Landesvater (Studentenverbindung)

Landesvater (Studentenverbindung)
Landesvater von Georg Mühlberg (1863–1925)
Landesvater in Göttingen 1765
Landesvater in Göttingen 1774
Landesvater der deutschen Studenten in Prag (um 1905) von Oscar Rex

Der feierliche Landesvater ist ein seit dem 18. Jahrhundert unter Studenten üblicher Brauch, bei dem die Mützen auf die Klinge einer Fechtwaffe (Korbschläger, Glockenschläger) gespießt werden.

Bei den frühen, landsmannschaftlich orientierten Studentenverbindungen war es üblich, zu Ehren ihres Herkunftslandes einen „Landesvater zu stechen“. Da es generell üblich war, die eigene landsmannschaftliche Verbindung mit der Heimatregion (Preußen, Mark Brandenburg, Westphalen etc.) gleichzusetzen, wurde der „Landesvater“ zur feierlichen Bekräftigung der Verbundenheit mit seinen Bundes- bzw. Corpsbrüdern.

Der „Landesvater“ wird heute in vielen Verbindungen als eine Erneuerung oder Auffrischung des Burscheneids gesehen. Da der „Landesvater“ immer paarweise gestochen wird, wird damit auch eine persönliche Freundschaft der beiden Beteiligten zum Ausdruck gebracht.

Zur Durchführung des „Landesvaters“ wird das Lied „Alles schweige, jeder neige / ernsten Tönen nun sein Ohr“ gesungen, das von August Niemann unter Verwendung älterer Vorbilder im Jahre 1782 gedichtet wurde. Dieses Lied enthält den Anfangsvers „Landesvater, Schutz und Rater“, der schon seit 1650 belegt ist und dem Brauch seinen Namen gab.

Die heute gesungene Form stammt von Friedrich Silcher aus dem Jahre 1823 und beinhaltet verschiedene Liedteile mit insgesamt drei verschiedenen Melodien für die einzelnen Phasen des „Landesvaters“, wie „Durchbohren der Mützen“, „Pause“ und „Wiederaufnehmen der Mützen“ sowie „Schluss“.

Die durchstochenen Stellen der Mützen werden oft in Eichenblatt- oder Weinlaubform umstickt und mit dem Datum des feierlichen Ereignisses versehen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Schon im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts pflegten Studenten zum Zeichen der Liebe zu einem Mädchen ihre Hüte zu durchstechen. In den folgenden Jahren erfuhr dieser Brauch einen Bedeutungswandel, das Durchstechen des Hutes diente nun als symbolische Handlung, die den Abschluss einer Freundschaft zwischen zwei Studenten und den Übergang zum brüderlichen „Du“ begleitete. In einem nächsten Schritt wurde nun die Freundschaft auf eine ganze Gemeinschaft übertragen. Die unter dem Einfluss der Freimaurer ab 1770 entstehenden studentischen Orden schufen die nötigen Voraussetzungen. Das Wort „Weihedegen“ scheint nach Conrad von diesem Ursprung zu zeugen, denn der Degen oder das Schwert spielte und spielt im Aufnahmeritual der Freimaurer eine große Rolle. In einem dritten Schritt wurde während der nun zur Zeremonie gewordenen Handlung ein Hoch auf den Landesherrn ausgebracht. Dies konnte der jeweilige Fürst, aber auch der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sein.

In einem Text des Jahres 1782 heißt es dann auch: „Josephs Söhne! (gemeint ist Kaiser Joseph II.) Laut ertöne unser Vaterlandsgesang!“ Und später: „Joseph lebe, Joseph lebe, leb´ Theresiens grosser Sohn!“ (gemeint ist die Kaiserin Maria Theresia). Mit dem Hoch auf den Kaiser, den Landesvater, wurde also auch ein Hoch auf das Vaterland verbunden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war der Landesvater institutionalisiert.

Siehe auch

Literatur

  • Georg Conrad: „Der Landesvater“. In: Studentenhistorische Beiträge (1993). S. 37–39.
  • Erich Bauer: „Der ursprüngliche Text des Landesvaters von stud. August Niemann 1782“. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 22 (1977). S. 235–238.
  • Joachim Bauer: „Student und Nation im Spiegel des »Landesvater«-Liedes“. In: Dieter Langewiesche, Georg Schmidt (Hrsg.): Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg. München 2000. S. 136–155.
  • Wilhelm Rehmann: „Der feierliche Landesvater als Höhepunkt des Kommerses“. In: Der Convent. Akademische Monatsschrift 6 (1955). S. 222–227.

Weblinks

 Commons: Landesvater (Studentenverbindung) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Landesvater – Quellen und Volltexte

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Landesvater — ist eine Bezeichnung für einen Landesfürsten, der heute zuweilen auch auf deutsche Ministerpräsidenten Anwendung findet, sowie ein studentischer Brauch, siehe Landesvater (Studentenverbindung). Diese Seite ist eine Begriffskläru …   Deutsch Wikipedia

  • Studentenverbindung — Landesvater der deutschen Studenten in Prag, Gemälde um 1900 Eine Studentenverbindung oder auch Studentenkorporation ist ein Verband von Studenten und ehemaligen Studenten einer Universität, Hochschule oder ähnlichen Institution, der Brauchtum …   Deutsch Wikipedia

  • Bierdorf (Studentenverbindung) — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Kneipe (Studentenverbindung) — Als Kneipe bezeichnen Studentenverbindungen einerseits eine traditionelle Art studentischer Feier, die meisten Verbindungen andererseits auch den Kneipsaal selbst, d. h. einen dafür vorgesehenen Raum in einem Korporationshaus. Auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Hospiz (Studentenverbindung) — Hospitium in Jena, Stammbuchmalerei um 1750: Der Gastgeber (links im Hausmantel mit Hausschlüssel) lässt seine Gäste trinken, „biß ihr unter dem tisch liegt“ …   Deutsch Wikipedia

  • Kommerslied — Ein Studentenlied ist ein Lied, das traditionell hauptsächlich oder ausschließlich von Studenten bei studentischen Freizeitveranstaltungen – manchmal mit Instrumentalbegleitung – gemeinschaftlich gesungen wurde und wird. Obwohl Textspuren von… …   Deutsch Wikipedia

  • Mitternachtsschrei — Ein Studentenlied ist ein Lied, das traditionell hauptsächlich oder ausschließlich von Studenten bei studentischen Freizeitveranstaltungen – manchmal mit Instrumentalbegleitung – gemeinschaftlich gesungen wurde und wird. Obwohl Textspuren von… …   Deutsch Wikipedia

  • Studentenlieder — Ein Studentenlied ist ein Lied, das traditionell hauptsächlich oder ausschließlich von Studenten bei studentischen Freizeitveranstaltungen – manchmal mit Instrumentalbegleitung – gemeinschaftlich gesungen wurde und wird. Obwohl Textspuren von… …   Deutsch Wikipedia

  • Kneiptafel — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Kreuzkneipe — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”