- Mozart-Effekt
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Als Mozart-Effekt wird die Hypothese bezeichnet, dass sich das räumliche Vorstellungsvermögen durch das Hören klassischer Musik, insbesondere der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, verbessert.
Die Hypothese geht auf eine Forschungsarbeit der University of California, Irvine zurück, deren Ergebnisse 1993 in der renommierten Fachzeitschrift nature veröffentlicht wurden. In dem Aufsatz berichtet die Forschergruppe von verbesserten IQ-Test-Leistungen nach dem Hören von Mozart-Musik. Der Name „Mozart-Effekt" entstand erst in der Berichterstattung über die Studie und wurde später patentiert von Don Campbell.
Inhaltsverzeichnis
Music and spatial task performance
In ihrem Aufsatz mit dem Namen „Music and spatial task performance“ berichtet die Forschergruppe Frances Rauscher, Gordon Shaw und Katherine Ky vom Center for Neurobiology of Learning and Memory an der University of California, Irvine von einem Experiment, bei dem 36 Studenten jeweils einen Teil des Stanford-Binet-Intelligenztests mit räumlichen Aufgaben machten, nachdem sie 10 Minuten Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur oder Anweisungen einer Entspannungs-CD oder 10 Minuten lang Stille ausgesetzt waren. Im Intelligenztest schnitten die Studenten nach dem Hören von Mozart durchschnittlich 8-9 IQ-Punkte besser ab als nach dem Hören der anderen beiden Bedingungen. Obwohl die Autoren in ihrer Studie betonten, dass die Leistungssteigerung nur 10-15 Minuten anhielt und noch zu testen wäre, ob die Leistungssteigerung auch für andere kognitive Fähigkeiten und bei anderer Musik zu beobachten wäre, fand die Studie in verkürzter Form schnell Einzug in amerikanische Zeitungen und Bildungspolitik. Während in der New York Times verkündet wurde, dass Mozart nun Beethoven den Rang abgelaufen habe, da Mozarts Musik intelligenter mache, veranlasste der Gouverneur von Georgia, dass jede Mutter eines Neugeborenen eine Klassik-CD geschenkt bekomme. Und in Florida wurde gesetzlich erlassen, dass in öffentlichen Kindergärten täglich eine Stunde Klassik gehört werden sollte. In den Regalen kam der Mozart-Effekt spätestens mit dem populärwissenschaftlichen Buch mit dem für sich sprechenden Titel „Mozart Effect: Tapping the Power of Music to Heal the Body, Strengthen the Mind and Unlock the Creative Spirit“ von Don Campbell sowie zahlreichen Mozart-Effekt-CDs an. Don Campbell meldete für den Begriff „Mozart-Effect" ein Patent an.
Folgestudien
Wissenschaftlich betrachtet erfuhr der Mozart-Effekt jedoch keine solche Erfolgsgeschichte. In den Neunzigern versuchten einige Forscherteams, die Ergebnisse von Rauscher et. al. zu replizieren und zu systematisieren, was jedoch nicht immer gelang. Frances Rauscher selbst veröffentlicht bis heute zum Thema und verteidigt ihre Entdeckung vehement mit verschiedenen Folgestudien, darunter unter anderem eine, nach welcher ein Effekt nur bei Mozart und nicht bei Philip Glass gemessen werden konnte, und eine, die bessere Leistungen bei mit Mozart beschallten Ratten zeigte.
