Acheuleen

Acheuleen

Das Acheuléen ist eine Periode der Altsteinzeit (Paläolithikum).

Leitform des Acheuléen ist der Faustkeil, der in Afrika vor etwa 1,5 Millionen Jahren (Altsteinzeit) erstmals auftritt, in Europa allerdings deutlich später. Hersteller waren wahrscheinlich die Hominini-Arten Homo habilis, Homo rudolfensis und Homo ergaster / Homo erectus. Faustkeile kommen weltweit vor, außer in China. Neben Faustkeilen gibt es noch andere Gerätegruppen, wie große Hackmesser (cleaver) und einfache Abschläge.

Das Acheuléen gilt als Kultur. Da aber kaum mehr als die Steinartefakte bekannt sind, spricht man auch von einer Acheuléen-„Industrie“.

Älter als die Steingeräte des Acheuléen sind nur die einfachen Geröllgeräte des Oldowan.

Inhaltsverzeichnis

Forschungsgeschichte

Namensgebend ist der französische erste Fundort eines Faustkeils, Saint-Acheul, ein Vorort von Amiens. An dieser Stelle befindet sich heute der Archäologische Garten von Saint-Acheul. Der ca. 500.000 Jahre alte Fundplatz wurde 1859 von Boucher de Perthes entdeckt. 1872 schuf Gabriel de Mortillet anhand von namengebenden Fundstellen in Frankreich eine Klassifizierung und Nomenklatur der Perioden des Paläolithikums unter Einbeziehung des Acheuléens. Das europäische Acheuléen (ab ca. 500 000 vor heute) wurde 1924 von Hugo Obermaier in Alt- und Jung-Acheuléen geteilt (Grenze bei ca. 300 000 vor heute). Klaus Günther führte 1964 zusätzlich das Spätacheuléen ein. Heute gilt eine (chronologisch nicht klar fassbare Unterteilung) in Alt-, Mittel- und Jung-Acheuléen. Besonders das Ende des Acheuléens ist unklar umrissen. So zeigt sich, dass viele Inventare der 1967 von Gerhard Bosinski eingeführten „Lebenstedter Gruppe“ des Jungacheuléen heute in die mittlere Würmeiszeit bzw. Weichseleiszeit (60-50 000 vor heute) zu datieren sind. Seit ca. 100 000 vor heute bestehen fließende Grenzen des Acheuléen zum Mousterien de tradition Acheuléen (z.B. Fundstelle Ochtmissen bei Lüneburg) und dem Micoquien (z.B. Fundstelle Salzgitter-Lebenstedt). Hauptcharakteristikum ist stets das Vorhandensein von Faustkeilen, verbunden mit einer großformatigen Abschlag-Industrie mit Schabern. Sowohl die evolutionistische Sichtweise eines primitiven Acheuléen (Abbevillien oder Protoacheuléen), als auch die Gegenüberstellung faustkeilfreier Inventare als Clactonien sind heute überholt. Obwohl ein genereller Entwicklungstrend zu regelmäßigen und dünneren Faustkeilen besteht, kommen diese vereinzelt schon ca. 500 000 v.h. vor (z.B. Boxgrove, England).

Acheuléen Industrie

Typischer bifacialer (das heißt beidseitig bearbeiteter) Faustkeil des Acheuléen

Alt-Acheuléen

Auch im Alt-Acheuléen sind die Werkzeuge noch den Chopper bzw. Chopping Tools zuzuordnen. Zum Teil treten jedoch schon weiterentwickelte Geräte auf, sogenannte Protofaustkeile. Aus dem Alt-Acheuléen haben sich nur wenige Funde erhalten, es trat in Europa erstmals während des Mindel-Riß-Interglazials auf, die Mehrzahl der Fundorte dürfte durch Solifluktion des Riß zerstört worden sein.

Die neue und wichtigste Form für das Acheuléen ist der Faustkeil. Er stellt eine wichtige Entwicklungsstufe in der Herstellung von Werkzeugen dar. Die Faustkeile des Archeuléen sind in der Regel beidseitig (bifacial) bearbeitet. Erstmals wurden für einzelne Tätigkeiten spezialisierte Typen hergestellt. Faustkeile stellen jedoch nur einen geringen Teil der gefundenen Artefakte für das Acheuléen dar. Weitaus häufiger sind Abschläge und daraus gearbeitete Geräte (z. B. Schaber).

