- Massentierhaltung
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Massentierhaltung oder Intensivhaltung bezeichnet die technisierte Form der Nutztierzucht und Viehhaltung zur massenhaften Erzeugung tierischer Produkte wie Fleisch, Milch oder Eiern durch Haltung von vielen Tieren derselben Art auf sehr begrenztem Raum, wobei eine genaue Abgrenzung der Tieranzahl, welche als Massentierhaltung gilt, nicht existiert. Massentierhaltung ist mit artgerechter Tierhaltung nicht vereinbar.
Durch die Massentierhaltung konnte die Produktivität gesteigert werden; die hohen Produktionsmengen und die Vorteile großer Betriebe bei den Produktionskosten (abnehmende Stückkosten) führten zu sinkenden Kosten für den Erzeuger und sinkenden Preisen für den Verbraucher.
Die Massentierhaltung hat weiten Bevölkerungsschichten der reichen Länder den täglichen Fleischkonsum ermöglicht. Daneben ist die Produktion von Milch und Hühnereiern soweit gesteigert worden, dass diese Produkte ebenfalls zur alltäglichen Nahrung geworden sind.
Inhaltsverzeichnis
Kritik
Umweltverschmutzung
Treibhausgase
Die Tierindustrie verursacht rund 18 Prozent der Treibhausgas-Emissionen weltweit und ist damit vor dem Transportsektor größter Emmissionsfaktor.[1] Die im Verdauungstrakt (vor allem von Wiederkäuern) entstehenden Methangase entsprechen 37 Prozent der gesamten anthropogenen Methanemissionen.[1] Auch 65 Prozent der anthropogenen Lachgas-Emissionen sind auf die Tierhaltung zurückzuführen.[1] Die extensive Tierhaltung verursacht verglichen mit der intensiven Massentierhaltung mehr Emissionen, da dort die Nahrungsaufnahme der Tiere umgerechnet auf das Endprodukt höher ist.
Die Stickstoffemissionen der "Veredelungs"-Landwirtschaft (Futteranbau, Tiermast etc.) tragen ebenfalls zur Versauerung und Eutrophierung der Waldböden bei.
Wasserverschmutzung und Verbrauch
Geschätzter Verbrauch virtuellen Wassers
verschiedener landwirtschaftlicher Produkte
(m³ Wasser/Tonne Produkt) Nach diversen Autoren[2]Hoekstra
& Hung
(2003)Chapagain
& Hoekstra
(2003)Zimmer
& Renault
(2003)Oki
et al.
(2003)Durchschnitt Rindfleisch 15977 13500 20700 16726 Schweinefleisch 5906 4600 5900 5469 Käse 5288 5288 Hühnerfleisch 2828 4100 4500 3809 Eier 4657 2700 3200 3519 Reis 2656 1400 3600 2552 Soyabohnen 2300 2750 2500 2517 Weizen 1150 1160 2000 1437 Mais 450 710 1900 1020 Milch 865 790 560 738 Kartoffeln 160 105 133 Wenn Gülle im Übermaß ausgebracht wird, können Stickstoff-, Nitrat- und Phosphat-Verbindungen in das Grundwasser gelangen. So wird teilweise in Gebieten mit intensiver Viehhaltung der deutsche Grenzwert für Nitratbelastung im Grundwasser (50 mg/l [3]) überschritten (der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation liegt sogar bei 20 mg/l).
In Oberflächengewässern verstärkt die hohe Nährstoffversorgung (Eutrophierung) das Wachstum von Grünalgen und Cyanobakterien. Die Algen entwickeln sich zu Massenvorkommen und sondern bestimmte Algengifte ab. Schließlich führt die Biomasseproduktion der Algen zu Sauerstoffarmut im Wasser – das Gewässer kann "umkippen". Die Aufbereitung von verschmutztem Wasser zu Trinkwasser verursacht erhebliche Kosten werden.
