- Langweile
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Langeweile (früher lange Weile) ist in der Grundbedeutung das Gefühl, dass die Zeit ungewöhnlich langsam vergeht, hervorgerufen durch völlige Untätigkeit und fehlende Ablenkung. Diese subjektive Wahrnehmung führt häufig zu Empfindungen der Unlust. Der Zustand der Langeweile ist negativ bezeichnet, im Unterschied zur Muße. In der Philosophie des Existentialismus ist Langeweile ein Grundzustand der menschlichen Existenz.
Langeweile entsteht oft durch Monotonie im Alltag, also durch sich wiederholende Ereignisse, die aus subjektiver Sicht nichts Interessantes oder Aufmunterndes mit sich bringen. Oft wird Langeweile auch mit Innerer Leere und Monotonie gleichgesetzt. Langeweile zeigt sich hauptsächlich durch die oben beschriebene Symptomatik, kann jedoch mit individuellen Gefühlen wie Verdruss und Sinnlosigkeit des eigenen Seins einhergehen. Im Allgemeinen zeigt sich dieses auch dadurch, dass Langeweile oft als das Gegenteil von Spaß, Freude und Abwechslung angesehen wird. Es liegt eine Bewertung zugrunde, was „sinnvolle Zeit“ und was „Zeitverlust“ ist.
Das Gegenteil der Langeweile bezeichnet man als die Kurzweil. Bei der Langeweile wird die Zeit als ausgedehnt empfunden, d. h. dem Betroffenen kommt es vor, als würde die Zeit langsamer als normal vergehen. Bei der Kurzweil hingegen empfindet ein Betroffener die Zeit als sehr schnell vergehend. Sofern hat der Zustand des Langweilens auch Gemeinsamkeiten mit der Ungeduld, bei der die Zeit, die für eine Tätigkeit benötigt wurde, zuvor zu kurz eingeschätzt wurde. Alle drei haben somit gemeinsam, dass sie mit einer Veränderung des Zeitempfindens einhergehen.
Inhaltsverzeichnis
Langeweile bei Kindern und Jugendlichen
Langeweile ist für Kinder und Jugendliche oft ein unerträgliches Gefühl. Dieses zeigt sich vor allem in der Reaktion von Kindern, die bei dem Auftreten von Langeweile meistens die Eltern oder andere Bezugspersonen ansprechen und sie um Anreize bitten, um ihre Langeweile zu beenden. Hier ist es dann wichtig, verschiedene Stadien des Gelangweiltseins zu unterscheiden.
Bei einer einfachen Langeweile, die zum Beispiel aus Beschäftigungmangel oder Monotonie entsteht, sind die Kinder oft mit einer spannenden oder beschäftigenden Tätigkeit zufrieden und lösen somit die Langeweile auf. Bei intensiverer Langeweile, man spricht hier auch von tiefer Langeweile, zeigt sich aber im Insbesonderen die Lustlosigkeit, etwas zu tun. So kommt es häufig vor, dass jegliche Beschäftigungsvorschläge abgelehnt werden. Dieser Zustand kann von außen nicht unmittelbar aufgelöst werden. Selbst wenn sich der Betroffene dann mit etwas zu beschäftigen versucht, ist ihm das nur oberflächlich möglich. Als Grund hierfür wird häufig angeführt, dass Betroffene – nicht nur Kinder – sich nicht richtig im Klaren darüber seien, was sie im Moment der Langeweile eigentlich wollten, was zu einem unangenehmen und mitunter bedrückenden Gefühl von Lustlosigkeit führen kann.
Weiter kann Langeweile als Ausdruck des Gefühls entstehen, nicht genügend beachtet zu werden. Dieses trifft zum Beispiel in Situationen zu, in denen sich Kinder und Jugendliche mit Dingen beschäftigen, die eher als Zeitvertreib dienen als in diesem ein wirkliches Interesse zu erwecken oder wenn die Aufgabe durch Aufsichtspersonen aufgetragen wurde, obwohl mehr Interesse an anderen Beschäftigungen besteht.
Als pädagogisches Mittel gegen Langeweile wird häufig empfohlen, nichts zu tun, um den Kindern Selbstständigkeit, Phantasie, Kreativität und den Umgang mit aufkommender Langeweile zu lehren.
Ausdruck und Umgang mit Langeweile
Die Langeweile ist wohl keine Erscheinung der Moderne. So geht man davon aus, dass auch schon die antiken Griechen versuchten, Langeweile zu vermeiden, indem sie Wettkämpfe veranstalteten oder Schauspiele besuchten. So wird Langeweile auch häufig als Folge von einer Art der Unterdrückung des eigenen Willens betrachtet. Dieser Ansicht liegt die Annahme zu Grunde, dass der Mensch Aktivitäten verfolgen wolle, er sich also mit anderen messen wolle oder einfach „etwas bewegen“ wolle.
