- Naturstoff
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Naturstoffe (engl. natural products) sind chemische Stoffe, welche aus der belebten oder unbelebten Natur gewonnen werden.[1] Naturstoffe besitzen häufig biologische Aktivität und finden auch als Arzneistoffe Anwendung. Auch wenn der Begriff Naturstoff sich sprachlich und inhaltlich vom Kunststoff absetzt, können auch totalsynthetisch gewonnene Substanzen als Naturstoffe betrachtet werden, nach anderer Definition sind sie naturidentische Stoffe (Beispiele für Unterscheidungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben: Ascorbinsäure und Vitamin E).
Bekannte Beispiele für Naturstoffe, die als Arzneistoffe verwendet werden, sind Penicilline, Aminoglykoside und andere Antibiotika, Taxol, Morphin, Cyclosporin, Mevastatin und Digitalisglykoside. Naturstoffe zeichnen sich oft durch ihre hohe chemische/strukturelle Komplexität aus, was eine rein synthetische Herstellung erschwert oder verhindert. Außerdem zeichnen sich Naturstoffe häufig dadurch aus, dass sie ein äußerst komplexes Gemisch einer Vielzahl einander sehr ähnlicher Stoffe (z. B. Isomere oder Polymere differierender Kettenlänge bzw. Verzweigung) darstellen. Eben dieser hohe Grad an Komplexität und Diversität macht die Naturstoffchemie ziemlich unübersichtlich, führt allerdings auch zur einmaligen Stellung der Naturstoffe als Therapeutika unterschiedlicher Krankheitsbilder. Die Reindarstellung von Naturstoffen gestaltet sich in der Regel als anspruchsvolles Unterfangen.
Die Einteilung von Naturstoffen in verschiedene Klassen ist über ihre Produzenten (Bakterien, Pilze, etc.) sowie ihre chemische Struktur (Polyketide, Nichtribosomale Peptide, Terpene, Glykoside, etc.) möglich.
Inhaltsverzeichnis
Definition im Chemikalienrecht
In der Verordnung EG 1907/2006 („REACH“) wird ein Naturstoff, wie folgt, definiert: natürlich vorkommender Stoff als solcher, unverarbeitet oder lediglich manuell, mechanisch oder durch Gravitationskraft, durch Auflösung in Wasser, durch Flotation, durch Extraktion mit Wasser, durch Dampfdestillation oder durch Erhitzung zum Wasserentzug verarbeitet oder durch beliebige Mittel aus der Luft entnommen.
Quellen von Naturstoffen
Die Gewinnung von Naturstoffen erfolgt aus unterschiedlichen Mineralien, Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen. Hierzu werden Blätter, Nadeln, tierische Gewebe oder Fermentationsbrühen extrahiert. Ein so hergestellter Rohextrakt besteht aus einem Gemisch unterschiedlicher Substanzen, die durch aufwändige Trennmethoden gereinigt werden müssen um das sogenannte aktive Prinzip zu isolieren. Da Naturstoffe zumeist keine ersichtliche Bedeutung für den Organismus, aus welchem sie gewonnen werden besitzen, handelt sich zumeist um sogenannte Sekundärmetabolite.
Mineralische Naturstoffe
Hierzu gehören beispielsweise Wasser, Edelsteine, Kalk.
Naturstoffe aus Pflanzen
Die ältesten bekannten pharmazeutischen Substanzen entstammen der Ethnomedizin. So waren die schmerzlindernden und fiebersenkenden Wirkungen der Weidenrinde (Salix, Salicylat enthaltend) oder die Antimalariaaktivität der Artemisia annua lange vor der Entdeckung ihres aktiven Prinzips bekannt.
Beispiele für pflanzliche Wirkstoffe sind Chinin, Kokain, Digitalis oder Opium. Neben diesen altbekannten Naturstoffen sind Pflanzen auch für die moderne pharmazeutische Forschung von immenser Bedeutung. Das aus der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) isolierte Taxol dient unter dem Namen Paclitaxel als Antikrebsmedikament, die Bekämpfung der Malaria ist durch die Anwendung des Artemisinins aus Artemisia annua verbessert worden. Häufig sind die Produzenten der aus Pflanzen isolierten Naturstoffe nicht die Pflanzen selbst sondern in Symbiose (vgl. Endosymbiontentheorie) lebende Bakterien und Pilze.
