Maria Leopoldine von Österreich

Maria Leopoldine von Österreich
Jugendbildnis von Maria Leopoldine von Österreich, Kaiserin von Brasilien

Maria Leopoldine Josepha Caroline (* 22. Jänner 1797 in Wien; † 11. Dezember 1826 im Palast Boa Vista bei Rio de Janeiro) war das fünfte Kind, die vierte Tochter von Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835) und dessen zweiter Gemahlin Prinzessin Maria Theresa von Neapel-Sizilien (1772–1807).

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend am Wiener Hof

Maria Leopoldine von Österreich

Erzherzogin Leopoldine, von den Wienern liebevoll Poldl genannt, wurde 1797 in Wien geboren. Sie wurde mit ihren Schwestern Marie Louise (1791-1847), Marie Clémentine (1798-1881) und Marie Caroline (1801-1832) am Wiener Hof erzogen. Der frühe Tod ihrer Mutter Maria Theresa nach einer Frühgeburt im April 1807 traf die zehnjährige Leopoldine sehr. Nachdem der Kaiser ein Jahr später wieder geheiratet hatte, schloss sie sich sehr innig an ihre junge Stiefmutter Maria Ludovika Beatrix von Modena (1787-1816) an, die sie auch gerne auf ihren Reisen begleitete. Im Sommer 1810 trafen die Kaiserin und ihre Stieftochter Leopoldine, die zur Kur in Karlsbad weilten, auf Goethe. Dieser verehrte der hochgebildeten Kaiserin mehrere Gedichte.

Schon als Kind war Leopoldine vielseitig interessiert. Zu ihren Beschäftigungsgebieten zählten die Botanik, die Schmetterlingskunde und die Mineralogie. Schon in frühester Jugend erhielt sie Zeichenunterricht, einige Bilder sind im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten. Französisch, Italienisch und Latein beherrschte sie perfekt. Ihr Sprachgefühl erleichterte ihr später auch das Erlernen des Portugiesischen.

Nachdem ihre Lieblingsschwester Marie Louise 1810 mit Napoléon (1769-1821) verheiratet worden war, verfasste Leopoldine eifrig Briefe. Selbst Napoléon erkannte die besondere Beziehung seiner jungen Frau zu Leopoldine und schrieb:

"Ich hätte Leopoldine und all Deine Brüder und Schwestern zu sehen gewünscht, die ich um Deinetwegen liebe."

Die fünfzehnjährige Leopoldine wird als echte Habsburgerin beschrieben: Blond, blauäugig und ausgestattet mit der großen "Habsburgerlippe", die ihr viel Kummer machte. Als die Erzherzogin von Marie Louise einmal einen Vergrößerungsspiegel erhielt, antwortete sie:

"Es ist gar kein Wunder, wenn ich hineinsehe, daß meine Lippen besonders groß mir vorkommen, da er 3 mahl vergrößert."

Als Marie Louise sich dazu entschloss, ihren kleinen Sohn Franz (1811-1832), den Herzog von Reichstadt, zur Erziehung in Wien zurückzulassen, kümmerte sich Leopoldine mit großer Freude um ihren kleinen Neffen. Am 9. Juli 1816 teilte sie Marie Louise mit:

"Dein Sohn war uns gestern besuchen, er sieht vortrefflich aus und ist zum Fressen; der liebe Papa hatte die Gnade, ihn mir in Aufsicht zu geben, was ich sehr gerne nahm. Beim Essen saß er daher bey mir, und der liebe Papa und ich versichern Dich ohne zu schmeicheln, er unterhielt mich königlich durch seine Geheimnisse, die er mir anvertraute."

Verlobung und Heirat

1816 begannen die Verhandlungen bezüglich einer Heirat des portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro (1798-1834) mit Erzherzogin Leopoldine. Kaiser Franz war kein großer Befürworter dieser Verbindung, da er um den unmoralischen Lebenswandel und die Epilepsie des Kronprinzen wusste. Auf Drängen Metternichs, der den Kaiser völlig in der Hand hatte, gab er aber nach.

Leopoldine schrieb euphorisch an ihre Schwester Marie Louise nach Parma:

"Ein großer Entschluß! Aber er ist gefasst... Brasilien ist ein herrlicher, sanfter Himmelsstrich, ein gesegnetes Land und hat biedere und gutmütige Bewohner... Das Portrait des Prinzen macht mich noch halb narrisch... Er ist so schön wie Adonis."

Erzherzog Ludwig, ein Onkel der Braut, schrieb an Marie Louise:

"Leopoldine wird auf einen der größten Throne der Welt kommen; da kann sie recht botanisieren und Mineralien sammeln."

Weitaus kritischer und vorausschauender kommentierte Erzherzog Rainer (1783–1853), ein weiterer Onkel, das Geschehen:

"Wer weiß, ob je jemand von der Familie sie jemals wieder sehen wird. Es ist ein Abschied ganz wie bei einem Sterbenden." Mit dieser Befürchtung sollte der Erzherzog recht behalten.

Am 13. Mai 1817 wurde Leopoldine in St. Augustin, der Hochzeitskirche der Habsburger, in Wien per Stellvertreter mit Dom Pedro verheiratet. Als Stellvertreter fungierte ihr Onkel Erzherzog Karl.

Kronprinzessin von Brasilien

Die nunmehrige Kronprinzessin machte sich nun auf nach Rio de Janeiro, wo sie nach dreimonatiger Reise im November 1817 feierlich Einzug hielt. Am 6. November 1817 fand unter großer Prachtentfaltung in der Königlichen Kapelle des Stadtpalasts die Trauung von Leopoldine und Pedro statt.

