Mutolo

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Gaspare Mutolo (* 5. Februar 1940 in Palermo) ist ein ehemaliger sizilianischer Mafioso und Drogenhändler. 1992 wurde er zum „Pentito“ und Kronzeugen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gaspare Mutolo wuchs in Pallavacino und Partanna Mondello in Palermo auf. Er arbeitete als Mechaniker und beging Autodiebstähle. Zu dieser Zeit hatte er bereits Verbindungen zur Cosa Nostra, denn in seiner Familie gab es bereits "Ehrenmänner". 1965 wurde er zum ersten Mal verhaftet; im Palermoer Ucciardone-Gefängnis teilte er eine Zelle mit Salvatore Riina, einem bedeutenden Mafioso aus Corleone. Mutolo begriff, dass Riina eine wichtige Machtposition innehatte und versuchte, die Sympathie Riinas zu gewinnen, beispielsweise indem er ihn beim Kartenspiel gewinnen ließ. Dies war erfolgreich und Mutolo durfte Riina bei dessen täglichem Spaziergang im Gefängnishof begleiten, was Mutolo als große Ehre empfand. Riina begann Mutolo auszufragen über dessen kriminelle Aktivitäten; anschließend empfahl er Mutolo das Buch "I Beati Paoli", welches auf das Selbstverständnis der Ehrenmänner großen Einfluss hatte. Als Mutolo in ein Gefängnis im Landesinneren Siziliens verlegt wurde, gab ihm Riina einen Zettel für den Direktor mit; hierdurch wurde Mutolo in der Folge zu jeder Zeit exzellent behandelt und erhielt Sonderrechte im Gefängnis.[1] 1973 wurde der inzwischen freigelassene Mutolo in die Cosa Nostra aufgenommen. Er trat der Familie von Partanna-Mondello bei, die von Rosario Riccobono geleitet wurde. In Neapel und Palermo arbeitete er eine Zeitlang als Fahrer von Riina, dessen Vertrauen er seit dem gemeinsamen Gefängnisaufenthalt genoss. Innerhalb seiner Familie avancierte Mutolo zur rechten Hand von Riccobono. 1976 wurde Mutolo erneut verhaftet. Er teilte diesmal zeitweise eine Zelle mit dem alten Boss der Corleonesi, Luciano Liggio, der sich seit 1974 in Haft befand.

Dank seiner engen Beziehungen zu den Corleonesi überlebte er den Zweiten Mafiakrieg von 1981 bis 1983, in dem die Corleonesi die absolute Herrschaft über die Mafia von Sizilien errangen und alle ihre Gegner ausschalteten. Mutolos Boss Riccobono und viele seiner Anhänger wurden dagegen im Auftrag Riinas ermordet, obwohl sich Riccobono zu Beginn des Krieges auf die Seite der Corleoneser geschlagen und seine früheren Verbündeten verraten hatte. Riccobono selbst wurde angeblich im Anschluss an ein Gelage in der Villa von Bernardo Brusca kurz vor Weihnachten 1982 von Toto Riina selbst erwürgt.

Als Mutolo wieder auf freien Fuß kam, stieg er erneut in großem Ausmaß in den Heroinhandel ein und organisierte den Transport von Heroin in die USA. 1981 organisierte er den Transport von 400 Kilo Heroin nach Venezuela und in die USA. In den USA wurde die Hälfte der Lieferung von der New Yorker Gambino-Familie entgegengenommen, die andere Hälfte ging an die sizilianische Cuntrera-Caruana-Familie in Venezuela. Durch die Ermittlungen des Untersuchungsrichters Giovanni Falcone gegen den sizilianischen Teil der Pizza Connection geriet auch Mutolo ins Blickfeld der Ermittler. Sein Telefon wurde nun abgehört und 1982 wurde er, kurz bevor er eine weitere große Lieferung organisieren konnte, verhaftet. Im sogenannten Maxi-Prozess von 1986/1987 wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt. Ab Ende 1991 begann er laut eigener Aussage darüber nachzudenken, mit dem Staat zu kooperieren und ein Pentito (it: Reuiger) zu werden. Im Frühjahr 1992 kontaktierte er die Behörden und ließ seine Aussagewilligkeit erkennen; er bestand darauf, entweder von Giovanni Falcone oder Paolo Borsellino verhört zu werden, die er selbst aus eigener Erfahrung als unbestechliche Vertreter des Gesetzes kennengelernt hatte. Da Falcone zu dieser Zeit nicht mehr Richter sondern im Justizministerium tätig war, wurde er ab dem Mai 1992 von Untersuchungsrichter Borsellino vernommen. Borsellino wurde jedoch - wie kurz zuvor auch Giovanni Falcone - am 19. Juli 1992 gemeinsam mit fünf von seinen Leibwächtern von der Cosa Nostra durch eine Autobombe ermordet. Mutolo ließ sich davon aber nicht einschüchtern, sondern sagte jetzt noch vorbehaltloser aus und durch seine Aussagen und die eines anderen Pentiti, Giuseppe Marchese, konnten im Mai 1993 56 Verdächtige verhaftet werden. Mutolo war der wohl wichtigste Pentito seit Francesco Marino Mannoia 1989 sich offenbart hatte.

