- Menschliche Fehler
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Als menschlichen Fehler bezeichnet man Fehler, die ein Mensch durch sein Handeln (Fehlbedienung) oder durch seinen körperlich-geistigen Zustand zu verantworten hat. Fehlverhalten kann sowohl wissentlich als auch unwissentlich begangen werden.
Im Verlauf der Forschung hat sich die Definition gewandelt:
- Alte Sichtweise: Menschliche Fehler sind die Ursache eines Unfalls. Um Versagen zu erklären, muss man Fehler nachweisen. Man muss herausfinden, in welchen Situationen Menschen unzutreffende Beurteilungen, falsche Entscheidungen und schlechte Einschätzungen treffen.
- Neue Sichtweise: Menschliche Fehler sind Symptome von tieferliegenden Fehlern im System. Um Versagen zu erklären, sollte man nicht nur danach suchen, wo Menschen Fehler gemacht haben. Man muss auch danach suchen, warum die Einschätzung und Handlung von Menschen in der gegebenen Situation Sinn zu ergeben schien.
Das Gegenstück zu menschlichen Fehlern ist der technische Defekt.
Inhaltsverzeichnis
Vorkommen
Menschliche Fehler passieren in allen Lebensbereichen, Situationen und bei jedem Personenkreis.
Besonders folgenreich für Andere sind Fehler bei Maschinenführern, Anlagenbedienern oder ähnliches (Kraftwerke, Fahrzeuge, Computersysteme und medizinisches Personal); hier spielt der sogenannte Human Factor eine große Bedeutung.
Ursachen
Menschliche Fehler haben oft folgende Ursachen:
Psychisch
- mangelnde Konzentration
- mangelndes Reaktionsvermögen
- unzureichendes Situationsbewusstsein
- unsorgfältig getroffene Entscheidung, z. B. Nichteinbeziehung schwerer Nebenwirkungen beim Verabreichen eines Medikaments; vgl. Entscheidungsfindung
- Annahme falscher Ausgangslagen (z. B. Missverständnisse, falsches Verstehen von Meldungen oder Anweisungen, widersprüchliche Anweisungen, Befehlsketten, Kommunikationsprobleme - hier z. B. Unterbrechung des Informationsweges oder falsche Wahrnehmung; vgl. Wahrnehmungsfehler, Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungstäuschungen
- Leichtsinn (Verkennen/Ignorieren von Warnsignalen - „Das kann eigentlich nicht sein“ bzw. „Das wird schon irgendwie gutgehen!“; vgl. Titanic)
- Lustlosigkeit oder gar Lethargie aufgrund Aufgabe (in Extremsituationen)
- Missachtung gängiger Praxis (z. B. Regeln, Stand der Technik, übliche Vorgehensweisen)
- Überforderung respektive Stress, z. B. durch personelle Unterbesetzung
- aufgrund der Massierung an unerledigten Aufgaben (z. B. Ausfall von unterstützenden Systemen – Mensch-Maschine-Schnittstelle) – oder
- aufgrund der zeitkritischen Anzahl der Ereignisse; vgl. Zeitablauf)
- Fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten (Routine), dies triftt vor allem auf Springer, Aushilfen und auf Notlagen zu.
Körperlich
- Übermüdung (systemimmanente Selbstabschaltung bei der Sicherheitsfahrschaltung)
- Erschöpfung
- Schock
- Verletzungen
- Krankheit einschl. Schmerzen
- Einfluss berauschender oder beeinträchtigender Mittel (Alkoholisierung, Drogenrausch oder Arzneien)
Fehlerketten
Manche Fehlentscheidungen können sich durch Fehlerketten verselbständigen, d. h. Fehler – auch von technischer Seite – bedingen einander (Domino-Effekt).
(Aus)wirkungen
Viele Unglücksfälle sind auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen, zum Beispiel bedeutende Katastrophen der Seefahrt wie der Untergang der Titanic und der Unfall der Exxon Valdez vor Alaska. Menschliche Fehler haben fast immer Auswirkungen sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis.
Innenverhältnis
Die Auswirkungen im Innenverhältnis umfassen unter anderem negative Emotionen, Vorwürfe, „schlechtes Gewissen“, Traumata, Verzweiflung und im Extremfall Suizid.