Da Dom Pedro reichlich ungebildet war, gewann Leopoldine schnell wachsenden Einfluss auf ihren Ehemann. Pedro besprach bis zur Unabhängigkeitserklärung Brasiliens alle Regierungsangelegenheiten mit Leopoldine und folgte in der Regel ihrem Rat. Im Januar 1822 leitete Pedro, dem die Regierung Brasiliens von seinem Vater überlassen worden war, eine weitgehende Autonomie Brasiliens ein - ein entscheidender Schritt in der Geschichte dieses Landes, der definitiv auf den Einfluss Leopoldines zurückzuführen ist.

Als sich Pedro im Laufe des Jahres 1822 zu einer Reise nach São Paulo entschloss, ließ er Leopoldine als Regentin zurück. Im September 1822 verkündete Pedro - von Leopoldine beschworen - die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal.

Kaiserin von Brasilien

Kaiserin Maria Leopoldine von Brasilien
Leopoldine als Regentin, 1822

Am 1. Dezember 1822 folgte die Krönung zum Kaiser von Brasilien. Von Leopoldine wird zu dieser Zeit berichtet, dass sie "ein klares, unbestechliches Urteil über die Lage in unserem Lande" hatte.

Leopoldine zog österreichische Naturwissenschaftler und Maler nach Brasilien. Sie veranlasste auch Gelehrtenexpeditionen, die wertvolle Ergebnisse lieferten. In ihrer alten Heimat Wien förderte sie die Entstehung des Brasilianischen Museums.

Über die anfangs verhältnismäßig harmonische Ehe von Leopoldine und Pedro legte sich ab 1822 ein düsterer Schatten. Der Kaiser hatte auf der Reise nach Sao Paulo eine Frau, Dona Domitilia, kennengelernt, die er bei Hofe offiziell als seine Geliebte einführte. Um Leopoldine lächerlich zu machen, wurde sie auf Pedros Veranlassung zu der ersten Hofdame der Kaiserin ernannt. Leopoldine musste auch noch erleben, dass Domitilia dem Kaiser eine uneheliche Tochter schenkte und in den Hochadel erhoben wurde. Das Töchterchen wurde wie selbstverständlich mit ihren Halbgeschwistern erzogen.

Die persönlichen Auseinandersetzungen des Kaiserpaares steigerten sich derart, dass Pedro auch nicht mehr davor zurückschreckte, Leopoldine zu schlagen und zu misshandeln. Er nutzte weiterhin auch jede Gelegenheit, sie vor dem Hof zu demütigen und lächerlich zu machen. Schwer depressiv schrieb sie in ihrem letzten Lebensjahr an Marie Louise nach Parma:

"Hört wenigstens den Notschrei eines Opfers, [...] das von Euch nicht Rache, aber Mitleid erbittet."

Am 1. Dezember 1826 soll Pedro der schwangeren Leopoldine während eines Streits so sehr in den Bauch getreten haben, dass dadurch eine Frühgeburt ausgelöst wurde. Leopoldine starb nur zehn Tage später, am 11. Dezember 1826 im Palast Boa Vista bei Rio de Janeiro. Man vermutet, dass die Misshandlungen von Pedro und die darauf zurückzuführende Fehlgeburt das Leben der noch nicht 30jährigen Leopoldine auslöschten.

Drei Tage nach ihrem Tod, wurde Leopoldine im Ajuda-Nonnenkloster beigesetzt. Da das Kloster abgerissen wurde, überführte man Leopoldines sterbliche Überreste 1911 in das Santo-Antônio-Kloster.

Kaiserin Maria Leopoldine von Brasilien im Kreise ihrer Kinder

Am 7. September 1954, dem Jahrestag der brasilianischen Unabhängigkeitserklärung, fand die Kaiserin ihre letzte Ruhestätte im Mausoleum des Ipiranga-Denkmals in Sao Paulo.

Die Gemeinde Santa Leopoldina (ursprünglich Cachoeiro de Santa Leopoldina) wurde nach Leopoldine benannt.

Nachkommen

Leopoldine schenkte sechs Kindern das Leben:

Literatur

  • Konrad Ackermann: Leopoldine. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, S. 300 f.
  • Fichna: Leopoldine Erzherzogin von Österreich. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 147.
  • Carlos H. Oberacker: Leopoldine. Habsburgs Kaiserin von Brasilien. Amalthea, Wien 1988, ISBN 3-85002-265-X.
  • Olga Obry: Grüner Purpur. Brasiliens erste Kaiserin, Erzherzogin Leopoldine. Rohrer, Wien 1958.
  • Heinrich Schüler: Dona Leopoldina, erste Kaiserin von Brasilien. Schutzherrin der deutschen Einwanderer. Wahrheitsgetreue Erzählung. Instituto beneficente e genealógico Mentz, Porto Alegre 1954.
  • Amilcar Salgado dos Santos: Imperatriz Leopoldina, Sao Paulo 1927.
  • Helga Thoma: Ungeliebte Königin. Ehetragödien an Europas Fürstenhöfen. 1. Auflage. Ueberreuter, Wien 2000, ISBN 3-8000-3783-1 (als Taschenbuch: Serie Piper 3526, München / Zürich 2003, ISBN 3-492-23526-3).

Weblinks

 Commons: Maria Leopoldine von Österreich – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: BLKÖ:Habsburg, Leopoldine – Quellen und Volltexte


Vorgängerin Amt Nachfolger
Charlotte Johanna von Spanien Königin von Portugal
1826
Auguste de Beauharnais

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