- Antischwule Gewalt
-
Als antischwule Gewalt werden Gewalttaten bezeichnet, die sich aus verschiedenen Gründen gezielt gegen Schwule richtet.
Außer körperlicher Gewalt, insbesondere Körperverletzungen, zählen dazu auch Beleidigungen, Bedrohungen, Erpressungen und Raub mit antischwulem Hintergrund. Aktuelle Studien für deutsche Städte zeigen, dass die Täter oft, aber nicht nur, Gruppen männlicher Jugendlicher sind und Täter mit Migrationshintergrund im Vergleich zu ihrem Anteil an der jeweiligen Bevölkerung leicht überrepräsentiert sind.[1][2] In einigen spektakulären Fällen waren auch rechtsextreme Skinheads Täter, aber diese Gruppe spielt in der absoluten Zahl der Fälle eine untergeordnete Rolle.[3] Insgesamt werden Schwule häufiger Opfer von Gewalttaten als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Inhaltsverzeichnis
Schwule Überfalltelefone
In Deutschland gibt es für die Opfer solcher Gewalttaten sogenannte „Schwule Überfalltelefone“. Dort erhalten sie Hilfestellung, Unterstützung und Informationen, um mit dem Erlebten fertig zu werden. Auf Wunsch werden die Opfer auch zur Polizei, zur Staatsanwaltschaft oder zum Gericht begleitet.
Die Opfer
Einige Schwule zeigen die Täter nach Gewalttaten nicht an. 1994 gestand zum Beispiel ein 19-jähriger, 400 Straftaten gegen Schwule begangen zu haben, von denen eine Vielzahl nicht angezeigt worden war. Viele Opfer meiden Beratungsstellen für Schwule aus Angst, sie könnten von Schwulenhassern erkannt und erneut gewalttätig angegangen werden. Wenn angezeigt wird, dann wird oft die sexuelle Identität verschwiegen, auch wenn die Opfer sicher sind, dass dies der Grund für den Übergriff war. Dies kann in weiterer Folge zu Ungereimtheiten bei der Aussage führen, etwa dem Verschweigen wichtiger Details, was wieder negative Folgen für die Glaubwürdigkeit des Opfers hat. Bei einer Untersuchung in Manchester und London gaben die Opfer folgende Gründe an, warum sie keine Anzeige erstattet haben:[4]
- der Vorfall wurde als nicht schwerwiegend genug, das heißt polizeirelevant, eingeschätzt;
- Befürchtung, dass die Polizei den Vorfall nicht ernst nimmt;
- mögliche negative Reaktionen von der Polizei;
- man wollte seine sexuelle Orientierung bei der Polizei nicht offen kundtun aus Angst vor möglichen Konsequenzen für das eigene Privatleben;
- Befürchtung, dass ein polizeiliches „Dossier“ über das Opfer angelegt wird;
- Angst vor Rache oder Isolation;
- die Befürchtung, dass einem bzw. einer nicht geglaubt wird;
- die Annahme, dass die Polizei nichts unternehmen würde.
Um Opfer antischwuler Gewalt zu werden, muss man nicht schwul sein. Es reicht, nach Aussehen oder Ort des Aufenthalts für homosexuell gehalten zu werden, oder mit Lesben bzw. Schwulen unterwegs zu sein. [5][6]
Literatur
- [Berliner] Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (Hrsg.): Reihe: Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation des Fachbereichs für gleichgeschlechtliche Lebensweisen:
- Nr. 3: Gewalt gegen Schwule - Die Opfer schweigen. Perspektiven für vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Schwulen und Polizei, Berlin 1991
- Nr. 6: Gewalt gegen Schwule - Gewalt gegen Lesben. Ursachenforschung und Handlungsperspektiven im internationalen Vergleich, Berlin 1992
- Nr. 15: Opfer, Täter, Angebote - Gewalt gegen Schwule und Lesben, Berlin 1996
- Edinger, Manfred: Schwule Klatschen. Antihomosexuelle Gewalt aus der Sicht von Tätern, Opfern und Institutionen, Regenbogen Bayern e.V., München 1992
- Jens Uhle: Jugendgewalt gegen Schwule. Eine Studie zu psychosozialen Faktoren bei Tätern. Bericht., Festland e.V. - Verein psychosozialer Projekte, Berlin 1994
- Niedersächsisches Sozialministerium (Hrsg.): Antischwule Gewalt in Niedersachsen: Ausmaß, Delikte, Täter, Opfer, Maßnahmen, Hannover 1994
- Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NRW (Hrsg.): Studie über Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen: Gewalt gegen lesbische Frauen, Bielefeld 1999
- Marlene Stein-Hilbers et al.: Gewalt gegen lesbische Frauen: Studie über Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen (27 MB), Universität Bielefeld, Interdiszipliäres Frauenforschungs-Zentrum, 1999
- LSVD-Sozialwerk e.V. (Hrsg.): Hass-Verbrechen. Neue Forschung und Positionen zu antihomosexueller Gewalt, Köln 2000
- Constance Ohms: Gewalt gegen Lesben, Querverlag, Berlin 2000, ISBN 3-89656-049-2
- Constance Ohms, Klaus Stehling: Gewalt gegen Lesben - Gewalt gegen Schwule: Thesen zu Differenzen und Gemeinsamkeiten, erschienen in: Lesben Informations- und Beratungsstelle e.V. (Hrsg.): Gewalt gegen Lesben /Violence against Lesbians: 1. Europäisches Symposium /1. European Symposium, Querverlag, 2001, ISBN 3-89656-063-8
- Jack McDevitt, Jennifer Williamson: Hate Crimes: Gewalt gegen Schwule, Lesben, bisexuelle und Transgender Opfer, in: Wilhelm Heitmeyer, John Hagan (Hrsg.): Internationales Handbuch der Gewaltforschung, VS Verlag, 2002, ISBN 3-531-13500-7, S. 1000 ff.
