Mazdak

Mazdak

Die Mazdakiten (um 500) waren eine religiöse Gruppierung, die das persische Sassanidenreich über mehrere Jahre hinweg in Unruhe versetzte. Es handelt es sich bei ihnen um eines der rätselhaftesten Phänomene der spätantiken Geschichte, denn es sind fast alle entscheidenden Punkte – Namensgeber, Ziele oder die Beziehung zum persischen Großkönig Kavadh I. – umstritten. Eine sichere Rekonstruktion der tatsächlichen Vorgänge sowie der Ziele der Mazdakiten ist aufgrund der komplizierten Quellenlage fast unmöglich.

Geschichte

Schon wer Mazdak war, nach dem die Bewegung in einigen östlichen Quellen (etwa Tabari) benannt wird, und wann er lebte, ist ungewiss. War er der Anführer jener Gruppierungen, die im späten 5. Jahrhundert von sich reden machten, oder berief man sich nur auf ihn? Allem Anschein nach waren die Ideen der Mazdakiten im Kern religiöser Natur. Sie waren vom Zoroastrismus und wohl auch vom Manichäismus beeinflusst, und ihre Anhänger verstanden sich vermutlich als religiöse Erneuerer. Offenbar sahen sie weltlichen Besitz als Wurzel allen Übels; dies rief wohl zumindest in Teilen der Bewegung die Idee einer „kommunistischen“ Gütergemeinschaft hervor.

Vielleicht kam es zu einer Vermischung ursprünglich unterschiedlicher Gruppierungen zu einer einzigen, die religiöse und „sozialrevolutionäre“ Momente in sich vereinte und möglicherweise auch den Wünschen der ärmeren Bevölkerungsteile entgegenkommen wollte. Spätrömische Quellen – vor allem Prokopios von Caesarea und Agathias – berichten von der spektakulären Forderung der Mazdakiten (bzw. des Königs Kavadh) nach „Frauengemeinschaft“; dieses Element wird auch von den orientalischen Berichten erwähnt.

Sowohl der zoroastrische Klerus als auch Teile des Hochadels (aber offenbar nicht die gesamte Aristokratie, wie die Quellen suggerieren) standen den Mazdakiten feindlich gegenüber – so hätte die Frauengemeinschaft zu einer Unsicherheit der biologischen Vaterschaft geführt, was wohl das Ende des Erbadels bedeutet hätte. Die Rolle des Königs ist im Grunde völlig unklar. Die meisten Forscher glauben, Kavadh habe versucht, sich der Mazdakiten zu bedienen, um den Hochadel zu schwächen, und sei daher 496 von Adel und Priesterschaft entthront und inhaftiert worden. Nachdem Kavadh 499 seine Krone mit Hilfe der Hephthaliten wiedererlangt hatte, schweigen die Quellen lange von den Mazdakiten, doch wird meist angenommen, dass sein Sohn und Nachfolger Chosrau I. sie in den ersten Jahren seiner Regierung (also um 530) als „Manichäer“ blutig verfolgt habe. Ganz ausrotten ließ sich die Bewegung allerdings nicht.

Allerdings ist diese Rekonstruktion nicht in allen Punkten plausibel, so dass sie auf unterschiedliche Weise bezweifelt worden ist: Eine Extremposition behauptet, Mazdak sei lediglich eine Fiktion gewesen, mit der man die prominente Rolle Kavadhs später vertuscht habe. Andere Wissenschaftler meinen hingegen, es habe sich bei jenen Gruppierungen, die um 490 aufgetreten seien, nicht um die Vorgänger jener gehandelt, die dann um 530 verfolgt wurden, sondern um zwei ganz verschiedene Phänomene. Am wahrscheinlichsten ist aber wohl, dass sich der Großkönig erst nach 526 – um diese Zeit wurde der mächtige Adlige Seoses, der ein Anhänger der Mazdakiten war, entmachtet und getötet – ganz von den Mazdakiten abwandte, was die um 530 einsetzenden Verfolgungen erklären würde: Vielleicht kam es auch erst in dieser späten Phase zu einer Radikalisierung der Bewegung, zumal es anfangs auch im Hochadel durchaus „Mazdakitenfreunde“ gab - unter anderem besagten Seoses -, was eine grundsätzlich gegen die Aristokratie gerichtete Lehre der Mazdakiten zumindest für die Anfangszeit wenig wahrscheinlich macht.

Meist wird angenommen, dass Teile der Ideen der Mazdakiten nach 530 im Volk lebendig geblieben seien und in nachantiken Bewegungen – vielleicht bis hin zu den Bogomilen und Katharern – nochmals virulent geworden seien.

Sicher ist letztlich aber nur, dass Persien in den Jahren um 500 von inneren Unruhen geplagt wurde, in die auch der Großkönig verwickelt war und die in irgendeiner Weise mit einer religiös-sozialrevolutionären Bewegung zusammenhingen, die die orientalischen Quellen als Mazdakiten bezeichnen. Offenbar führten die Ereignisse letztlich zu einer Schwächung des alten Adels, was es Kavadh und Chosrau ermöglicht zu haben scheint, die Position des Königs zu stärken. Alles weitere ist nach wie vor Gegenstand gelehrter Diskussion innerhalb der althistorischen und iranistischen Forschung.

Literatur

  • H. Börm: Prokop und die Perser. Untersuchungen zu den römisch-sasanidischen Kontakten in der ausgehenden Spätantike. Stuttgart 2007, S. 230–233.
  • A. Christensen: Le règne du roi Kawadh et le communisme Mazdakite. Kopenhagen 1925.
  • P. Crone: Kavad’s heresy and Mazdak’s revolt. In: Iran 29, 1991, S. 21–42.
  • H. Gaube: Mazdak: Historical reality or invention?. In: Studia Iranica 11, 1982, S. 111–122.
  • G. Gnoli: Nuovi studi sul Mazdakismo. In: Accademia Nazionale dei Lincei (Hrsg.), La Persia e Bisanzio [Atti dei convegni Lincei 201]. Rom 2004, S. 439–456.
  • Z. Rubin: Mass Movements in Late Antiquity. In: I. Malkin/Z. Rubinsohn (Hrsg.), Leaders and Masses in the Roman World. Studies in Honor of Zvi Yavetz. Leiden/New York 1995, S. 187–191.
  • K. Schippmann: Grundzüge der Geschichte des sasanidischen Reiches. Darmstadt 1990.
  • W. Sundermann: Neue Erkenntnisse über die mazdakitische Soziallehre. In: Das Altertum 34, 3, 1988, S. 183–188.
  • Ehsan Yarshater: Mazdakism. In: Cambridge History of Iran III/2. Cambridge 1983, S. 991–1024.

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