Marcus (Usurpator)

Marcus (Usurpator)

Marcus († 406) war ein spätantiker römischer Usurpator in Britannien, der von den dortigen Truppen im Jahr 406 zum Kaiser erhoben wurde.

Über seine Person ist fast nichts bekannt. Olympiodoros von Theben, auf dessen Werk sich andere antike Geschichtsschreiber bei ihrer Darstellung der Usurpation maßgeblich stützten,[1] berichtet, dass Marcus ein Soldat gewesen sei und von unzufriedenen Truppen in Britannien zum Kaiser proklamiert wurde. Kurz darauf wurde er jedoch ermordet und an seiner Stelle Gratian zum Kaiser erhoben. Dieser wurde nach vier Monaten ebenfalls umgebracht. Erst der neue Kaiser Konstantin konnte sich halten und zog mit seinen Truppen nach Gallien, wo er einen eigenen Machtbereich errichtete.[2]

Die wenigen erhaltenen Informationen aus dem verlorenen Geschichtswerk des Olympiodoros erlauben es nicht, die Regierungszeit des Usurpators Marcus genau festzulegen. Es ist nur bekannt, dass diese und die nachfolgenden Usurpationen vor dem Konsulat des Kaisers Honorius im Jahr 407 stattfanden. Wenigstens sind aber einige Rückschlüsse auf die Motive der britannischen Truppen möglich. Britannien selbst war schon seit Ende des 3. Jahrhunderts anfällig für Usurpationen gewesen (siehe Carausius, im 4. Jahrhundert dann Magnus Maximus). Wahrscheinlich sah man sich in diesem westlichen Randgebiet des Römischen Reichs von der Politik im fernen Rom vernachlässigt. Die Erhebungen des Marcus, Gratian und Konstantin sind jedoch auch durch die Lage in Gallien mitbestimmt gewesen. Dort hatten zum Jahreswechsel 406/07 barbarische Völkerstämme den Rhein überquert, was zum Kollaps der Grenzverteidigung geführt hatte (siehe Rheinübergang von 406 und Völkerwanderung). Diese Entwicklung war wohl schon vorher absehbar gewesen, manche modernen Forscher verlegen den Rheinübergang aber sogar auf den Jahreswechsel 405/06, was die Auswirkung auf das mit dem gallischen Festland politisch verbundene Britannien noch plausibler erscheinen lässt.[3]

Aber auch ohne diesen speziellen Anlass ist es gut möglich, dass auch in Britannien die Völkerverschiebungen im Rheinraum bekannt waren und die Truppen zum Schutz Galliens eingreifen wollten, wie eine Äußerung des Geschichtsschreibers Zosimos nahelegt.[4] Weder Marcus noch Gratian erfüllten jedoch die Erwartungen ihrer Soldaten. Erst der Usurpator Konstantin zog die richtigen Schlüsse und begab sich auf das Festland, wobei er allerdings die letzten Reste des britannischen Feldheeres mitführte, womit die Insel militärisch völlig entblößt wurde. Dies leitete die nachfolgende Entwicklung ein, die zum Verlust der Insel für Rom führte und die Landnahme durch die Angelsachsen zur Folge hatte.[5]

Literatur

  • Peter J. Heather: The Fall of the Roman Empire: A New History. London 2005, S. 206ff.
  • Michael E. Jones: The End of Roman Britain. Ithaca/NY 1996, S. 163, 246f.
  • Michael Kulikowski: Barbarians in Gaul, Usurpers in Britain. In: Britannia 31, 2000, S. 325–345.
  • Christopher A. Snyder: An Age of Tyrants: Britain and the Britons, AD 400–600. University Park/PA 1998, S. 398 (Index, siehe dort Marcus).
  • C. E. Stevens: Marcus, Gratian, Constantine. In: Athenaeum 35, 1957, S. 316–347.

Anmerkungen

  1. Erwähnung findet Marcus nur in den griechischen (auf Olympiodoros zurückgehende), nicht aber in den lateinischen Quellen.
  2. Olympiodoros, Fragment 12 [13.1 in der Ausgabe von R. Blockley]. Konstantin wurde 411 von loyalen Truppen besiegt und getötet.
  3. Kulikowski (2000), S. 325–331.
  4. Zosimos 6, 3. Vgl. auch Heather (2005), S. 211.
  5. Vgl. allgemein zur Entwicklung Jones (1996).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Marcus Furius Camillus (Konsul 8) — Marcus Furius Camillus war ein römischer Politiker und Senator in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Camillus stammte aus der altpatrizischen Familie der Furii. Seine Söhne waren Marcus Furius Camillus, Arvalbruder im Jahr 37, und… …   Deutsch Wikipedia

  • Marcus Aurelius Valerius Carausius — Dieser Artikel behandelt den römischen Feldherrn Carausius; für die nach diesem benannte Gattung der Stabschrecken siehe Carausius (Gattung). Antoninian des Carausius Marcus Aurelius Maus(aeus?) Carausius[1] († 293) war ein römischer Feldherr,… …   Deutsch Wikipedia

  • Marcus Aurelius — Mark Aurel Glyptothek München Mark Aurel[1] (* 26. April 121 in Rom; † 17. März 180 in Vindobona oder eventuell Sirmium) war von 161 bis 180 …   Deutsch Wikipedia

  • Marcus Aurelius Antoninus Augustus — Mark Aurel Glyptothek München Mark Aurel[1] (* 26. April 121 in Rom; † 17. März 180 in Vindobona oder eventuell Sirmium) war von 161 bis 180 …   Deutsch Wikipedia

  • Marcus Aemilius Aemilianus — Antoninian des Aemilianus, auf dem der Kriegsgott Mars als Friedensstifter dargestellt wird. Marcus Aemilius Aemilianus (kurz Aemilian; * 207 oder 213 in Djerba; † 253) war im Jahr 253 römischer Kaiser …   Deutsch Wikipedia

  • Gratian (Usurpator) — Gratian (* im 4. Jahrhundert; † 407) war ein spätantiker römischer Usurpator in Britannien, der von den dortigen Truppen im Jahr 407 zum römischen Kaiser erhoben wurde. Er wurde als Nachfolger des Usurpators Marcus erhoben, über den nichts… …   Deutsch Wikipedia

  • Westrom — Die Teilung in ein weströmisches und ein oströmisches Reich nach dem Tod des Kaisers Theodosius I …   Deutsch Wikipedia

  • Weströmisch — Die Teilung in ein weströmisches und ein oströmisches Reich nach dem Tod des Kaisers Theodosius I …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Mara–Marh — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Volkswanderungen — Spangenhelm aus dem 6. Jahrhundert, Import aus oströmischen Werkstätten. Der Begriff Völkerwanderung bezeichnet allgemein eine Wanderbewegung, bei der eine große Zahl Menschen aus einer Volksgruppe oder eine ganze Volksgruppe in ein anderes… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”