Mutolo belastete in Aussagen viele Politiker und Vertreter des Staates schwer: Der Geheimdienstler Bruno Contrada wurde aufgrund seiner Aussagen verhaftet; den ehemaligen 7-fachen Premierminister Giulio Andreotti, die ehemaligen Bürgermeister von Palermo Salvatore Lima und Vito Ciancimino sowie die Gebrüder Salvo beschuldigte er ebenfalls, mit der Mafia zusammengearbeitet zu haben. Auch die inzwischen ermordeten Bankiers Michele Sindona (der "Retter der Lira" laut Giulio Andreotti) und Roberto Calvi belastete er. Zudem sagte er aus, der 1970 ermordete Journalist Mauro De Mauro sei im Auftrag des Anführers der `mafia perdente´ (der im Zweiten Mafiakrieg unterlegenen Mafia), Stefano Bontade, entführt und später ermordet worden, weil er brisante Fakten recherchiert hatte. Den Richter Corrado Carnevale nannte er die beste Versicherung der Cosa Nostra gegen Verurteilungen; Carnevale war als „Urteilskiller“ bekannt, da mehrfach Urteile gegen Schwerverbrecher wegen kleinster Formfehler aufgehoben hatte. Auch klagte er Domenico Signorino an, Kontakte zu „gewissen Kreisen, die ich gut kenne“ zu haben. Signorino war im Maxi-Prozess einer der Anklagevertreter gewesen und hatte u.a. 20-mal lebenslänglich gefordert, was Mutolos Anschuldigung als zweifelhaft erscheinen ließ. Signorino beging kurz darauf Selbstmord; dies führte zu einer kontrovers geführten medialen Debatte über die öffentliche Enthüllung von Aussagen der Pentiti und den möglichen unabsehbaren Folgen. Nach der Verhaftung Riinas im Januar 1993 gab Mutolo erneute Aussagen zu Protokoll; er warnte die Behörden vor kommenden schweren Anschlägen der Corleoneser auf dem italienischen Festland. Diese Anschläge ereigneten sich wirklich kurz darauf in Florenz, Rom und Mailand. Selbst gestand Mutolo über 20 Morde.

Gaspare Mutolo lebt gegenwärtig mit seiner Familie unter dem Schutz des italienischen Zeugenschutzprogramms an einem unbekanntem Ort. Nach der Verhaftung vom „Boss der Bosse“ Bernardo Provenzano im Jahr 2006 äußerte sich Mutolo so: "Wenn der Papst stirbt, kann man immer einen neuen wählen und auf diese Weise bleibt die Kirche stabil."

Weblinks

Literatur

  • Dickie, John: Cosa Nostra - Die Geschichte der Mafia. S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17106-4
  • Salvatore Lupo: Die Geschichte der Mafia, Patmos Verlag, Düsseldorf 2002 ISBN 3-491-96152-1 - Die Geschichte der Cosa Nostra
  • Stille, Alexander Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik C.H.Beck Verlag, München,1995 ISBN 3-406-42303-5

Einzelnachweise

  1. John Follain: The last Godfathers, Hodder&Stoughton, London 2008 ISBN 978-0-340-97919-8

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