Länderrisikoanalyse

Länderrisikoanalyse

Länderrisikoanalyse ist die Analyse das Länderrisikos eines bestimmten Staates, die mit einem Länderrating endet. Diese Analyse wird von internationalen Ratingagenturen, internationalen Kreditinstituten, Exportkreditversicherern und speziellen Organisationen vorgenommen.

Inhaltsverzeichnis

Ziel

Die Analyse des Länderrisikos zielt darauf ab, die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Auslandsinvestititon, eines Kredits an ausländische Kreditnehmer oder einer Exportfinanzierung zu transparent zu machen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist begründet im Rückzahlungsrisiko, das mit der Zahlungsfähigkeit und auch dem Zahlungswillen eines konkreten Staates zusammenhängt. Die Analyse ist damit technisch wie eine Analyse der Bonität eines Kreditnehmers organisiert, hat aber darüber hinaus noch weitere Kriterien zu berücksichtigen, die typisch sind für die Beurteilung von Bonitätsrisiken auf Staatsebene. Diese münden letztlich in einem Länder-Rating, das das Ziel der Klassifizierung von Ländern in eine Rangfolge ihrer relativen Kreditwürdigkeit mit der Möglichkeit der ordinalen Vergleichbarkeit verfolgt[1].

Länderrisiko

Vor der Analyse des Länderrisikos sind risikorelevante, staatspezifische Kriterien herauszuarbeiten, die für die Beurteilung eines Länderrisikos typisch und von Bedeutung sind. Global bezeichnet das Länderrisiko die speziellen Verlustrisiken im Außenwirtschaftsverkehr, die die Durchsetzung von Forderungen gegenüber ausländischen Vertragspartnern bzw. den Kapitaleinsatz und erwartete Gewinne bedrohen.

Allgemeines

Wie bei jedem Ausfall- und Kreditrisiko, fallen die einzelnen Kriterien, die ein Gläubiger subjektiv als Risikofaktoren erkennt, auch beim Länderrisiko unterschiedlich aus. Sowohl die Auswahl der Kriterien als auch deren Gewichtung können je nach Gläubiger unterschiedlich sein. Dabei finden sich jedoch Gemeinsamkeiten, die im folgenden dargestellt werden sollen.

Begriff des Länderrisikos

Zu unterscheiden ist hier zwischen dem originären Länderrisiko, bei dem der jeweilige Staat direkter Schuldner ist und dem derivativen Länderrisiko, bei dem ein Kreditnehmer innerhalb eines Staates der Schuldner ist. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, weil das originäre Länderrisiko mit den individuellen Kreditnehmerrisiken im selben Staat negativ korreliert. Ausgehend von einer globalen Definition des Begriffs, wie z.B. von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verwendet, kann dann durch abnehmende Abstraktion ein operabler Begriff abgeleitet werden. Für die BIZ bezieht sich das Länderrisiko "auf die Möglichkeit, dass souveräne Kreditnehmer eines bestimmten Landes nicht in der Lage oder bereit sind, und dass sonstige Kreditnehmer nicht in der Lage sind, aus anderen Gründen als den üblichen Risiken, die sich im Zusammenhang mit jeder Kreditgewährung ergeben, ihre Auslandsverpflichtungen zu erfüllen"[2]. Für die Deutsche Bank AG ist Länderrisiko "das Risiko, dass in einem beliebigen Land ein Verlust aufgrund politischer und sozialer Unruhen, Verstaatlichungen und Enteignungen, staatlicher Nichtanerkennung von Auslandsschulden, durch Devisenkontrollen oder eine Abwertung der Landeswährung entsteht"[3]. Alle Definitionen haben gemeinsam, dass mit dem Länderrisiko nur jene Risiken erfasst werden sollen, die nicht mit dem Kreditrisiko eines ausländischen Schuldners zusammenhängen, sondern sich allgemein aus der wirtschaftlichen und/oder politischen Situation des Staates ergeben, in welchem der Schuldner seinen Sitz hat.

Originäres Länderrisiko

Aus dieser Definition lassen sich wirtschaftliche, politische und Transferstopp-Komponenten des Länderrisikos ableiten. Weitgehende Übereinstimmung besteht bei Gläubigern auch darin, dass zunächst nur die Fremdwährungsverbindlichkeiten eines Staates, nicht aber Schulden in heimischer Währung, berücksichtigt werden sollen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Staat seine eigene Währung autonom durch Geldmengenschöpfung (quasi ad infinitum) produzieren kann, während ihm Fremdwährungsreserven lediglich limitiert zur Verfügung stehen.

Dann handelt es sich beim Länderrisiko um die Gefahr, dass ein Staat seine eigenen Fremdwährungsverbindlichkeiten nicht bedienen kann, weil die Regierung oder Zentralbank

(a) nicht in der Lage (wirtschaftliches Risiko) oder willens (politisches Risiko) ist, die zur Rückzahlung der Fremdwährungsverbindlichkeiten erforderlichen Devisen zu beschaffen oder der Staat vorhandene Devisen nicht zur Rückzahlung einsetzt (Transferstopprisiko) oder
(b) sich die volkswirtschaftliche Situation und/oder politische Lage des Staates derart gravierend verschlechtert hat, dass er
  • keine Fremdwährungskredite auf den internationalen Kreditmärkten erhält und/oder
  • dass es zu einem drastischen Kursverfall der heimischen Währung gekommen ist, der den Staat daran hindert, die notwendige Inlandswährung aufzubringen, die für den entsprechenden Kauf der Auslandswährung aufzuwenden wäre.