- Landeshauptstadt Düsseldorf (Hrsg.): Gewalt gegen Lesben und Schwule. Präventionsmaßnahmen, 2002
- Deutsches Forum für Kriminalprävention (Hrsg.): Arbeitsgruppe: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige - insbesondere: junge Menschen - Materialsammlung: Tagungsband Symposium, 2003 mit:
- Jens Dobler: Hassverbrechen gegen Schwule – Fakten, Motive und Präventionsansätze, S. 31 ff.;
auch in: Frauke Koher, Katharina Pühl, Konstanze Plett (Hrsg.): Gewalt und Geschlecht: Konstruktionen, Positionen, Praxen, VS Verlag, 2003, ISBN 3-8100-3626-9, S. 67 ff. - Constance Ohms: Gewalt gegen Lesben und Schwule – Geschlechtsspezifische Aspekte von Hasskriminalität, S. 101 ff.; auch erschienen in: Forum Kriminalprävention 4/2003 unter dem Titel: Hasskriminalität gegen Lesben und Schwule; ungekürzte Fassung
- Vicky Kielinger, Susan Paterson: Understanding and Responding to Hate Crime: The London Experience
- Karen A. McLaughlin: Prevention of Hate Crime in the USA
- Jens Dobler: Hassverbrechen gegen Schwule – Fakten, Motive und Präventionsansätze, S. 31 ff.;
- Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW (Hrsg.): Dokumentation von Gewaltfällen gegen Lesben und Schwule in NRW im Jahr 2004, 2005, 2006
- Landeshauptstadt München - Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (Hrsg.): Unter´m Regenbogen – Lesben und Schwule in München, Juni 2004
- National Coalition of Anti-Violence Programs (Hrsg.): Anti-Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Violance in 2005, New York 2006
- MANEO (Hrsg.): Gewalterfahrungen von schwulen und bisexuellen Jugendlichen und Männern in Deutschland - Ergebnisse der MANEO-Umfrage 2006/2007, Berlin, Juni 2007
- Moritz Fedgenheuer, Bodo Lippl: Materialband zu den Ergebnissen der Maneo-Studie 2006/2007, Berlin, August 2007
Siehe auch
Weblinks
- Artikel über antischwule Gewalt auf der Website des AStA-Schwulenreferats der Freien Universität Berlin
- Schwulen-Überfalltelefon und Schwulenhilfe auf der Internetseite des Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
- Lesben und Schwule in NRW – Für Vielfalt – gegen Gewalt
Einzelnachweise
- ↑ MANEO: Ergebnis einer Umfrage des Berliner Anti-Gewalt-Projekts MANEO, 2007
- ↑ Schwules Überfalltelefon Köln: Anti-Gewalt-Bericht 2010, 2007
- ↑ Jens Dobler, "Antischwule Gewalt" in Berliner Forum Gewaltprävention Nr. 16
- ↑ Greater Manchester Lesbian and Gay Policing Initiative 1999 und Metropolitan Police London 2001
- ↑ Vicky Kielinger, Susan Paterson: Understanding and Responding to Hate Crime: The London Experience, in: Deutsches Forum für Kriminalprävention (Hrsg.): Arbeitsgruppe: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige - insbesondere: junge Menschen - Materialsammlung: Tagungsband Symposium, 2003
- ↑ Matthias Oloew: Gewalt gegen Homosexuelle - Hass gegen die Liebe, Tagesspiegel, 7. November 2008
Wikimedia Foundation.