Außenverhältnis
Die Auswirkungen im Außenverhältnis können unter anderem sein: Ein Unfall oder eine Katastrophe, Schadenseintritte, Umweltverschmutzung, Schuld, Strafe, Kündigung, Trennung von Partnern, Öffentlichkeit und im Extremfall Menschenleben.
Auswertung
Viele verhängnisvolle menschliche Fehler werden ausgewertet, damit sie sich durch Vorkehrungen in der Zukunft nicht wieder ereignen. Dies kann durch Fortbildung des Adressatenkreises, Modifikationen von Vorgaben bzw. technischer Abläufe oder Konstruktionen, durch Neufassung von Vorgaben sowie durch Innovationen in der Technik erreicht werden.
Rechtsfolgen
Zur Vermeidung von menschlichen Fehlern existieren sehr häufig Kontrollinstanzen und Arbeitsanweisungen, z. B. Vorschriften des Staates, der Verbände, der Berufsgenossenschaften oder der Unternehmen.
Verantwortliche können je nach Schuld und Vorwerfbarkeit einer Vielzahl von Rechtsfolgen ausgesetzt werden, z. B. zivilrechtlich und nach Sanktionsnormen. In schwerwiegenden Fällen kann durch ein Strafgericht auch ein Berufsverbot als Nebenstrafe zum Tragen kommen.
Zivilrechtlich kommt allgemein das Vertretenmüssen in Betracht. Als Folgen sind finanzielle Forderungen (Regress/Schadenersatz), Abmahnung, Kündigung von Verträgen oder auch Versetzungen denkbar. Dienstrechtlich kommen die Bestimmungen über das Verhalten (z. B. „volle Hingabe“, „Gesetzestreue“) sowie als Auswirkung beispielsweise disziplinarrechtliche Folgen in Betracht.
Im Strafrecht kommt hier die Fahrlässigkeit, ggfs. mit der Sonderform Leichtfertigkeit, zum Tragen. Es kommen insbesondere folgende Sanktionsnormen zur Anwendung: Fahrlässige Körperverletzung, Trunkenheit im Verkehr und fahrlässige Tötung.
Abgrenzung
Der Begriff Menschliches Versagen ist ein häufiges Synonym für menschliche Fehler. Er beinhaltet jedoch eine Vorverurteilung des Menschen als Ursache ohne Berücksichtigung unzureichender Technik. In vielen Fällen hat der Mensch nicht versagt, sondern war auf Grund seiner Fähigkeiten nicht in der Lage, ein von ihm oder von der Technik ausgehendes Problem rechtzeitig zu lösen.
Es gibt außerdem Auswirkungen, die sowohl auf menschliche Fehler als auch auf technische Defekte zurückzuführen sind. Da technische Defekte ihrerseits direkt oder indirekt wieder auf menschliche Fehler zurückführen (Mangelnde Wartung, mangelhafte Qualitätskontrolle, Konstruktionsfehler, ausbleibende Vor- und Nachsorge), sind also genaugenommen mit Ausnahme unvermeidlicher natürlicher Ereignisse alle Unfälle menschliche Fehler.
Ein eigenes Forschungsgebiet ist das Fehlermanagement. Es beschreibt, wie ein Mensch in einem Mensch-Maschine-System mit Fehlern, unabhängig von ihrer Ursache, umgeht. Die Fähigkeit zum Fehlermanagement ist ein wesentlicher Grund, den Menschen mit hoher Verantwortlichkeit im technischen System zu belassen. Gutes Fehlermanagement kann darüber entscheiden, ob ein -menschlicher- Fehler oder -technischer- Defekt zur Katastrophe führt oder nicht.
Literatur
- James Reason: Menschliches Versagen: psychologische Risikofaktoren und moderne Technologien. Heidelberg: Spektrum, 1994. <EST: Human error, dt.> ISBN 3-86025-098-1.
- James Reason: Human error. Cambridge: Cambridge Univ. Press 1992. ISBN 0-521-30669-8.
- Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens - Strategisches Denken in komplexen Situationen. Rowohlt, 1993. ISBN 3-499-19314-0
- Manfred Osten: Die Kunst, Fehler zu machen. Plädoyer für eine fehlerfreundliche Irrtumsgesellschaft. 106 Seiten, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2006, ISBN 978-3518417447
- Ulrich Frey: Der blinde Fleck: Kognitive Fehler in der Wissenschaft und ihre evolutionsbiologischen Grundlagen. Heusenstamm, Ontos 2007. ISBN 978-3-938793-51-0
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