Männerwohnheim Meldemannstraße

Männerwohnheim Meldemannstraße
Vorderansicht

Das Männerwohnheim in der Meldemannstraße 27 war von 1905 bis 2003 ein Obdachlosenasyl in Wien im 20. Gemeindebezirk Brigittenau. Bekannt wurde es, weil dort von 1910 bis 1913 Adolf Hitler gewohnt hatte.

Inhaltsverzeichnis

Das Männerheim um 1910

Rückansicht von Pasettistraße
Seitenansicht von Stromstraße

Das sechsstöckige Männerheim gehörte bei seiner Einweihung 1905 zu den modernsten Europas.[1] Finanziert wurde es vom „Kaiser Franz Joseph I.-Jubiläumsfonds für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen“, einer durch private Spenden getragenen Stiftung. Verwaltet wurde es von der Stadt Wien. Die Leitung des Hauses erledigte ein Verwalter, der im Haus selbst wohnte (während Hitlers Wohnzeit im Heim waren dies Johann Kanya beziehungsweise Robert Schaffer).

Ziel des neuen Männerheims war es, die Zahl der Bettgeher zu verringern und die Moral der Gastfamilien zu schützen, die man für gefährdet hielt. 1910 gab es in Wien 80.000 Bettgeher.

Es hatte Gasbeleuchtung und zusätzlich als besonderen Komfort elektrische Glühlampen. Geheizt wurde mit einer modernen Dampfniederdruckheizung.

Im Erdgeschoss lagen der Speisesaal, ein Lesezimmer mit Tageszeitungen und einer Raucher- und Nichtraucherabteilung und eine Bibliothek. Im Keller gab es einen Kleider- und Schuhputzraum, einen Gepäckraum, einen Fahrradkeller, sowie eine Schuster- und Schneiderwerkstatt. Es gab ein Krankenzimmer mit einem Hausarzt und eine Desinfektionskammer zur Entlausung der Neuankömmlinge. Zusätzlich zu Waschräumen und Rasierzimmer wurde den Heimbewohnern eine Badeanlage mit 16 Brausen und 4 Wannen geboten.

Für Selbstversorger gab es Kochnischen mit Gaskocher und Geschirr.

Der Schlaftrakt lag in den oberen vier Etagen. Er wurde abends um 8 Uhr geöffnet und musste gegen 9 Uhr morgens wieder geräumt werden. Das Heim hatte statt eines Massenschlafsaals Einzelkabinen für jeden der 544 Gäste. Die einzelnen Schlafabteile waren 1,4 Meter breit und 2,17 Meter lang. Darin stand ein Bett, ein Tischchen, ein Kleiderständer und ein Spiegel. Jede Koje hatte eine abschließbare Tür und als besonderen Luxus eine Glühbirne.

Die Miete betrug wöchentlich 2,50 Kronen und orientierte sich an der durchschnittlichen Miete, die ein Bettgeher in Wien zu dieser Zeit für einen Schlafplatz zahlen musste. Für einen alleinstehenden Hilfsarbeiter oder Handwerksgesellen mit einem Jahreseinkommen von 1000 Kronen war das Männerheim somit eine äußerst günstige Bleibe. In der Presse wurde es dementsprechend als „Märchen von einer himmlischen Unterkunft auf Erden“ und als „Wunder an Eleganz und Billigkeit“ gepriesen.

Adolf Hitler im Männerwohnheim

Seitenansicht von Winarskystraße

Adolf Hitler wohnte drei Jahre in diesem Männerheim, laut polizeilichem Melderegister vom 9. Februar 1910 bis 24. Mai 1913. Dann zog er nach München um.[2]

Morgens las er regelmäßig in der Nichtraucherabteilung des Lesesaals die Zeitungen. Dort malte er auch seine Bilder, diskutierte mit den Heimbewohnern politische Themen und hielt Reden.[3]

Verschiedene Bewohner des Männerwohnheims verfassten später Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Hitler, namentlich der Landstreicher und Gelegenheitsarbeiter Reinhold Hanisch, dessen Bericht 1939 postum von der amerikanischen Zeitung The New Republican veröffentlicht wurde, ein Mann namens Karl Honisch der 1938 einen Bericht für das Parteiarchiv der NSDAP in München niederschrieb, der Gelegenheitsarbeiter Josef Greiner, der 1938 und 1947 dünne Erinnerungsbücher präsentierte sowie ein, in der Forschung meist als "Brünner Anonymus" bezeichneter Unbekannter, dessen Erinnerungen in den 1930er Jahren in einer tschechischen Zeitung erschienen. Weitere Bewohner des Männerwohnheims, zu denen Hitler während seines Aufenthalts nachgewiesenermaßen zumindest zeitweise in engerer Beziehung stand, waren die Juden Josef Löffner und Eduard Neumann, mit denen Hitler befreundet war, der Drogist Rudolf Häusler, mit dem zusammen er 1913 nach Deutschland auswanderte, sowie der Kunstmaler Karl Leidenroth, den Hitler als seinen Konkurrenten und Feind ansah.

Schließung

Ende der 1990er Jahre beschloss die Wiener Stadtregierung, das Heim aufgrund der veralteten baulichen Konzeption zu schließen und ein neues Heim in der Siemensstraße im 21. Wiener Gemeindebezirk zu errichten.

Am 28. November 2003 wurde das Obdachlosenheim geschlossen, worauf es zu einer Hausbesetzung kam. Am 5. März 2004 wurde das neue Heim in der Siemensstraße offiziell eröffnet.

Theaterschauplatz

Das Männerwohnheim Meldemannstraße war vor seiner Schließung ab der Premiere am 24. September 2002 Schauplatz der Theaterproduktion Mein Kampf von George Tabori mit Alexander Waechter - Schlomo Herzl, Nicola Filippelli - Lobkowitz, Michael Smulik - Hitler; Regie Tina Leisch und Hubert Kramar. Wegen des großen Erfolges wurde 2003 das Stück im Jänner noch einmal in den Spielplan aufgenommen und bis 19. April 2003 zweimal wöchentlich aufgeführt. [4] Im gleichen Jahr wurde die Produktion mit dem Nestroy-Theaterpreis als beste Off-Produktion ausgezeichnet.

Umbau zum Altenpflegeheim

Bauschild

Das ehemalige Obdachlosenheim wurde ab 2007 zu einem Altenpflegeheim mit fast 200 Zimmern umgebaut. Die Wiedereröffnung des Gebäudes mit dem neuen Namen „Seniorenschlössl Brigittenau“ fand im September 2009 statt.

Einzelnachweise

  1. Brigitte Hamann: Hitlers Wien. München, 9. Aufl. 2007, S. 229–234, ISBN 978-3-492-22653-0.
  2. Hamann: Hitlers Wien, S. 227 und 568.
  3. Hamann, S. 237.
  4. http://www.literaturhaus.at/cgi-bin/websuche/webglimpse.cgi?ID=1&query=hubsi

Literatur

  • Gerhard Roth: Die Archive des Schweigens, Band 7: Eine Reise in das Innere von Wien, Seiten 89-109, „Die Hitlervilla“. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-11407-1.
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