Hier entsteht dann auch ein tiefer Bezug zum Existentialismus, da die Seiens- und Wesensmerkmale des Menschen in Frage gestellt würden, wenn er diesen nicht nachgehen kann. Dieses zeigt sich auch oft unmittelbar in den Gedankengängen eines Betroffenen. Häufig stellen sich Betroffene die Frage danach, welchen Sinn ihr Leben habe und was sie nützliches mit der Zeit anfangen könnten, die sie zur Verfügung haben. Die Langeweile gibt somit häufig Anlass zur inneren Reflexion des eigenen Lebens.
Eine Langeweile kann sowohl positiv als auch negativ erlebt werden. Ein positives Erleben stellt sich meistens dann ein, wenn der Betroffene die Langeweile ausnutzen kann, etwa um sich zu erholen, oder aus ihr Motivation für eine seiner Meinung nach ohnehin nötige Reflexion schöpft. Einen negativen Charakter bekommt die Langeweile meistens dann, wenn der Betroffene sie zu nichts zuordnen kann und in ihr keinen Sinn sieht, dieses kann mitunter auch zu Selbstzweifeln während eines Reflexionsprozesses führen.
In beiden Fällen löst sich die Langeweile meistens mit dem Abschluss des Gedankenprozesses auf, was diese eigentlich als nächstes tun möchten. Seltener wird die Langeweile von vornehinein als willkommene Abwechslung etwa zur Entspannung oder als Quelle von Lebensenergie und Elan genutzt. Diese Umkehrung des ersten Eindrucks kann jedoch nur geschehen, wenn sich der Betroffene dessen bewusst ist, dass die Langeweile ihn eigentlich dazu anhält, etwas zu tun und er ihr so einen Sinn zuschreiben kann.
Dieser Umgang zeigt sich häufig in der literarischen und philosophischen Auseinandersetzung mit der Langeweile. Diese Erkenntnis erschließt sich meistens dann, wenn ein Betroffener in einer Langeweile den Entschluss fasst, das, was er während der Langeweile durchdacht hat, zu verbessern bzw. umzusetzen und die Langeweile löst sich dann mit der Idee, was man ändern oder tun müsse, um seine Situation zu verbessern und dem Entschluss dazu, dieses umzusetzen, auf.
Langeweile (Ennui) in Literatur und Philosophie
In der neueren Philosophiegeschichte ist das Gefühl der Langeweile (Ennui [ɑ̃ˈny˘iː]) ebenso zum Thema geworden wie die Empfindungen des Ekels, der Angst oder der Verzweiflung.
So analysierte unter anderem der Philosoph Martin Heidegger die Langeweile und teilte diese in verschiedene Phasen ein. Dabei spezifiziert er (Sinngemäß nach dem Buch Ein Meister aus Deutschland von Rüdiger Safranski) die drei Phasen wie folgt:
- Von Etwas gelangweilt werden: Die Langeweile hat einen identifizierbaren Grund, dem die Langeweile zugeschrieben werden kann.
- Sich bei etwas langweilen: Die Langeweile kommt sowohl von innen als auch von außen und kann nicht mehr eindeutig einem Grund zugeordnet werden.
- Die gänzlich anonyme Langeweile: Sie besitzt keinen erkennbaren Grund und ist bezugslos.
Der Literat, Naturwissenschaftler und Philosoph Blaise Pascal schrieb zur Langeweile, der er keinen Nutzen entnehmen konnte, folgendes:
„Nichts ist so unerträglich für den Menschen, als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden, ohne Leidenschaft, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Beschäftigung. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Preisgegebenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen, die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verzicht, die Verzweiflung.“
Im dichterischen Werk Charles Baudelaires hat der französische Begriff für Langeweile, Ennui, einen zentralen Stellenwert. Er bezeichnet eine Gefühlslage des Großstadtmenschen, in der sich Ekel und Abscheu mit der Entfremdung gegenüber dem Dasein verbinden. Dem bei Baudelaire ebenfalls zentralen und eng verwandten Begriff des Spleens gleich hat Ennui den christlich-platonischen Charakter einer Sünde, nämlich der der Verdrossenheit und der Faszination am Bösen. Les Fleurs du Mal, Au Lecteur:
„In der schändlichen Menagerie unserer Laster / Ist eines noch hässlicher, noch bösartiger, noch schmutziger! […] / Die Langeweile ist’s!“
Émile Michel Cioran äußerte sich in einem in der Weihnachtsausgabe 1994 der ‚Frankfurter Rundschau‘ abgedruckten Interview folgendermaßen zum Thema:
„Die Erfahrung der Langeweile, nicht die vulgäre aus Mangel an Gesellschaft, sondern die absolute, war für mich persönlich wichtig. Wenn jemand sich von seinen Freunden verlassen fühlt, so ist das nichts. Die Langeweile an und für sich geschieht grundlos ohne äußere Einwirkungen. Damit verbindet sich das Gefühl leerer Zeit, so etwas wie Leerheit, die ich immer gekannt habe. Ich kann mich gut an das erste Mal mit fünf Jahren erinnern. Ich war damals nicht in Hermannstadt, sondern in Altrumänien mit meiner ganzen Familie. Da wurde mir auf einmal bewusst, was Langeweile ist. Es war gegen drei Uhr nachmittags, als mich so ein Gefühl des Nichts, der Substanzlosigkeit beschlich. Es war, als wenn alles plötzlich irgendwie verschwunden sei, das Vorbild von all diesen Anfällen der Langeweile, der Einstieg in die Nichtigkeit und der Anfang meiner philosophischen Reflexion. Dieser intensive Zustand des Alleinseins machte mich so betroffen, dass ich mich frage, was er zu bedeuten habe. Sich nicht dagegen wehren und sich nicht davon durch Reflexion befreien zu können, und die Ahnung, dass es wiederkehrt, wenn man es einmal erlebt hat, das verunsicherte mich so sehr, dass ich es als Orientierungspunkt akzeptierte. Auf dem Gipfel der Langeweile erfährt man den Sinn des Nichts, insofern ist dieses auch kein deprimierender Zustand, da es für einen Nicht-Gläubigen die Möglichkeit darstellt, das Absolute zu erfahren, so etwa wie den letzten Augenblick.“
Peter Bichsel äußerte sich einmal positiv über die Langeweile. In seiner Kindheit habe er sich immer gelangweilt. Da er nicht gut im Fußball gewesen sei, habe er sich Werke der Weltliteratur aus der Stadtbücherei ausgeliehen und mit dem Lesen begonnen und dadurch gleichzeitig unbewusst die Grundlage für sein späteres Wirken als Schriftsteller gelegt. Hier wird deutlich, dass Langeweile durchaus etwas Konstruktives und Positives sein kann, indem sie uns zum Nachdenken bringt und uns dazu auffordert, Entscheidungen zu treffen für eine sinnvolle Gestaltung unserer Lebenszeit.
Andere meinen, inmitten der totalen Spaßgesellschaft entpuppt sich die Langeweile manchmal als die intelligente Antwort auf ein überbordendes Angebot aus Dekadenz und Völlerei. Für Kinder und Jugendliche stellt sich die Langeweile oft als ein nicht lange zu ertragendes Gefühl dar. Sie versuchen sie dann mit allerlei spontan entstandenen Tätigkeiten und Spielen positiv zu beenden oder zu überbrücken.
Weitere Denker, die sich mit der Langeweile auseinandergesetzt haben, sind Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Hans Blumenberg, Siegfried Kracauer und der italienische Dichter Giacomo Leopardi. Schopenhauer etwa verstand unter der Langeweile eine Gefühlslage, die nur durchschnittliche Menschen ereilen würde, weil es dem großen Geist nach ihm nie langweilen würde. Dieser erfreue sich vielmehr seines inneren Reichtums gerade dann, wenn er alleine sei.
Literatur
- Alfred Bellebaum: Langeweile, Überdruß und Lebenssinn. Eine geistesgeschichtliche und kultursoziologische Untersuchung. Westdeutscher Verlag, 1990, 247 S., kart., ISBN 3-531-12206-1
- Martina Kessel: Langeweile. Zum Umgang mit Zeit und Gefühlen in Deutschland vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, Wallstein Verlag, Göttingen 2001
- Gabriele Planz: Langeweile. Ein Zeitgefühl in der deutschsprachigen Literatur der Jahrhundertwende, Tectum Verlag, 1996, ISBN 3-896-08115-2
- Georg Scherer: Grundphänomene menschlichen Daseins im Spiegel der Philosophie, Parerga, Düsseldorf, 122 S., ISBN 3-930-45000-3
- Svendsen, Lars Fr.H.: Kleine Philosophie der Langeweile. Insel-Verlag, Frankfurt 2002, 189 S., geb., ISBN 3-458-17109-6 (aus dem Norwegischen von Lothar Schneider)
- Franziska Heller, Elke Rentemeister, Bianca Westermann, Thomas Waitz (Hrsg.): „Paradoxien der Langeweile“ (= Augenblick. Beiträge zu Film, Fernsehen, Medien. Nr. 41). Schüren Verlag, Marburg 2008, ISBN 978-3-894-72641-6
Weblinks
- Paradoxien der Langeweile – Konzept, Programm und Abstracts einer kultur- und medienwissenschaftlichen Tagung im Januar 2007 an der Ruhr-Universität Bochum
- Spiegel-Artikel: Warum ist uns manchmal langweilig?
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