In der Sektion „Scientific Correspondence“ von Nature erschienen 1999 drei Positionen zum Thema „Prelude or requiem for the 'Mozart effect'“. Christopher Chabris legte hier eine Metaanalyse von 16 Studien vor mit dem Ergebnis, dass der Mozart-Effekt höchstens eine kleine, temporäre Verbesserung bringe und simpel mit der Arousal-and-mood-Hypothese zu erklären sei. Arousal bezeichnet den Erregungszustand, der laut Chabris in der rechten Hirnhemisphäre eintreten würde und in Kombination mit der guten Stimmung aufgrund von angenehm empfundener Musik das Lösen räumlicher Aufgaben erleichtern würde. Eine Forschergruppe um Kenneth Steele beschrieb eine Seite weiter, dass es ihnen nicht geglückt sei, die Ergebnisse von Rauscher zu replizieren, weshalb sie vorschlagen, von einem Requiem für den Mozart-Effekt zu sprechen. Wieder eine Seite später verteidigt Frances Rauscher ihre Ergebnisse und führt ihre Ratten-Studie an, die wiederum später von Steele zurückgewiesen wird mit dem Hinweis, dass das Gehör von Ratten Töne erst ab dem zweigestrichenen C wahrnehmen könne und somit von der Musik Mozarts wenig bei den Tieren ankäme.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2000 von Lois Hetland findet einen mittleren Effekt auf die Leistungen in räumlichen Aufgaben.
In Zweifel gezogen werden die positiven Befunde zum Mozart-Effekt von drei Studien, die in einem Artikel von George S. Howard und Kollegen im Jahr 2009 dargestellt werden. In diesem Artikel über die Frage nach der Korrektheit wissenschaftlicher Publikationen und Metaanalysen in der Psychologie berichten sie, drei neue Studien zu dem Thema durchgeführt zu haben, die sich an der Methodologie der bisherigen Studien orientieren, von denen keine einen positiven Effekt von Mozart auf die räumliche Leistungsfähigkeit zeigen konnte. Daher schließen sie, dass die bisherigen Metaanalysen möglicherweise einem Publikationsbias unterlegen haben könnten und raten daher zu weiteren Studienreihen bei denen ein Publikationbias auszuschließen ist.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Evidenz bisher nicht ausreichend ist (vor allem unter Betrachtung der neueren Befunde um Howard), um zu dem Schluss zu gelangen, dass das Hören von Mozart zu einer Verbesserung der Leistung führen kann.
Literatur
- BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.): Macht Mozart schlau? Die Förderung kognitiver Kompetenzen durch Musik (Bildungsforschung Band 18), Bonn, Berlin 2006 (PDF)
- Hetland, Lois: Listening to music enhances spatial-temporal reasoning: evidence for the "Mozart Effect". In: Journal of Aesthetic Education 34. 2000,3/4. S. 105-148
- Howard, George S.; Lau, Michael Y.; Maxwell, Scott E.; Venter, André; Lundy, Rae; Sweeny, Ryan M. (2009). Do research literatures give correct answers? Review of General Psychology, 2009, 13(2), 116-121.
- Vesna J. Ivanov und John G. Geake: The Mozart effect and primary school children. In: Psychology of Music 31. 2003,4. S. 405-413
- Catherine S. Jackson und Michael Tlauka: Route-learning and the Mozart effect. In: Psychology of Music 32. 2004,2. S. 213-220
- Peter Markl: Doch noch kein Requiem für den "Mozart-Effekt?" In: Österreichische Musikzeitschrift 61. 2006,1/2. S. 38-47
- Rauscher, Frances H.: Prelude or requiem for the Mozart effect?, in: Nature Vol. 400, 26. August 1999, S. 827–828
- Rauscher, Frances H.; SHAW, Gordon L.; KY, Katherine N.: Music and spatial task performance, in: Nature Vol. 365, 14. Oktober 1993, S. 611
- Schellenberg, E.G. (2006). Long-term positive associations between music lessons and IQ. Journal of Educational Psychology, 98, 457-468.
- Waterhouse, Lynn. (2006). Multiple Intelligences, the Mozart Effect, and Emotional Intelligence: A critical review. Educational Psychologist, 41, 207-225.
Weblinks
- Petra Jansen-Osmann: Der Mozart-Effekt, eine wissenschaftliche Legende? (PDF; 535 kB)
- music-journal.com – Fact versus fiction: The "Mozart Effect"
- orf.at – Streit um Mozart-Effekt (abgerufen am 5. Mai 2010)
- orf.at – Den "Mozart-Effekt" gibt es nicht, Zusammenfassung der bisher größten Meta-Analyse (vom 4. Mai 2010)
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