Materia prima

Materia prima

Die materia prima (erste Materie), die auch „Urstoff“ genannt wird, ist ein philosophischer Begriff, der auf Aristoteles zurückgeht und in der Folge insbesondere in der Scholastik eine große Bedeutung erlangte.

Der Begriff geht zurück auf die philosophische Auffassung des Hylemorphismus, wonach die konkreten materiellen Dinge durch Materie (hyle) und Form (morphe) konstruiert sind. Die „materia prima“ (hyle prote) wird dabei als ein Grenzbegriff verstanden, der die reine Bestimmbarkeit ohne jede Bestimmung bezeichnet. Er steht im Gegensatz zur „materia secunda“, der schon geformten Materie. Die „materia prima“ ist nicht dinglich, sondern als ein metaphysisches Prinzip zu verstehen und stellt die Möglichkeitsbedingung dafür dar, dass ein und dieselbe Form vervielfacht auftreten kann.

Aristoteles verwendet den Begriff der „materia prima“ in einem doppelten Sinne. Im Rahmen seiner in der Physik behandelten Naturphilosophie versteht er darunter das erste Substrat aller Naturkörper, die der Ermöglichungsgrund ihrer Umwandlung in andere Körper ist. So interpretiert er etwa das Verdampfen des Wassers so, dass aus dem Element Wasser etwas zum Element Luft Gehöriges wird. Soll dies aber ein wirkliches Werden (genesis) der Luft aus dem Wasser sein, so darf das Wasser nicht seinem ganzen Seinsbestand nach aufhören zu sein und die Luft nicht „aus nichts" entstehen, sondern es muss ein beiden Zugrundeliegendes (hypokeimenon) angenommen werden, das identisch vom „vergehenden" Wasser in die „entstehende" Luft übergeht. Eben dies ist die „materia prima“. Sie ist „das Erste einem jeden Zugrundeliegende (hypokeimenon), aus dem etwas als in ihm schon Vorhandenen wird“ (Phys. I 9, 192a)[1].

Im Rahmen der Metaphysik geht Aristoteles bei der Bestimmung der „materia prima“ nicht vom Entstehen und Vergehen aus. Sie ist dort die reine Potenz, d.h. ein kategorial völlig unbestimmtes Seiendes. Im 7. Buch der Metaphysik bestimmt er diese Materie als das, „was an sich weder als etwas noch als Quantitatives, noch durch irgendeine andere der Aussageweisen bezeichnet wird, wodurch das Seiende bestimmt wird." Zur Begründung sagt Aristoteles: „Es gibt nämlich etwas, von dem eine jede dieser Bestimmungen ausgesagt wird und dessen Sein verschieden ist von jeder Bestimmung. Denn die anderen werden vom Wesen (usia) ausgesagt, dieses aber von der Materie“ (Met. Z 3, 1029a)[2]. Ausgangspunkt dieser Bestimmung ist die Struktur der Aussage, von der Aristoteles annimmt, dass sie die Struktur des wirklichen Seienden wiedergibt. Im Satz werden nicht nur die Akzidentien von der Substanz, sondern auch die Substanz noch von etwas ausgesagt, wie in dem Satz: „Dies da ist Wasser“. Alle Prädikate werden letztlich ausgesagt von einem letzten nicht durch Kategorien Bestimmten aber durch diese Bestimmbaren - der ersten Materie.

Ein von Aristoteles offen gelassenes und in der Philosophiegeschichte vielfach diskutiertes Problem war das Verhältnis der beiden Begriffe von der „materia prima“ - als Substrat des Werdens bzw. als reine Potenz. Die beiden Materiebegriffe unterscheiden sich bei Aristoteles vor allem hinsichtlich ihres Substanz-Seins. Während er in der Physik die „materia prima“ als „Substanz in gewisser Weise" (usia pos) bezeichnet (Phys. I, 9, 192a ), spricht er ihr in der Metaphysik (Met. Z 3) das Substanz-Sein ausdrücklich ab.

Die in der Scholastik versuchten widersprüchlichen Lösungen zur näheren Bestimmung der „materia prima“ hatten ihre Grundlage in der einseitigen Übernahme eines der beiden Materiebegriff der aristotelischen Physik oder der Metaphysik.[3]

Inhaltsverzeichnis

Literatur

Klassiker

Einführungen

  • Josef de Vries: Artikel Materie in: Grundbegriffe der Scholastik, Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 3. Aufl. 1980

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Übersetzung nach Hans Günther Zekl
  2. Übersetzung nach Hermann Bonitz
  3. Vgl. Josef de Vries: Artikel Materie in: Grundbegriffe der Scholastik, S. 65

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • matéria-prima — s. f. Substância essencial à fabricação de um produto (ex.: a lã) …   Dicionário da Língua Portuguesa

  • Materia prima — Para el grupo de música, véase Materia Prima (Grupo). Lana en una fábrica de alfombras. Se conocen como materias primas a la materia extraída de la naturaleza y que se transforma para elaborar materiales que más tarde se convertirán en bienes de… …   Wikipedia Español

  • MATERIA PRIMA — Большинство участников этого проекта начинали свою профессиональную музыкальную деятельность по свадьбам и ресторанам, но в 1988 году им это наскучило и на свет появилась рок группа с довольно помпезным названием Император . В его состав вошли… …   Русский рок. Малая энциклопедия

  • Materia Prima Art Factory — est une compagnie de théâtre physique et performance, associée au courant des arts de la rue, créée en 1992 à Nancy sous l’impulsion du plasticien, performeur et metteur en scène ODM de son vrai nom Didier Manuel. Sommaire 1 Présentation 2 Source …   Wikipédia en Français

  • Materia Prima (группа) — Materia Prima Основная информация Жанр …   Википедия

  • Materia Prima (grupo) — Este artículo o sección sobre música necesita ser wikificado con un formato acorde a las convenciones de estilo. Por favor, edítalo para que las cumpla. Mientras tanto, no elimines este aviso puesto el 2 de enero de 2008. También puedes ayudar… …   Wikipedia Español

  • materia prima o primera materia — ► locución INDUMENTARIA Y MODA Sustancia sin transformar y básica para obtener otros productos después de ser tratada: ■ el trigo es la materia prima para la fabricación del pan …   Enciclopedia Universal

  • Materia prima —         (лат. первая материя). В философии Аристотеля первая из 4 причин: вещество. Подобно тому как бесформ, глыба мрамора представляет собой чистую возможность (потенцию), которую скульптор в скульптуре приводит к осуществлению («актуальности») …   Словарь античности

  • materia prima — (Lat., first or prime matter) The primary matter is the indeterminate common nature, which needs a specific principle or form determining the substance that actually exists at any time. Prime matter is related to specific forms as potential is to …   Philosophy dictionary

  • Materia prima — Se conoce como materias primas a los materiales extraídos de la naturaleza que nos sirven para construir los bienes de consumo. Por ejemplo, madera, metal, piedra, etc. Antes de construir o fabricar definitivamente un bien de consumo, las… …   Enciclopedia Universal

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”