Bei Überdüngung und/oder oberflächlichem Abfluss kann auch die Bodenfauna geschädigt werden.
Gülle ist aber auch, richtig eingesetzt, ein hervorragender Dünger für die Pflanzen und ermöglicht es, in ausgezeichneter Weise den Kreislauf: Getreide/Futter → Gülle → Düngung → Getreide/Futter zu schließen. Richtig eingesetzt können die Nährstoffe in der Gülle mit überschaubaren Verlusten in der Düngerbilanz angesetzt werden und somit helfen, die Düngekosten zu senken.
Gesundheit
Beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung sind zwei verschiedene Einsatzarten zu unterscheiden: Einerseits als Arzneimittel, das gezielt im Rahmen einer veterinärmedizinischen Behandlung eingesetzt wird; andererseits als Futterzusatz, der gegen Infektionen vorbeugt, womit Leistung und Wachstum gesteigert werden sollen.[4] Der Einsatz von Antibiotika als Futterzusatz ist umstritten. Diese Einsatzart ist in der EU seit Anfang 2006 verboten, nachdem sie bereits 1995 in Dänemark, seit 1997 in Vorarlberg und 1999 in der Schweiz aufgrund einzelstaatlicher Selbstbeschränkungen nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Dieser sogenannte nutritive Einsatz ist aber in vielen Ländern noch weit verbreitet.[5]
Falls ein einzelnes Tier an einem bakteriellen Infekt erkrankt ist, werden in einer veterinärmedizinischen Behandlung dem ganzen Bestand Antibiotika verabreicht. Diese Anwendung (Metaphylaxe) lässt nur die wenigen (durch natürliche Mutation normalerweise vorhandenen) resistenten Erreger überleben. Diese können einen resistenten Stamm bilden, wenn sie nicht als Restinfektion durch die Immunreaktion des Tieres oder Menschen abgetötet werden. Dadurch kann das Antibiotikum gegen die bekannten Infektionen unwirksam werden.
Haltungsbedingungen
Die Massentierhaltung, insbesondere die Käfighaltung, ist ethisch umstritten, da die Tiere ihren natürlichen Neigungen nicht nachkommen können. Bei einigen Arten führt die Haltung vieler Tiere in kleinem Raum (d.h. große Gruppen) zu Stressverhalten. Bedingt durch eine reizarme Umwelt kann es zu Verhaltensstörungen kommen. Schweine beißen sich dann gegenseitig in Ohren oder Schwanz, Hühner verletzen sich durch gegenseitiges Anpicken. Rindern wurden u. a. aus diesem Grund und zwecks höherer Effizienz die Hörner entfernt oder weggezüchtet. Durch die Haltung vieler Tiere auf engen Raum ist die Gefahr der starken Verbreitung von Krankheiten erhöht. Insbesondere in der Schweinehaltung ist es deshalb oft nötig, in den Beständen Antibiotika einzusetzen, manchmal sogar vorbeugend.
Viehtransporte
Viehtransporte in der Massentierhaltung sind ein weiteres umstrittenes Feld. Tiere werden auf engen Raum transportiert und müssen durch die Transportdauer- vor allem bei osteuropäischen Transporten - oft tagelang in Enge ausharren. In der EU sind mittlerweile bei solchen Transporten Ruhezeiten vorgeschrieben, die zum Tränken der Tiere genutzt werden müssen. Für viele Tiere ist die Verladung von der Mastanlage in den Lkw zum Schlachter der erste Augenblick, bei dem sie Tageslicht erblicken.
Verlust der genetischen Vielfalt
In der Massentierhaltung werden nur sehr wenige Zuchtrassen je Tierart verwendet, so dass die genetische Vielfalt leiden kann. Das Ziel ist eine möglichst kostengünstige Produktion, wobei die eingesparten Kosten größtenteils in Form von günstigen Preisen an die Verbraucher weitergegeben werden. Die Zusammensetzung der Tiernahrung ist z.B. auf schnelles Wachstum der Tiere und auf einen hohen Ertrag (zum Beispiel bei der Milch- und Eierproduktion) ausgelegt.
