Lysis (Platon)

Lysis (Platon)

Der platonische Dialog Lysis über die Freundschaft ist einer der reizvollsten und schwierigsten Dialoge Platons. Denn trotz der kunstvollen Gestaltung der Szenerie (Palaistra) und der dramatischen Situation sowie der vordergründig einfachen Gesprächsführung mit Jugendlichen - vermeintlich sicheres Kennzeichen eines Frühdialogs - ist er nur scheinbar ein Frühwerk. Das hat wesentliche Konsequenzen für die Interpretation des philosophischen Gehalts.

Inhaltsverzeichnis

Thema

Hauptthema des Lysis ist die Freundschaft (Philia). Doch unterschwellig läuft vom Anfang her die Frage mit, wie der vom Eros Erfasste den Geliebten freundlich stimmen kann.

Interpretation

Als Kerngedanke des Dialoges ist zu erschließen: Gemeinsames Streben nach dem Ersten Lieben (proton philon) lässt wahre Freundschaft entstehen. Unabweisbar wird in der Folge die Frage, wie das Erste Liebe (proton philon) begrifflich einzuordnen ist. Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend für das Verständnis des Lysis. Die Frage ist mit werkimmanenter Interpretation des vermeintlichen Frühdialoges nicht sicher zu beantworten. Denn Sokrates verhüllt mit einfachen Worten und Argumentationen - abgestimmt vor allem auf die sehr jungen Gesprächspartner Lysis und Menexenos - schwierige logische Probleme und weitreichende inhaltliche Fragen. Schon in der Antike wurde der Lysis kaum zitiert, da seine positiven Thesen durch sofortige Widerlegung ihren Wert zu verlieren scheinen. Noch in jüngster Zeit wird der Lysis in wissenschaftlicher Auseinandersetzung sehr unterschiedlich interpretiert. Erst durch den Einbezug der Politeia, der Ideenlehre sowie der ungeschriebenen Prinzipienlehre Platons, auf die der Lysis anspielt, gelangt man auf sicheren Boden.

Bordt (1998) versteht das Erste Liebe als das Gute eines gelungenen Lebens, das sinnvoll, stimmig und konsistent ist. Krämer (1998) deutet das Erste Liebe als das platonische Prinzip des Guten und Schönen und letztlich als das Prinzip des Einen, das alle Einheit bewirkt. Lualdi (1998) sieht darin einen Reflex des platonischen Werte-Prinzips. Peters (2001) gelangt durch phänomenologische Untersuchung der Dialogstrukturen und durch Grundlagenkritik an der bisherigen Datierungsmethode zu dem Ergebnis, dass der Lysis nach dem Zentralwerk der Politeia anzusetzen ist. Der Lysis umreißt erkennbar deutlich das Problem der selbstlosen Freundschaft zwischen teils guten, teils schlechten Menschen, die sich durch das gemeinsame Streben nach dem Ersten Lieben verbunden wissen. Das Erste Liebe kann nun als die Idee des Guten (für Platon gleichsam die geistige Sonne) bzw. als das Prinzip des Einen mit größerer Sicherheit bestimmt werden.

Wie doch stets den Gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen, und ihn bekannt macht. (...) Auch wohl Schriften sehr weiser Männer sind dir vorgekommen, welche eben dasselbe sagen, dass das Ähnliche dem Ähnlichen notwendig immer freund sei. Und dies sind die, welche von der Natur und dem All reden und schreiben.
... dass nämlich nur der Gute und nur dem Guten freund ist, der Böse aber niemals weder mit dem Guten noch mit dem Bösen zu einer wahren Freundschaft gelangt.

So isoliert, besitzt der Doppelaspekt der ersten großen Dialogthese etwas faszinierend Einleuchtendes. Doch diese These der Freundschaft zwischen Gleichen und Guten wird von Sokrates sogleich widerlegt wie auch alle anderen Thesen des Dialogs (s. o). Der relative Stellenwert dieser These im Dialogganzen ist erst aus der gründlichen Kenntnis der künstlerisch-dialektisch gestalteten Gedankenbewegung zu bestimmen.

Deutscher Text

  • Platon, Lysis, in: Sämtliche Werke, Bd. 2, Hamburg 1994. -

Literatur

  • Michael Bordt: Platon, Lysis. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 1998.
  • Hans Krämer/Maria Lualdi: Platone.Liside, Milano 1998. (Griechischer Text mit italienischer Übersetzung, Einleitung und Kommentar).
  • Horst Peters: Platons Dialog Lysis. Ein unlösbares Rätsel? Frankfurt a. Main 2001.

Weblinks


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