfuhr 1977, als Folge der Entstalinisierung, ihre einzige Änderung, bei der unter anderem Stalins Name aus dem Text entfernt wurde. Zwischen 1955 (zwei Jahre nach Stalins Tod) und 1977 wurde die Hymne stets ohne Text interpretiert.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR warf das neue Russland das Sowjeterbe ab und gab sich eine komplett neue Hymne. Da sich diese nie großer Beliebtheit erfreute, wurde im Jahr 2000 die alte Sowjethymne mit neuem Text wieder zur Nationalhymne Russlands.
Siehe auch
Portal:Sowjetunion – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Sowjetunion
Literatur
- Mark R. Beissinger: Nationalist Mobilization and the Collapse of the Soviet State. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-00148-X.
- Thomas M. Bohn (Hrsg.): Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-14098-8.
- Johannes Grotzky: Herausforderung Sowjetunion. Eine Weltmacht sucht ihren Weg. Piper, München 1991.
- Johannes Grotzky: Konflikt im Vielvölkerstaat. Die Nationen der Sowjetunion im Aufbruch. Serie Piper, München 1991.
- Presseagentur Nowosti (APN), Moskau (Hrsg.): UdSSR – Fragen und Antworten, 1. Aufl., Karl-Marx-Werk Pößneck V 15/30, Dietz Verlag, Ost-Berlin 1967.
- Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-56497-8.
- Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991: Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, Verlag C.H. Beck, 1998, ISBN 3-406-43588-2.
- Karl Held (Hrsg.): Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow: Von der Reform des realen Sozialismus zur Zerstörung der Sowjetunion. Gegenstandpunkt Verlag, München 1992, ISBN 3-929211-00-9.
- Leonid Luks: Geschichte Russlands und der Sowjetunion: von Lenin bis Jelzin. Pustet, Regensburg 2000, ISBN 3-7917-1687-5.
- Sowjetische Architektur, Avantgarde II 1924–1937. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1993, ISBN 3-7757-0425-6.
Weblinks
Commons: Sowjetunion – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienCommons: Sowjetunion – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWiktionary: Sowjetunion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Datenbank des deutschsprachigen Schrifttums über Russland/UdSSR
- Domenico Losurdo: Scheitern – Verrat – Lernprozess. Drei Ansätze zur Interpretation der Geschichte der kommunistischen Bewegung
- Vortrag: Geschichte der UdSSR
- Über die Organisation der bewaffneten Einheiten des Innenministeriums 1950
Einzelnachweise
- ↑ Aus dem russischen Wikipedia-Artikel (ru:Советский рубль) entnommen
- ↑ Zitiert n. russ. Außenminister Kosyrew im Januar 1992; vgl. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 91 Fn 325.
- ↑ So etwa Antonowicz, Disintegretation of the USSR, S. 9; Bothe/Schmidt, Questions de succession, S. 824.
- ↑ Die Jahreszahl der Volkszählung ist umstritten, da der russischsprachige Wikipedia-Artikel 1989 festschreibt und der Artikel hier in einem Abschnitt 1988 andeutet.
- ↑ Quelle: Russischsprachige Wikipedia
- ↑ Alexander Solschenizyn, 200 Jahre zusammen, Russki Putj (Moskauer Verlag) 2002, Herbig 2003, ISBN 3-7766-2356-X.
- ↑ Peter Scheibert, Lenin an der Macht, Acta humaniora, Weinheim 1984, ISBN 3-527-17503-2.
- ↑ Alexander Jakowlew, A Century of Violence in Soviet Russia, Yale University Press, New Haven/London, 2002 („Ein Jahrhundert der Gewalt in Sowjetrussland“, Berlin Verlag 2004, ISBN 3-8270-0547-7).
- ↑ Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 782, 794 f.
- ↑ END OF THE SOVIET UNION; The Soviet State, Born of a Dream, Dies. Abgerufen am 3. März 2010.
- ↑ Vgl. auch Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde: Russlandanalysen Nr. 22 vom 2. April 2004.
- ↑ Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht. C.H. Beck, 5. Auflage, München 2004, ISBN 3-406-49636-9, § 5 Rn 19 und § 34 Rn 17.
- ↑ Nach h.M. ist der Inhalt dieses Begriffes synonym mit „völkerrechtlicher Identität“ zu verstehen, womit sich dieser Begriff und die Bezeichnung „Nachfolgestaat“ wechselseitig ausschließen.
- ↑ Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 85 ff. (91 f.)
- ↑ Ingrid Muth, Die DDR-Aussenpolitik 1949–1972: Inhalte, Strukturen, Mechanismen, in: Forschungen zur DDR-Gesellschaft, Ch. Links Verlag, 2001, ISBN 3-86153-224-7, S. 26 f.
- ↑ Interview des Ministerialdirektors im Auswärtigen Amt, Wilhelm G. Grewe, mit dem Chefredakteur im Nordwestdeutschen Rundfunk, Hans Wendt, 11. Dezember 1955 (PDF, 154 kB) im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 233, 13. Dezember 1955, S. 1993 f.
- ↑ Vladislav Zubok: A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev, Chapel Hill, NC, USA 2007, S. 171.
- ↑ a b Rossen Djagalov, Christine Evans: Moskau, 1960: Wie man sich eine sowjetische Freundschaft mit der Dritten Welt vorstellte, in: Andreas Hilger: Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991, S. 83–105.
- ↑ Egbert Jahn: Die Außenpolitik Russlands. In: Manfred Knapp, Gert Krell: Einführung in die Internationale Politik. 4. Aufl., München, Wien 2004, S. 263.
- ↑ Ill’ja V. Gajduk: New York, 1960: Die Sowjetunion und die dekolonialisierte Welt auf der Fünfzehnten Sitzung der UN-Vollversammlung, in: Andreas Hilger: Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991, S. 107–119.
- ↑ Volkszählung 1989 und The World Factbook
- ↑ siehe auch Lenin#Bürgerkrieg 1918 bis 1922
- ↑ Zitiert in Eisenschitz, A Fickle Man, 163.
Kategorien:- Sowjetunion
- Historischer Staat (Europa)
- Historischer Staat (Asien)
- Osteuropa
Wikimedia Foundation.