Micoquien

Micoquien
Micoque-Keil

Das Micoquien ist eine frühe mittelpaläolithische Industrie, die im Eem und im frühen Abschnitt der Würm- oder Weichsel-Eiszeit zu finden ist (etwa 130.000 bis 70.000 v. Chr.). Ihr Entdecker und Namensgeber war der Archäologe und Kunsthändler Otto Hauser, der den Begriff 1906 erstmals verwendete und 1916 mit einer Arbeit über die Kulturstufe des Micoquien an der Universität Erlangen promoviert wurde.[1][2][3] Hauser verkaufte damals eine große Zahl von sogenannten Micoque-Keilen, die er bei den Grabungen in La Micoque Département Dordogne in Frankreich fand, an Museen und Sammler.

Inhaltsverzeichnis

Materielle Kultur

Technologisch ist das Micoquien durch das Auftreten asymmetrischer Faustkeilformen charakterisiert, die wegen ihres stumpfen Rückens als (Keilmesser) bezeichnet werden. Die Keilmesser in ihrer typischen Form besitzen einen chronologischen Leitcharakter. Andere Werkzeuge des Micoquien, wie Schaber und kleine Faustkeile, weisen sowohl Ähnlichkeiten zum Spät-Acheuléen als auch zum Moustérien auf. Die speziell geformten Faustkeile der Fundstelle La Micoque weisen oft eine abgerundete, talonförmige Basis auf und werden „Micoque-Keile“ genannt (siehe Abbildung).

Micoquien-Begriff heute

Problematisch am Terminus Micoquien ist, dass spätere Grabungen die wesentlich ältere Zeitstellung der Micoque-Keile offenbart haben, die nun in die Riss-Eiszeit datieren.[4][5] Bereits 1932 wies Henri Breuil die von Otto Hauser als „Schicht 6“ bezeichnete Micoquien-Schicht erstmals dem Acheuléen zu. Da sich die Keilmesserinventare ansonsten zunehmend als späteste Stufe des Acheuléen herausstelllten, ist die ursprünglich von Hauser propagierte Typuslokalität chronologisch eher ungeeignet. Daher wird von einigen Archäologen für den chronologisch unscharfen Begriff Micoquien heute stattdessen der Terminus Keilmessergruppen verwendet.[6] Der Begriff Keilmessergruppen spiegelt zudem das Verbreitungsgebiet in Mittel- und Osteuropa wider, das damit vom gleichzeitigen Micoquien Südwestfrankreichs geographisch abgegrenzt wird. Wichtige Fundstellen in Deutschland sind die Balver Höhle (Nordrhein-Westfalen) oder der Bockstein im Lonetal (Baden-Württemberg).

Literatur

  • Debénath, A.; Rigaud, J.-Ph., Le gisement de La Micoque.- in: Rigaud, J.-Ph. (dir.): Informations archéologiques: circonscription d'Aquitaine; Gallia Préhist. 29 (1986). Paris (CNRS). S. 236-237
  • Debénath, A.; Rigaud, J.-Ph., La Micoque. Gallia Informations Préhistoire et Histoire 1 (1991). Paris (CNRS), S. 21-25
  • Peyrony, D., La Micoque et ses diverses industries. XVe Congrès International d'Anthropologie et d'Archéologie Préhistorique (suite), Ve Session de l'Institut International d'Anthropologie; Paris 20-27 Septembre 1931; Librairie E. Nourry, Paris (1933). S. 1-6
  • Peyrony, D., La Micoque. Les fouilles récentes. Leur signification. Bulletin de la Société Préhistorique Française 35 (1938). S. 121, 257-288

Einzelnachweise

  1. Otto Hauser, La Micoque (Dordogne), und ihre Resultate für die Kenntnis der paläolithischen Kultur. (1. Teil), Basel (1906-1907).
  2. Otto Hauser, Über eine neue Chronologie des mittleren Paläolithikums im Vézèretal. Dissertation an der Universität Erlangen (1916)
  3. Otto Hauser, La Micoque, die Kultur einer neuen Diluvialrasse. Leipzig (1916)
  4. Rolland, N., Recent Findings from La Micoque and other Sites in South-Western and Mediterranean France: Their Bearing on the "Tayacian" Problem and Middle Palaeolithic Emergence.- In: Bailey and Callow (Ed.): Stone Age Prehistory. Studies in Memory of Charles McBurney; Cambridge University Press, Cambridge(1986). S. 121-151
  5. Gaelle Rosendahl, La Micoque und das Micoquien in den altsteinzeitlichen Sammlungen des Reiss-Museums Mannheim. Mannheimer Geschichtsblätter N. F. 6(1999), S. 315-351
  6. Olaf Jöris, Zur chronostratigraphischen Stellung der spätmittelpaläolithischen Keilmessergruppen. Der Versuch einer kulturgeographischen Abgrenzung einer mittelpaläolithischen Formengruppe und ihr europäischer Kontext. Ber. Röm.-German. Kommission 84 (2003), S. 49 ff.

Weblinks


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