Laban-Bewegungsstudien

Laban-Bewegungsstudien

Die Laban-Bewegungsstudien schaffen eine theoretische Grundlage, die es ermöglicht, quantitativ und qualitativ Körperbewegung zu differenzieren – in der Ausführung, Beobachtung, Beschreibung und Aufzeichnung. Rudolf Laban gilt als 'geistiger Vater' dieser Bewegungslehre, die durch Irmgard Bartenieff nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA weiterentwickelt und als Laban Movement Analysis bekannt wurde. In den achtziger Jahren sind die Laban-Bewegungsstudien, durch Lehrer, die in den USA studiert haben, nach Deutschland zurückgekehrt und wiederum im Europäischen Verband für Laban/Bartenieff-Bewegungsstudien (EUROLAB) überarbeitet worden.

Die Bewegungsstudien werden in den Bereichen Tanz, Theater und Sport, aber auch in der Tanztherapie, Psychotherapie, Physiotherapie und Nonverbaler Kommunikation eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Sechs Kategorien der Bewegung

In den Laban-Bewegungsstudien werden heutzutage sechs Kategorien unterschieden, die folgende Fragen beantworten:

Körper

Was bewegt sich? Welche Bewegung wird ausgeführt?

Der Blick auf die Bewegung einzelner Körperteile und ihr Verhältnis zueinander schafft die Voraussetzung zum Erkennen von Körperstruktur und -organisation. Die Tätigkeiten des Körpers, die Körperaktionen, sowie die Körperteile die die Bewegung initiieren, anführen oder dominieren werden erfasst. Dies dient einerseits dem Verständnis von körperlichen Präferenzen und ermöglicht andererseits eine annähernde Objektivität körperbezogene Themen in der Beobachtung. Diese Kategorie hat Irmgard Bartenieff von Laban übernommen und wesentlich erweitert (siehe auch Bartenieff Fundamentals).

Raum

Wohin geht die Bewegung?

Mit der Raumharmonielehre erschließt Rudolf Laban das Verhältnis des Menschen zu dem ihn umgebenden Raum. Diesen strukturiert er ähnlich wie in der Architektur ein-, zwei- und dreidimensional und verwendet dazu die platonischen Körper (z.B. das Ikosaeder) als Modelle für den persönlichen Umraum (die Kinesphäre). Die innerhalb dieser Modelle von ihm geschaffenen Bewegungsskalen - vergleichbar mit musikalischen Tonleitern - folgen genau beschriebenen Raumwegen. Sie trainieren und vermitteln ein harmonisches Raumgefühl und fordern dazu heraus, sich auch in bisher unbekannten Bereichen der eigenen Kinesphäre zu bewegen. Dadurch werden Wachheit für die Raumnutzung und ein größeres dreidimensionales Bewegungsrepertoire angestrebt. In seiner Raumharmonielehre stellt Laban harmonische Affinitäten der Bewegungen im Raum zu den Kategorien Antrieb und Form her.

Antrieb

Wie wird die Bewegung ausgeführt? Mit welcher energetischen Qualität?

Laban beschreibt, die Dynamik der Bewegung, die von ihm als Antrieb bezeichnet wird, mit verschiedenen objektiven Begriffen. Der Bezug der Bewegung zu den Faktoren Kraft, Masse, Fluss, Raum (Aufmerksamkeit) und Zeit, sowie deren zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten resultiert in einer Vielfalt möglicher Ausdruckweisen. Die Analyse des Antriebes ist ein wichtiges Werkszeug, um die Qualität des nonverbalen Ausdrucks wahrzunehmen und zu benennen. Je nach innerer Verfassung, persönlicher Bewegungspräferenz oder äußeren Kontext ändert sich der Antrieb der in einer Bewegung zum Ausdruck kommt.

Form

Wie wird die Bewegung ausgeführt? Mit welcher plastischen Formveränderung?

Die plastische Form des menschlichen Körpers ändert sich bei jeder Bewegung in Beziehung zu sich selbst und zu seiner Umwelt. Beobachtet man den Formaspekt der Bewegung, geht es darum, den Prozess der Formveränderung des Körpers im Raum zu beschreiben. Dem liegt der natürliche Atmungsprozess zugrunde. Sowohl über die Körperhaltung als auch über die Formveränderung im Raum wirkt die Formung unseres Körpers als starke nonverbale Komponente auf unserer Kommunikation. Die Formveränderungen unseres Körpers sind über Affinitäten und Disaffinitäten mit den Aspekten der Raumnutzung verbunden. Diese Kategorie wurde nach Labans Tod von Warren Lamb, Irmgard Bartenieff und Peggy Hackney weiterentwickelt.

Phrasierung

Wie ist der zeitliche Ablauf der Bewegung?

