Minderheitskabinett

Minderheitskabinett

Als Minderheitskabinett wird eine demokratische Regierungsform genannt, bei der die in der Regierung vertretenen Parteien im Parlament keine Mehrheit haben. Sie ist in ein häufiger Ausweg aus politischen Pattstellungen oder aus Regierungskrisen, wenn

  1. Parlamentswahlen zwei annähernd gleichgewichtige politische Lager ergeben haben (häufig bei proportionalem Wahlrecht, seltener bei Mehrheitswahlrecht),
  2. setzt aber voraus, dass die Opposition keine Parlamentsmehrheit hat;
  3. wenn eine bisherige Regierungspartei zwar aus dem Kabinett ausscheidet, aber ihre politische Richtung weiterhin mit der des Regierungschefs kompatibel ist, oder
  4. wenn die nächsten Gesetzesinitiativen eine jeweils dem Fall entsprechende Mehrheit erwarten lassen.

Ein Minderheitskabinett wird im Regelfall – nach Absprache mit dem Staatspräsidenten – vom Vorsitzenden der stärksten Parlamentspartei gebildet. Manchmal auch schon kurz nach Parlamentswahlen, wenn diese keine klaren Mehrheiten ergeben haben und es für die stärkste Partei schwierig ist, sich mit anderen auf ein gemeinsames Regierungsprogramm zu einigen. Eine Einigung auf Teile davon kann dennoch eine stabile Regierung erwarten lassen.

Manchmal wird das Minderheitskabinett von großen Parteien auch aus politischer Taktik gebildet, um sich – z. B. als neuer Regierungschef – für die nächsten Wahlen profilieren zu können.

Der obgenannte Fall (1) wird auch Tolerierung des Minderheitskabinetts genannt und kann durch einen zwischen den Parteien verhandelten Vertrag abgesichert sein. Eine diesbezüglich besonders wichtige Thematik ist der Staatshaushalt, dessen Beschluss rechtzeitig (meist im Sommer oder Herbst) zustande kommen muss.

In manchen Staaten mit großem Parteienspektrum und auch in den nordischen Staaten gehören Minderheitskabinette zum politischen Alltag, während sie in anderen Staaten nur als Notlösung betrachtet werden. Um dauerhaft regieren zu können, müssen sich die Minister sicher sein, für ihre künftigen Initiativen im Parlament jeweils eine dem Thema entsprechende Mehrheit finden zu können.

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