Naturstoffe aus Bakterien
Viele der Bakterien, welche Anwendung als Produzenten von Naturstoffen finden, werden aus Erdproben isoliert. Ihre Fermentation in großen Volumina von Nährmedien macht eine Isolierung der aktiven Substanzen möglich. Den größten Bekanntheitsgrad unter den aus Bakterien isolierten Naturstoffen besitzen Antibiotika wie Erythromycin, Vancomycin, Rifamycin oder Tetracyclin. Weitere wichtige bakterielle Naturstoffe sind Immunsuppressiva wie Rapamycin und Tacrolimus und Cytostatika wie Mitomycin und Doxorubicin. Das Suffix der Nomenklatur bakterieller Naturstoffe richtet sich häufig nach der biologischen Aktivität und dem produzierenden Organismus. Die Endungen -mycin und -micin stehen für antibakterielle Aktivität, erstgenannte Substanzen (Bsp. Kanamycin) wurden aus Streptomyces sp., letztgenannte (Bsp. Gentamicin) aus Micromonospora sp. isoliert. Das Suffix -carcin (Bsp. Tetrocarcin) hingegen deutet eine cytotoxische Aktivität an.
Marine Naturstoffe
Ein in jüngster Zeit stark untersuchtes Gebiet der Naturstoffe beschäftigt sich mit Metaboliten marinen Ursprungs. Als Produzenten dienen hierbei vor allem Korallen, Schwämme oder Algen. Ein bekannter Vertreter dieser Naturstoffklasse ist das Discodermolid. Die Gewinnung solcher Naturstoffe ist aus ökologischer Hinsicht problematisch. Häufig handelt es sich wie bei Pflanzen um Naturstoffe aus Bakterien und Pilzen, welche (vgl. Naturstoffe aus Pflanzen) in Symbiose mit Wirtsorganismen wie Schwämmen leben.
Verwendung
Naturstoffe finden in allen Produkten Anwendung, zumindest als Rohstoffe: Nahrungsmittel, Arzneimittel, Baustoffen, technischen Produkten (Kautschuk als Rohstoff in Reifen, Quarz als Rohstoff für Glas oder Halbleiter, Erz als Rohstoff im Metallbau), Energieträgern (Mineralöl, Kohle, Uran), Pflanzenfasern als Rohstoff für Papierprodukte …
Naturstoffe können vielfältig aufbereitet werden: Sammeln, Isolieren, Waschen, Zerkleinern, mit anderen (Natur-) Stoffen kombinieren …
Gefahrstoffe
Naturstoffe sind nicht prinzipiell gefahrlos, nur weil sie in der Natur vorkommen.
Toxine
Sehr viele Akutgifte sind Naturstoffe (Beispiele: Arsen, Digitalistoxin), aber auch viele Gifte chronischer Intoxikationen (z. B. Asbest und die meisten Schwermetalle).
Reizstoffe
Praktisch alle hydrophilen Naturstoffe sind als lyophylisierte Trockenpulver reizend, besonders für Augen und Lunge. Außerdem können praktisch alle Trockenpulver von Naturstoffen organischen Ursprungs Allergien auslösen (sind allergisierend). Sie werden daher in manchem Sicherheitsdatenblatt als Reizstoffe ausgewiesen (z. B. die meisten Aminosäuren). Nach EU-Richtlinie sind solche Naturstoffe jedoch in aller Regel keine Gefahrstoffe.
Entzündliche Stoffe
Organische Naturstoffe und natürliche Energieträger enthalten chemisch gebundene Energie (Entropie), sodass sie in trockenem und reinem Zustand oft brandfördernd, entzündlich oder gar explosiv klassifiziert werden müssen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Definition: Naturstoffe - Meyers Lexikon online. web.archive.org. Abgerufen am 3. April 2009.
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