Magnesia am Mäander

Magnesia am Mäander

Magnesia am Mäander (griechisch Μαγνησία ἐπὶ Μαιάνδρῳ) war eine antike Stadt im Westen Kleinasiens in der heutigen Türkei. Die Überreste der Stadt sind in der Ebene des Mäander (türkisch Büyük Menderes) von der Straße von Selçuk nach Söke aus zu sehen. Im steppigen Gras liegen nur noch gewaltige Trümmer, Tempelfundamente, Säulentrommeln, stehen wenige Reste der Umfassungsmauer.

Einst stand hier ein Tempel der Artemis Leukophryne, den Hermogenes um 130 v. Chr. schuf, sowie ein Tempel des Zeus Sosipolis. Im Berliner Pergamonmuseum sind Kopien eines Säulenjochs des Artemistempels sowie des Pronaos des Zeustempels (letzterer enthält zwei Originalstücke) nachgebaut worden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Stadt Magnesia wurde der Legende nach eine Generation vor dem Trojanischen Krieg von den Magneten aus Thessalien gegründet, gelangte unter die Herrschaft des lydischen Königs Gyges (716–678 v. Chr.). Um 657 v. Chr. von Kimmeriern erobert,[1] später von Ephesos eingenommen, schlug Kyros II. Magnesia den Persern zu. Themistokles bezog hier seine Residenz. 400/399 v. Chr. wurde es durch Thibron wieder aufgebaut. Durch Alexander den Großen wurde Magnesia makedonisch, fiel verschiedenen Diadochen zu, wurde seleukidisch (221 v. Chr. Epiphanie der Artemis Leukophryne) und erlebte seine kulturelle Blütezeit mit dem Königreich Pergamon im 2. Jahrhundert v. Chr. Magnesia wird unter anderem in den Werken von Herodot, Diodorus Siculus und Pausanias erwähnt. Ein Krieg mit Milet wurde 196 v. Chr. durch einen Friedensschluss beendet, nach 190 v. Chr. wurde die Stadt durch die Römer frei.

133 v. Chr. wurde Magnesia dem römischen Imperium vererbt. Als Belohnung für den Widerstand gegen den König Mithridates VI. von Pontus erhielt es von Sulla den Status einer freien Stadt. 17 n. Chr. von einem Erdbeben zerstört, wurde die Stadt vom römischen Kaiser Tiberius innerhalb von zwölf Jahren aus eigenen Mitteln wieder aufgebaut. Schon 114 n. Chr. gab es dort eine sehr frühe christliche Gemeinde, die in den folgenden Jahrhunderten regelmäßig ihre Bischöfe zu den Konzilien schickte. Von der Eroberung und Plünderung durch die Goten im Jahre 262 n. Chr. konnte sich Magnesia wie die benachbarten Orte Ephesos und Milet nie mehr ganz erholen. Zwar wurde es noch byzantinische Bischofsstadt und erhielt eine Ringmauer gegen den Ansturm von Persern und Seldschuken, war aber wenig mehr als eine byzantinische Grenzfestung. Um 1300 übernahm die Fürstenfamilie der Aydınoğulları die Herrschaft. Infolge von Überschwemmungen, Seuchen und anderen Plagen wurde Magnesia nach und nach von seinen letzten Bewohnern verlassen und fiel der Vergessenheit anheim.

Ausgrabungen

„Im dritten Buch Vitruvs (III 2 6) wird Hermogenes als Erfinder des “Pseudodipteros” genannt, eines Tempeltyps, der erstmalig im Artemision von Magnesia am Mäander verwirklicht worden sein soll. Dies war der Anlass, die in Vergessenheit geratene Stadt zu suchen und zu erforschen.“ (Lit.: Orhan Bingöl).

Im Zuge der großen Ausgrabungskampagnen in Kleinasien durch französische, deutsche und britische Wissenschaftler wurde auch Magnesia wieder entdeckt. In den Jahren 1891–1893 wurden durch die Berliner Museen Grabungen durchgeführt, bei denen u.a. die Reste des Zeustempels sowie des Artemistempels des Hermogenes freigelegt wurden.

Die meisten der erhaltenen Funde – Tempelfriese, Altarreliefs und anderes – sind heute auf die Museen in London, Paris, Berlin und Istanbul verteilt. Dass am Ort selbst nur wenig mehr als Steinbrocken und Mauerreste übrig geblieben sind, ist auf die vor allem im 19. Jahrhundert im Osmanischen Reich weit verbreitete Praxis der Kalkbrennerei (Marmor ist ein kristalliner Kalkstein) durch die lokale Bevölkerung zurückzuführen. Ihr fielen im Zeitraum zwischen 1893 und 1895 auch die Reste des Zeustempels zum Opfer, der noch durch Humann in gutem Zustand vorgefunden und dokumentiert wurde.[2] Die vor 1893 erstellte Bauaufnahme dieses Tempels diente als Grundlage für die Rekonstruktion der Pronaos-Fassade im Berliner Pergamonmuseum.

Nach dem Abschluss der ersten Grabungskampagne 1893 haben die Grabungen bis 1984 geruht. Die angeschwemmten Sedimente und die durch Regenwasser abgetragenen Lehmschichten, teils bis zu 4–5 m dick, bedeckten die ausgegrabenen Flächen und Bauwerke wieder mit Erde. Magnesia wurde für nahezu hundert Jahre vergessen, obwohl gerade während dieser Zeit wichtige Forschungsarbeiten über Hermogenes verfasst wurden. Seit 1984 unternimmt die Universität Ankara neue Grabungen, die unter der Leitung von Professor Orhan Bingöl stehen.

Belege

  1. Plinius der Ältere: Naturalis historia 35,8.
  2. Volker Kästner: Der Tempel des Zeus Sosipolis von Magnesia am Mäander, in: Brigitte Knittlmayer, Wolf-Dieter Heilmeyer (Hrsg.): Die Antikensammlung. 2. Auflage, Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2449-9, S. 230f. Vgl. auch: Johannes Althoff: Ein Meister des Verwirklichens. Der Archäologe Theodor Wiegand, in: Klaus Rheidt, Barbara A. Lutz (Hrsg.): Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem. Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3374-9, S. 151.

Literatur

  • Otto Kern: Die Inschriften von Magnesia am Maeander. Spemann, Berlin 1900 (online).
  • Emil Herkenrath: Der Fries des Artemisions von Magnesia a. M.. Berlin 1902; Nachdruck: Kessinger Pub Co 2010, ISBN 1-162-32260-8.
  • Carl Humann: Magnesia am Maeander. Bericht über die Ergebnisse der Ausgrabungen der Jahre 1891–1893. Reimer, Berlin 1904 (online).
  • Sabine Schulz: Die Münzprägung von Magnesia am Mäander in der römischen Kaiserzeit. Olms, Hildesheim 1975, ISBN 3-487-05750-6.
  • Abdullah Yaylali: Der Fries des Artemisions von Magnesia am Maeander. Wasmuth, Tübingen 1976, ISBN 3-8030-1713-0 (Istanbuler Mitteilungen, Beih. 15).
  • Orhan Bingöl: Magnesia am Mäander = Magnesia ad Maeandrum. Ankara 1998, ISBN 975-387-068-X.
  • Orhan Bingöl: Magnesia am Mäander Magnesia ad Maeandrum. Homer Kitabevi, Istanbul 2007, ISBN 9944-483-01-X. (weitere Ausgaben auch in Türkisch und Englisch).

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Weblinks

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