Landverbrauch
Weltweit werden 26 Prozent[1] der Landfläche für die Weidewirtschaft genutzt. Der Futtermittelanbau verbraucht ein Drittel der weltweiten Ackerflächen.[1] Die Erschließung neuer Weideflächen ist ein wesentlicher Motor der Abholzung vor allem in Lateinamerika.[1]
Überschüsse
Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei tierischen Produkten um das Jahr 2005 Milch und Milchprodukte 118 % Eier und Eierprodukte 77 % Rindfleisch 121 % Schweinefleisch 97 % Geflügelfleisch 82 % Schaf- und Ziegenfleisch 56 % Durch die Massentierhaltung ist es leichter möglich, den Bedarf und die Überschüsse von Nahrungsmitteln mit tierischem Eiweiß zu erzeugen.
Überschüsse werden vernichtet, mit Hilfe von Subventionen weiterverarbeitet oder auf dem Weltmarkt, oft unter den Erzeugungskosten, angeboten. Das Anbieten auf dem Weltmarkt beeinflusst die Wirtschaft der Entwicklungsländer. Der Preisverfall dieser hochwertigen Nahrungsmittel ist eine Ursache für die veränderten Nahrungsgewohnheiten und damit Ursache für die Zunahme von Zivilisationskrankheiten (Herzinfarkt, Übergewicht, etc.) in den westlichen Ländern.
Kleinere Viehhalter können wegen höherer Erzeugungskosten (fehlende economies of scale) und geringen Preisen für die erzeugten Lebensmittel in den Industrieländern nicht mit großen Betrieben konkurrieren, außer wenn sie mit teureren Bioprodukten einen ernährungsbewussten Kundenstamm versorgen (Besetzen einer Marktnische). Die Folge ist eine Aufgabe kleiner landwirtschaftlicher Betriebe durch den wirtschaftlichen Druck wegen geringer oder sinkender Preise für die erzeugten Produkte. Aber auch politische Vorgaben, die sich in Großbetrieben leichter verwirklichen lassen (z. B. Hygienerichtlinien, Bestandsbetreuung, Dokumentationsvorgaben) führen zur Aufgabe kleiner landwirtschaftlicher Betriebe.
Durch das Anbieten von Überschüssen aus den Industrieländern zu geringen Preisen auf dem Weltmarkt wird auch die Landwirtschaft der Entwicklungsländer beeinflusst: In diesen Ländern wird die landwirtschaftliche Produktion unrentabel, die Landbewohner können ihren Lebensunterhalt nicht mehr erwirtschaften. Die dadurch begründete Abwanderung junger Menschen aus landwirtschaftlichen Gebieten führt zu wirtschaftlichen Problemen und weiterer Konzentration und Wachstumsprozessen.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f FAO Livestock Impacts (HTML). Abgerufen am 30. Januar 2009.
- ↑ Wasserfußrabdruck Report 12.
- ↑ laut dt. TrinkwV 2001, Anlage 2 Teil I, lfd. Nr. 4
- ↑ Antibiotika und Medikamente in der Tierhaltung, Merkblatt der Internationalen Bodenseekonferenz
- ↑ SR 910.1 Bundesgesetz über die Landwirtschaft, Art. 160, Abs. 8
Weblinks
- Mehr Menschlichkeit mit Tieren: ein Essay von Eugen Drewermann in: Die Zeit, 32/1996.
- www.soylent-network.com Umfangreiche, kritische Fotodokumentationen aus der Nutztierhaltung
- PROVIEH e.V.
- Methan und Lachgas - Die vergessenen Klimagase (2007). Studie im Auftrag des WWF über Treibhausgase aus der Landwirtschaft (PDF)
- FAO: „Livestock impacts on the environment“ (2006)
- FAO: „Livestock's long Shadow, environmental issues and options“ (2007)
Siehe auch
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