Faustkeil aus Saint-Acheul

Mittel-Acheuléen

Im Mittel-Acheuléen verbessert sich die Fundlage, neue und besser bearbeitete Geräte wurden gefunden. Die Faustkeile sind lanzenförmig, die Abschlaggeräte zahlreich, es finden sich Schaber, Spitzen, gezähnte Werkzeuge und Bohrer. Bereits ab dem mittleren Acheuléen wurden vereinzelt Geräte in der sogenannten Levallois-Technik (Schildkern-Technik) hergestellt,[1] die für das Mittelpaläolithikum typisch werden. Das Mittel-Acheuléen ist in Westeuropa weit verbreitet, Funde gibt es aus ganz Frankreich, England (Swanscombe, dort wurden auch Schädelbruchstücke gefunden) und Belgien.

Jung-Acheuléen

In die Zeit des Jungacheuléen – es beginnt in der späten Riß-Zeit und endet zu Beginn der Würmeiszeit – fällt der Übergang vom Homo erectus zum Neanderthaler. Die hergestellten Werkzeuge gewannen weiter an Qualität. Es treten lanzenförmige, aber auch herz- und mandelförmige Faustkeile auf, die sich durch fein herausgearbeitete Spitzen und geradlinige Seitenkanten auszeichnen. Die teilweise über die reine Funktionalität hinaus gestalteten Faustkeile werden als Anzeichen ästhetischen Empfindens interpretiert. Die mit Levalloistechnik bearbeiteten Geräte verbreiten sich schnell. Abschlaggeräte sind oft vom typischen Moustérien kaum noch zu unterscheiden. Funde gibt es aus Frankreich, England, Belgien, Portugal und Spanien.

Die letzte Stufe, das Spätacheuléen, ist zum Teil bereits zeitgleich mit den folgenden Stufen des Micoquien bzw. des Moustérien. Zeitgleich zum Acheuléen finden sich die Kulturen des Clactonien und des Tayacien.

Die Welt im Acheuléen Mitteleuropas

Das europäische Acheuléen begann in der zweiten Eiszeit vor etwa 1,5 Millionen Jahren und setzte sich bis in die dritte Eiszeit fort. Über die Lebensweise des Homo erectus geben die Fundplätze des Acheuléen Auskunft. Die meisten Fundstellen finden sich unter freiem Himmel am Ufer von Gewässern und auf Anhöhen. Erst später wurden zunehmend auch Höhlen bewohnt. Erste Spuren der Nutzung des Feuers finden sich aus der Mindel-Kaltzeit. Größeres Wild (z. B. Rhinoceros mercki, Elephas antiquus) wurde bereits regelmäßig gejagt, wie man aus dem recht häufigen Fund von Knochen zusammen mit Werkzeugen des Acheuléen erkennen kann. Gräber haben sich nicht erhalten, man weiß auch nichts über die soziale Organisation oder religiöse Ansichten der damaligen Menschen.

Wichtige Hominidenfunde

Fundplätze in Deutschland

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joachim Hahn: Südeuropa und Nordafrika. In: O. Bar-Yosef u.a: Neue Forschungen zur Altsteinzeit (= Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäologie, Band 4). Verlag C.H. Beck, München 1984) S. 50ff.

Literatur

  • Baumann, W.; Mania, D.; Toepfer, V. & Eissmann, L. (1983): Die paläolithischen Neufunde von Markkleeberg bei Leipzig. Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden 16. Berlin.
  • Bernhardt, W. & A. Rudolph (1995), Die mittelpaläolithischen Steinartefakte der Sammlung F. Mann im Naturkundemuseum Leipzig. – In: Veröffentlichungen des Naturkundemuseums Leipzig 13, 1-22.
  • Bosinski, G. (1967): Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa. Fundamenta A/4. Köln & Graz.
  • Bosinski, G. (1999): Das Mittelpaläolithikum: Steinbearbeitung – Steinwerkzeugformen und Formengruppen – Bearbeitung von Holz, Knochen und Geweih – Schmuck. In: E.-B.Krause (Hrsg.): Die Neandertaler. Feuer im Eis. 250.000 Jahre europäische Geschichte. Gelsenkirchen, 74-104.
  • Eissmann, L. et al. (1996), Die paläolithischen Steinartefakte aus dem Tagebau Cospuden bei Leipzig. – In: Veröffentlichungen des Naturkundemuseum Leipzig 14, 1-23.
  • Eissmann, L., Bernhardt, W. & A. Rudolph (1995), Die Acheuléenfunde von Eythra bei Leipzig. Arch. Korr. 25, 275-289.
  • Hahn, J. (1991), Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie. Archaeologica Venatoria 10.
  • Steguweit, L. (1998), Neue Untersuchungen am mittelpleistozänen Flintinventar von Lübbow. Ldkr. Lüchow-Dannenberg. Die Kunde N.F. 49, 1-40.

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