Merit-Order-Effekt

Merit-Order-Effekt

Als Merit-Order bezeichnet man an der Strombörse die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke. Diese setzt sich aus am Vortag abgegebenen stündlichen Preis-Mengen-Geboten der Stromanbieter zusammen.

Die Kraftwerke erhalten beginnend mit dem niedrigsten Preis von der Börse einen Zuschlag bis die prognostizierte Nachfrage gedeckt ist. Das letzte Gebot, das noch einen Zuschlag erhält, bestimmt den Strompreis, der dann für alle zustande gekommenen Lieferverträge bezahlt wird. Der Preis für Strom wird also durch das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt, das noch benötigt wird, um die Stromnachfrage zu decken.

Merit-Order-Effekt

Als Merit-Order-Effekt bezeichnet man die Verdrängung teuer produzierender Kraftwerke durch den Markteintritt eines billigeren Kraftwerks, z. B. durch Aufschaltung eines solchen Kraftwerks auf das Netz. Die EEG-Einspeisung verändert den Merit-Order-Effekt, weil selbst zu marktgängigen Preisen produzierende konventionelle Kraftwerke durch den gesetzlich erzwungenen Markteintritt teuer produzierender Kraftwerke (namentlich Wind, Photovoltaik, Biomasse) aus dem Markt verdrängt werden. Anzumerken gilt (wenn auch ohne Wirkung auf den Merit-Order-Effekt): "Teuer" ist z. B. Windstrom nur im betriebswirtschaftlichen Sinn, weil in den Kosten konventioneller fossiler Energieerzeugung deren externe Kosten (Umweltschädigung durch CO2-Ausstoß) nicht inkludiert sind.

Merit-Order-Effekt

Aufgrund der vorrangigen EEG-Einspeisung werden nicht mehr die absolut teuersten Kraftwerke aus dem Markt genommen, sondern nur die verbliebenen teuersten konventionellen Kraftwerke. Sie werden durch zumeist teurere EEG-Kraftwerke (größtenteils Wind) ersetzt (Durchschnittspreis Windstrom 2006 in Deutschland: ca. 10€-Cent/kWh, Durchschnittspreis an der deutschen Strombörse EEX ca. 5-6 €-Cent/kWh). Der Merit-Order-Effekt postuliert, dass durch die Einspeisung von Windstrom der Strompreis an der Börse sinken kann. Dies war im Jahr 2006 bereits in einem Ausmaß der Fall, daß eine durchschnittliche Preisreduktion von 7,83 € je Megawattstunde bewirkt wurde, wie eine Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt[1]. Ein wesentlicher Faktor dafür waren die hohen Brennstoffpreise (besonders Gas). Der Strompreis sinkt dann, wenn z. B. Windstrom den Marktpreis für konventionellen Strom drückt, selber aber nur überschaubar mehr kostet, als die verdrängten Spitzenlastkraftwerke ihren Strom produzieren könnten. Aus diesem Grund kann der Merit-Order-Effekt relativ oft bei der Einspeisung von Windstrom auftreten, nahezu nie allerdings bei der Einspeisung von Solarstrom, da der aktuelle Börsenpreis für konventionell erzeugten Spitzenlaststrom Anfang 2008 bei rund 7 bis 8 Cent lag.

Folgende Grafik sollte die Wirkung des Effekts verdeutlichen. Die aggregierte Angebotfunktion (blau) bildet sich aus den Geboten einzelner Stromanbieter und entspricht im Allgemeinen deren Grenzkosten. Die am Vortag durch Schätzung ermittelte Nachfrage (grün) ist unelastisch und wird zunächst aus den Quellen nach dem EEG (zu staatlich festgesetzt hohen Preisen) befriedigt, so dass nur die Restnachfrage unter anderen, zumeist weitaus preiswerter produzierenden, Anbietern verteilt wird, wobei die teuersten nicht mehr zum Zuge kommen und der so ermittelte Strompreis um Δp sinkt.

Selbst wenn der EEG-Strom teurer ist, als die der teuersten Spitzenlastkraftwerke kann es im Durchschnitt zu einer Strompreisdämpfung kommen, sofern die Merit-Order-Kurve von der Nachfrage bei steiler Steigung geschnitten wird. Die Mehrkosten betragen die EEG-Vergütung minus den Marktwert [p_EEG-(p1+p2)/2] * [N2,N1], aber der Marktpreis reduziert sich im ganzen Intervall [0, N2] um Δp. Damit reduziert sich der Deckungsbeitrag der günstigen Grundlastkraftwerke wie z. B. Laufwasser, Atom- und Braunkohlekraftwerke, die nun bei p2 weniger Überschuss erwirtschaften als bei p1. Der Merit-Order-Effekt kann damit den Börsenpreis für Strom auf Kosten der Kraftwerksbetreiber senken.

Auswirkungen und Ziele

Die Kosteneinsparungen über den Merit-Order-Effekt der erneuerbaren Energien lagen in Deutschland nach dem Erfahrungsbericht [2] des Bundesministeriums für Umwelt im Jahre 2006 bei 5,0 Mrd. € und damit über den Mehrkosten von 3,3 Mrd. € gegenüber konventioneller Stromerzeugung. Die Berechnung des Merit-Order-Effekts der EEG-Stromerzeugung für 2006 findet sich in einer Studie [3] des Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI, Karlsruhe). Dabei wurden zwischen dem Marktwert-Effekt, dem CO2-Effekt und dem Merit-Order-Effekt auf den Strommarkt unterschieden. Zitat: “Wenn man den Marktwert der erneuerbaren Energien und das in dieser Studie bestimmte Volumen des Merit-Order-Effektes gemeinsam betrachtet, kommt es zu einer erheblichen Reduktion der durch das Erneuerbaren-Energien-Gesetz verursachten Kosten. Für das Jahr 2006 ist Summe aus Marktwert und Merit-Order-Effekt sogar höher als die gesamte EEG-Vergütungssumme.“

Wie weit diese Kosteneinsparungen der Stromversorger an die Endkunden weitergegeben wurden, bleibt offen.

Literatur


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