- Mehrsprachigkeit
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Mehrsprachigkeit bezeichnet
- die Fähigkeit eines Menschen, mehr als eine Sprache zu sprechen (Multilingualismus). Siehe auch: Bilingualismus (Bilinguismus), Immersion.
- die Geltung oder verbreitete Anwendung mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft, einem Sprachgebiet oder einem Staat (Polyglossie). Siehe auch: Diglossie.
- die Verwendung mehrerer Sprachen, um Informationen für möglichst große Zahl Individuen unterschiedlicher Sprachen zugänglich zu machen, etwa auf Schildern, Hinweistafeln, Produktbeschriftungen, in Bedienungsanleitungen, sowie auf Webseiten oder in Computerpogrammen, siehe auch Übersetzung, Vielsprachigkeit, Internationalisierung und Lokalisierung.
Die Begriffe werden in alltäglicher Anwendung manchmal nicht klar unterschieden, sind in wissenschaftlichen Disziplinen jedoch genau und einander ausschließend definiert. Ein Mensch, der mehrere Sprachen spricht, wird als Polyglott bezeichnet.
Ursachen
Durch die Globalisierung werden Mehrsprachigkeit, Multilingualismus und Polyglossie zunehmend zu Schlüsselbegriffen zum Verständnis vieler gesellschaftlicher Veränderungen:
- Der globale Migrationsdruck fördert Diglossie und Polyglossie.
- Für Migranten, die in fremden Sprachgebieten wohnen, ist Bilingualismus und Multilingualismus meist lebenswichtig.
- Bilinguale und multilinguale Kompetenz ist für viele Arbeitsplätze zunehmend eine Voraussetzung.
- In der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Technik entstehen neue globale „Codes“ und Fachsprachen, oft aus Elementen des Englischen unter Hinzufügung von Elementen anderer Sprachen. Multilinguale Sprecher können durch Kenntnis der „Codes“ und „Slangs“ globaler multilingualer Netzwerke informationelle und ökonomische Vorteile erlangen. Die Vielfalt der Sprachen in heterogenen Gesellschaften ist sowohl aus ökonomischer wie aus kultureller Sicht produktiv. Daher ist Mehrsprachigkeit ein Zeichen von Normalität (vgl. Publikationen des SFB Mehrsprachigkeit der Universität Hamburg).
- Die Europäische Union fördert Mehrsprachigkeit durch eine neue Rahmenstrategie. Die Aufgabe "Bilinguism" ist Teil des Ressort der Bildungskommissarin Androulla Vassiliou.
In Reaktion auf die Globalisierungsfolgen kann es sinnvoll sein, etwa den frühen multilingualen Spracherwerb von Kleinkindern zu fördern und spezifische Phänomene wie z.B. das Code-Switching linguistisch zu erforschen. Als „code-switching“ bezeichnet man den „Wechsel zwischen verschiedenen Sprachvarietäten bei bilingualen bzw. multilingualen Sprechern je nach Erfordernissen der Kommunikationssituation“ (Bußmann 1990 und Földes 2005, S. 210 ff. als "Kode-Umschaltung"). Wurde das Phänomen früher als Defizit gesehen, so wird es heute als Fähigkeit der multilingualen Sprecher betrachtet, sich auf unterschiedliche Gesprächsmodi einstellen zu können (vgl. Chilla, Rothweilweiler und Babur).
Literatur
- Colin Baker (2007): Zweisprachigkeit zu Hause und in der Schule. Ein Handbuch für Erziehende. Engelschoff: Verlag auf dem Ruffel. ISBN 978-3-933847-11-9.
- Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4. Auflage, Verlag Kröner, Stuttgart, 2008; ISBN 3-5204-5204-9
- Jean-Louis Calvet: La guerre des langues et les politiques linguistiques, Payot, Paris, 1987 ISBN 2-228-14200-X
- S. Chilla, M. Rothweiler, E. Babur: Kindliche Mehrsprachigkeit. Grundlagen-Störungen-Diagnostik. Ernst Reinhardt, München 2010, ISBN 978-3-497-02165-9.
- Csaba Földes: Interkulturelle Linguistik: Vorüberlegungen zu Konzepten, Problemen und Desiderata. Veszprém: Universitätsverlag/Wien: Ed. Praesens 2003 (Studia Germanica Universitatis Vesprimiensis, Supplement; 1). ISBN 3-7069-0230-3 und ISBN 963-9495-20-4
- Csaba Földes: Kontaktdeutsch. Zur Theorie eines Varietätentyps unter transkulturellen Bedingungen von Mehrsprachigkeit. Tübingen: Verlag Gunter Narr 2005; ISBN 3-8233-6160-0 (Inhaltsverzeichnis und Volltext)
- Volker Hinnenkamp: Vom Umgang mit Mehrsprachigkeit, in: APuZ 8/2010, S. 27–32.
- Sabine Schrader, Christiane Maas(Hrsg.): Viele Sprachen lernen … ein notwendiges Übel? Chancen und Probleme der Mehrsprachigkeit. Leipzig: Leipziger Universitätsvlg. 2002
- Rita Zellerhoff (2009): Didaktik der Mehrsprachigkeit. Didaktische Konzepte zur Förderung der Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen, Schulformübergreifende Konzepte unter besonderer Berücksichtigung des Förderschwerpunktes Sprache, Frankfurt/M.: Peter Lang, ISBN 978-3-631-58569-6
Weblinks
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Wiktionary: Mehrsprachigkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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Commons: Mehrsprachigkeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- kindergesundheit-info.de – Mehrsprachig aufwachsen; Mehrsprachigkeit: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
- Mehrsprachigkeit als Lernziel. Über 1600 Sprachkombinationen zum kostenlosen Download
- Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen FMKS e.V.
- Zur Didaktik von Mehrsprachigkeit (eine Seite des Goethe-Instituts)
- Projekt Eurocomprehension: Nutzung der Mehrsprachigkeit zur schnelleren Erlernung des Leseverstehens
- Themenportal Mehrsprachigkeit des Goethe-Instituts
- Sonderforschungsbereich Mehrsprachigkeit
- Linguistic Diversity Management in Urban Areas - LiMA
- ORF: Indische Dreisprachigkeit: Lösung für Europa?
- Hinweise für Programmierer zur Mehrsprachigkeit von MediaWiki
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