Derivatives Länderrisiko

Ist der Staat nicht selbst der direkte Schuldner, sondern ein Kreditnehmer aus diesem Staat, muss die Definition sogar auf eine zweidimensionale Variante erweitert werden. Denn Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass bonitätsmäßig einwandfreie Schuldner in einem bonitätsmäßig nicht einwandfreien Staat an der Rückzahlung ihrer Schulden durch den Staat, Regierungsstellen oder Zentralbank gehindert wurden (negative Korrelation). Aus alledem lässt sich dann folgende Definition des Begriffs Länderrisiko ableiten.

Beim Länderrisiko handelt es sich um die Gefahr, dass ein Schuldner seine Fremdwährungsverbindlichkeiten nicht bedienen kann, weil

(a) die Regierung oder Zentralbank seines Landes nicht in der Lage (wirtschaftliches Risiko) oder willens (politisches Risiko) ist, die zur Rückzahlung der Fremdwährungsverbindlichkeiten erforderlichen Devisen bereitzustellen oder der Schuldner vorhandene Devisen nicht zur Rückzahlung einsetzen darf (Transferstopprisiko) oder
(b) sich die volkswirtschaftliche Situation und/oder politische Lage seines Landes derart gravierend verschlechtert hat, dass er
  • trotz ausreichender Bonität keine Fremdwährungskredite auf den internationalen Kreditmärkten erhält und/oder
  • dass es zu einem drastischen Kursverfall der heimischen Währung gekommen ist, der einen bedeutenden Teil der Schuldner dieses Staates daran hindert, die notwendige Inlandswährung zu beschaffen, die für den entsprechenden Kauf der Auslandswährung aufzuwenden wäre.

In einem weiteren Schritt müssen nun auch die Verbindlichkeiten in Landeswährung einbezogen werden, weil auch diese einem politischen Risiko und/oder einem Transferstopprisiko unterliegen können.

Analyse des Länderrisikos

Da Länderrisiken keine objektiv feststellbaren Größen und nicht direkt beobachtbar sind, muss nach stabilen Beziehungen zwischen beobachtbaren risikoverursachenden und representativen Größen gesucht werden. Dabei ist zwischen qualitativen (politische Lage) und quantitativen Risikofaktoren (volkswirtschaftliche Ergebnisse) zu unterscheiden. Die Länderrisikoanalyse erfordert zunächst eine retrospektive Betrachtung, die Risikoursachen aufzudecken versucht und Ursache-Wirkungs-Beziehungen offenlegt. Sodann werden die zu prognostizierenden Faktoren abgeleitet und Indikatoren für eine Prognose bestimmt, um im nächsten Schritt zu einer ursachenbezogenen und zukunftsorientierten Risikobeurteilung zu gelangen.

Vor dem Hintergrund dieser Vorgaben werden bestimmte politische Informationen und volkswirtschaftlichen Grunddaten jedes Staates zu aussagefähigen und repräsentativen Kennzahlen zusammengefasst, die dann mit einem Vergleichswert (benchmark) konfrontiert werden. Neben den Ratingagenturen verdichten internationale Banken und insbesondere drei NGO-Unternehmen diese Kennzahlen zu einem Rating oder Index. Hier haben sich global zwei Indizes etabliert, der BERI-Index (Business Environment Risk Index) und der Peren-Clement-Index. In der unternehmerischen Praxis hat sich der Peren-Clement-Index etabliert, weil er im Gegensatz zum Beri-Index entscheidungssignifikante Knock-out-Variablen explizit berücksichtigt. Ein Länder-Ranking gibt "Institutional Investor" seit 1979 heraus, das die Staaten nach Kontinenten zusammenfasst[4].

Bedeutung

Durch die zunehmende wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung der Staaten weltweit[5] hat die Einschätzung und Bewertung von Länderrisiken zunehmende Bedeutung erlangt. Insbesondere die "Subprime-Krise" 2007 mit ihren Auswirkungen auf volatiler gewordene Länderrisiken (etwa Island oder Emerging Markets) zeigt die Erfordernis einer fundierten und funktionierenden, die Realität reflektierenden Länderrisikoanalyse.

Einzelnachweise

  1. Helmut Krämer-Eis, "Evaluierung hoheitlicher Länderrisiken", Jena 1997, S. 27
  2. Basel Committee on Banking Supervision, "Steuerung des Internationalen Kreditgeschäfts der Banken: Analyse des Länderrisikos sowie Messung und Kontrolle des Länderengagements", März 1982, S. 1
  3. Geschäftsbericht Deutsche Bank AG 2007
  4. Institutional Investor Global Credit Ranking
  5. Christiane Lemke, "Internationale Beziehungen: Grundkonzepte, Theorien und Problemfelder", 2000, S. 12 f., ISBN 3486238582 virtuell zu finden als "Google-Buchsuche"

Literatur

  • Christian Braun, "Verfahren zur Länderrisikobewertung - Eine empirisch gestützte vergleichende Beurteilung", Hamburg 2006, ISBN 978-3-8300-2585-6
  • Peter Lang, "Länderrisikoanalyse im Rahmen moderner Kreditrisikomodelle bei Banken - Eine Untersuchung mit besonderem Schwerpunkt auf Marktpreisinformationen von Emerging Markets", Frankfurt 2003, ISBN 978-3-631-50344-7
  • Rolf-Dieter Reineke, Friedrich Bock (Hrsg.), "Gabler Lexikon Unternehmensberatung", Wiesbaden 2007, S. 248-249.

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