Erst die Phrasierung einer Bewegung in Bezug auf die oben genannten vier Bewegungskategorien (Körper, Raum, Antrieb und Form) bringt das Charakteristische im Bewegungsverhalten jedes Menschen zum Vorschein. Damit gemeint ist die Art und Weise, Bewegungen zeitlich zu strukturieren und zu betonen. Die Phrasierungspräferenzen, als individuelles Bewegungsmuster, können nach einiger Zeit der Beobachtung erkannt werden. Diese Kategorie wurde von Irmgard Bartenieff und ihren Mitstreitern, wie auch von Vera Maletic weiterentwickelt und von EUROLAB als eigenständige Kategorie anerkannt.

Beziehung

Wie setzt sich die bewegende Person in Beziehung zu etwas oder jemanden?

Die Beziehung einzelner Körperteile zu einander, von der bewegenden Person zu Gegenständen oder zu anderen Personen wird in dieser Kategorie betrachtet. Der Grad der Beziehung unterscheidet wie der Körper in Bewegungen sein Gegenüber anspricht, annähert, berührt oder unterstützt. Die bewegte Bezugnahme kann gleichberechtigt sein oder ein Teil ist aktiver der Andere passiver. Die Beziehung betrachtet auch die Art und Weise wie der Körperfronten sich zueinander positionieren. Diese Kategorie wurde vor allem von Ann Hutchinson weiter ausdifferenziert und von EUROLAB als eigenständige Kategorie anerkannt.

Mit den insgesamt ca. 60 Parametern innerhalb der 6 Kategorien ist es möglich, die verschieden Aspekte einer Bewegung zu differenzieren. Ziel der Laban Bewegungsstudien ist, die verschiedenen Aspekte einer Bewegung sowohl zu erleben als auch zu beobachten, sie zu verstehen und zu gestalten.

Literatur

  • Bartenieff, Irmgard/ Lewis, Dori: Body Movement – Coping with the Environment, New York: Gordon and Breach 1981. ISBN 0-677-05500-5
  • Hackney, Peggy: Making Connections – Total Body Integration through Bartenieff Fundamentals, New York: Gordon and Breach 1998. ISBN 9-056-99591-X
  • Hodgson, John/ Preston-Dunlop, Valerie: Rudolf Laban: An Introduction to his Work and Influence, Plymouth (UK): Northcote House 1990. ISBN 0-746-30584-2
  • Hodgson, John: Mastering Movement – the life and work of Rudolf Laban, London: Methuen 2001. ISBN 0-413-70530-7
  • Hutchinson Guest, Ann: Your Move: A New Approach to the Study of Movement and Dance, London: Gordon and Breach 1983. ISBN 0-677-06365-2
  • Kipling Brown, Ann / Parker, Monika: Dance Notation for beginners – Labanotation/ Benesh Movement Notation, London: Dance Books 1984. ISBN 0-903-10271-4
  • Rudolf Laban: Effort: Economy in Body Movement, Plymoth (UK): McDonald & Evans 1947. ISBN 0-7121-0534-4
  • Ders.: Der Moderne Ausdruckstanz, Wilhelmshaven: Heinrich Hofen's 1981. ISBN 3-7959-0320-3
  • Ders.: Die Kunst der Bewegung, Wilhelmshaven: Florian Noetzel 1988. ISBN 3-7959-0482-X
  • Ders.: Choreutik – Grundlagen der Raumharmonielehre des Tanzes, Wilhelmshaven: Florian Noetzel 1991. ISBN 3-795-90581-8
  • Maletic, Vera: body, space, expression, Berlin: mouton de gruyter 1987. ISBN 3-110-10780-5
  • Moore, Carol-Lynne/ Yamamoto, Kaoru: Beyond Words – Movement Obser-vation and Analysis, New York: Gordon and Breach 1988. ISBN 2-88124-251-0
  • Preston-Dunlop, Valerie: A Handbook for Modern Educational Dance, Boston: Plays Publishers 1980. ISBN 0-8238-0247-7
  • Dörr, Evelyn: Rudolf Laban: Ein Portrait, Norderstedt: Books on Demand 2004. ISBN 3-833-42560-1
  • Friedmann, Elly D.: Laban, Alexander, Feldenkrais – Pioniere bewusster Wahrnehmung durch Bewegungserfahrung – Drei Essays, Paderborn: Junfernmann 1993. ISBN 3-873-87299-4
  • Perrottet, Claude: Ausdruck in Bewegung und Tanz, Bern, Stuttgart: PauÌ Haupt 1983. ISBN 3-258-03206-8
  • Das Tanzarchiv (Hg.): Laban, Tanzarchivreihe Bd. 19/20, Köln: o.V. 1979.
  • Schlee, Alfred (Hg.): Schrifttanz (1928-1931), Hildesheim: Georg Olms 1991. ISBN 3-487-09537-8

Weblinks


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